Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Umut Camkiran: Stabil, agil und hungrig
Der Schwergewichtsboxer aus Bad Saulgau bestreitet am Samstag seinen 21. Profikampf
- Antonio Póstigo lächelt. Der 58 Jahre alte Boxtrainer scheint genau zu wissen, zu was sein Schützling Umut Camkiran in am Samstag gegen Tomaš Šálek beim Kampfabend in Bietigheim in der Lage ist. „Er wird seinen Gegner überraschen. Der wird keine Chance haben“, sagt der freundliche Herr mit dem raspelkurzen, weißen Haar und der hohen Stirn leise aber bestimmt. Er ist überzeugt, dass sein Schützling den CISBB-TITEL nach Version der WBC holt. Das Lächeln wird zu einem freundlichen Lachen, das sein Mund formt, der von einem weißen Vollbart umrahmt wird. Seit knapp drei Jahren arbeitet der Spanier mit Umut Camkiran. Póstigo stammt aus Saragossa, betreibt aber in Malaga eine Boxsportschule, in der er schon etliche Gürtelträger geformt hat.
Der seit wenigen Wochen 35 Jahre alte Umut Camkiran ruht in sich. Er sieht gut aus, hat im Vergleich zum Kampf im Dezember in Bad Saulgau, als er den Münchener Eddy Delibaltaoglu in Runde drei auf die Bretter schickte, hat noch einmal abgenommen. Das ist schon im Gesicht zu sehen, das deutlich schmaler ist als vor dem Dezember-kampf. Geradezu leichtfüßig absolviert der Schwergewichtler kurz zuvor das Aufwärmtraining. Seilspringen. Binnen kürzester Zeit ist das Shirt nassgeschwitzt. Doch das ist auch der Tatsache geschuldet, dass im Box Gym in Weingarten unterm Dach kein Lüftchen weht und kurz zuvor eine große Gruppe trainiert hat. „No oxygen, kein Sauerstoff “, sagt Camkiran zu Póstigo, atmet tief durch.
Jemand öffnet das Fenster, endlich strömt mehr frische Luft nach drinnen. Wenigstens darauf muss Umut Camkiran nicht verzichten, auch dank seiner kleinen Familie, die ihn umgibt und zu der sein Promoter, aber auch sein Onkel gehören. „Ich habe noch einmal sechs Kilogramm abgenommen, wiege jetzt 120 Kilogramm“, erzählt er. „Heute gab es Reis mit Pute... und wenigstens ein bisschen Soße“, sagt Camkiran. Außerhalb der Vorbereitung genießt er auch mal gerne beim Essen. „Nudeln mit Soße, aber nicht zu wenig, die müssen schwimmen. Oder Rostbraten mit Spätzle“, sagt Camkiran und lacht laut auf.
Doch jetzt gilt der Fokus dem Samstagabend und Tomaš Šálek: „Das wird eine coole Veranstaltung“, sagt Camkiran, der acht Wochen im Camp von und mit Postigo trainiert hat.
In Malaga sparrte Camkiran unter anderem mit zwei deutschen Schwergewichtsboxern: dem aus Reutlingen stammenden Victor Daniel und Mannheimer Muhammad Ali Durmaz, der fast 70 Profikämpfe absolviert hat und nur wenige Plätze hinter Camkiran klassiert ist.vor seinem Aufenthalt in Malaga war Umut Camkiran drei Wochen im Camp von Fitness-guru Sepp
Maurer im Bayerischen Wald. Beim High Performance Trainer und Bruder von Starkoch Lucki Maurer stand Fitness, Krafttraining, Kraft-ausdauer, Physio - bis zu sieben Stunden am Tag, auf dem Programm.
„Made in hell“prangt in Versalien auf Camkirans T-shirt - auch das ein Hinweis auf den Coach, der seine Autobiografie nach diesem Motto nannte. Maurer war selbst Skirennfahrer, Motocrosser, „schulte“in zehn Jahren Therapie aber nach einem schweren Unfall, seit dem er ein künstliches Kniegelenk hat, zum Kraftsportler um und trainiert heute Spitzensportler in vielen verschiedenen Disziplinen aus ganz Europa, brachte Weltmeister und Olympiateilnehmer auf ihrem Weg zum Erfolg.
Derweil führt die unabhängige Weltrangliste den in 20 Profikämpfen (19 K.o.) siegreichen, ungeschlagenen Camkiran derzeit
an Position 48. Mit seinem 21. Sieg am Samstagabend gegen den Tschechen Tomaš Šálek könnte dem 35-Jährigen der Sprung unter die Top 20 winken. Er könnte als Gegner für eine freiwillige Titelverteidigung interessant werden. Doch daran denkt der dreifache Familienvater derzeit nicht. Im Fokus steht der Gegner. „Das ist ein starker Junge“, sagt Umut Camkiran. „Der hat eine gute Technik, das wird bestimmt ein guter Kampf“, ist er überzeugt. Šálek ist knapp zehn Jahre jünger als Camkiran, hat 21 (13 K.o.) seiner 25 Kämpfe gewonnen, vier aber auch verloren und ging dreimal k.o. Er hat seine jüngsten 14 Kämpfe gewonnen, unterlag zuletzt 2019 seinem Landsmann Jan Hrebik. Außerdem ist Šálek zehn Zentimeter größer als Camkiran, hat also die größere Reichweite. „Aber ich bin daran gewöhnt, dass meine Gegner größer sind“, sagt der mit 1,82 Metern
für einen Schwergewichtler eher kleine Camkiran. Seinen bislang letzten (Punkt-)sieg errang Šálek vor knapp fünf Wochen gegen seinen Landsmann Jiri Surmaj.
Immer wieder bezieht Antonio Póstigo seinen Schützling ins Training ein. Er ist deutlich, klar in seinen Ansagen, als die beiden im Ring zusammen arbeiten. Immer wieder schlägt Umut Camkiran harte Hände, die Póstigo mit den Pratzen abfängt.
Dabei sprechen Sie auf Englisch über Vorgehensweise und Taktik und wie sie sich am besten darauf vorbereiten. Der Spanier hört sich die Meinung seines Schützlings an und zusammen erarbeiten sie die Herangehensweise.
Umut Camkiran wirkt ruhig und gefasst, als ihm sein Promoter Oktay Kapilar, einen Schluck Wasser aus der Flasche in den Mund gießt. „Ich freue mich total auf den Kampf am Samstagabend. Mir sind alle Gäste wichtig, auch die Spezialgäste“, sagt er und meint die ersten Reihen.
„Aber am wichtigsten sind mir die Leute, die kommen, die für 40, 50 Euro eine Karte kaufen, um mich und die anderen kämpfen zu sehen und anfeuern. Die einfachen Leute, die sich für unseren Kampfabend Zeit nehmen. Das sind meine VIPS.“Umut Camkiran steht fest, mit beiden Beinen auf dem Boden. Der „anatolische Löwe“oder „Real“wie er sich selbst lieber nennt, hat die Stabilität, um seine Geschichte weiterzuschreiben.
„Ich habe noch einmal
sechs Kilogramm abgenommen, wiege jetzt 120 Kilogramm“, sagt Umut Camkiran über sein neues
Kampfgewicht.
Für den Kampfabend des Veranstalters Real Events am Samstag, 13. April, in der Ege-transarena in Bietigheim-bissingen gibt es noch Karten, über reservix.de oder an der Abendkasse. Die Karten kosten ab 39 Euro.