Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mutter zeigt Sohn wegen Betrugs an
Junger Mann soll über ihr Paypal-konto Transaktionen getätigt haben – Gericht ordnet Nachermittlungen an
- Von der eigenen Mutter ist ein junger Mann angezeigt worden, weil er sich auf deren Paypal-konto eingeloggt haben soll, um Transaktionen im Umfang von 11.500 Euro zu tätigen. Außerdem muss sich der 21-Jährige wegen weiterer Delikte vor dem Riedlinger Amtsgericht verantworten: Beleidigung und Autofahren ohne Versicherungsschutz.
Die 53-jährige Frau, gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, sei bleich geworden beim Blick auf ihr Paypal-konto, berichtete ihr Lebensgefährte. Generell würden darüber Zahlungen höchstens im unteren dreistelligen Bereich getätigt. Am 4. August 2022 waren plötzlich ganz andere Beträge fällig: zuerst 2500 Euro um 0.27 Uhr und eine Minute später weitere 9000 Euro. Empfänger war jeweils die Finanzplattform „etoro“. Veranlasst wurden die Transaktionen laut Umsatzanzeige über das Smartphone des Sohnes: „Iphone von ...“. Auch der Applebrowser Safari OSX war in der Historie vermerkt. Nicht erkennbar war dagegen die jeweilige Rufnummer des Geräts.
Die Frau entfernte sofort gemeinsame Girokonto aus den Paypal-daten, änderte auch das Passwort. „Vier Wochen später sind 2500 Euro zurückgeflossen“, erzählte der Lebensgefährte. „Ich fand es kurios.“Ansonsten sei
nichts mehr abgebucht worden. Allerdings machte Paypal nachdrücklich auf die ausstehende Forderung von 9000 Euro aufmerksam. „Für das Geld muss ich ein halbes Jahr arbeiten“, erklärte die 53-Jährige. „Als das Mahnverfahren angelaufen ist, bin ich zur Polizei.“Dort äußerte sie den Verdacht gegen den Sohn, der bekanntermaßen Aktienhandel betreibe, aber die Anschuldigung zurückgewiesen habe. Auf die Anzeige reagierte dieser mit einem Anruf bei der Mutter, bei dem Ausdrücke wie Hure und Schlampe gefallen seien. Außerdem soll der gedroht haben, „ich breche dir alle Knochen.“Die dafür
fällige Anzeige wegen Beleidigung hat die Frau in der Verhandlung zurückgezogen. Das damals sehr angespannte Verhältnis soll sich inzwischen wieder gebessert haben.
Bestehen blieb dagegen der Vorwurf des „Familiencomputerbetrugs“. Er habe sich zum Tatzeitpunkt eine Woche stationär im Krankenhaus aufgehalten zwecks Lumbalpunktion und Entnahme einer Lungengewebsprobe, sagte der Angeklagte vor Gericht: „Ich war an dem Tag unter Narkose.“Zudem habe er unter einem „starken Medikationsplan“gestanden. „Ich konnte am nächsten Tag nicht stehen.“Auch bei dem späteren Anruf habe eine Übermedikation mit dem Beruhigungsmittel Tavor und dem Betäubungsmittel Tilidin bestanden: „Es war ein psychischer Kurzschluss.“Dass er der Mutter die Aufnahme eines Darlehens zur Begleichung der Paypalforderung angeboten hat, erklärte er mit der Befürchtung, seine Lizenz als Aktienhändler zu verlieren. Dieses Angebot hat die Mutter, die dafür eine Bürgschaft übernehmen sollte, dankend abgelehnt.
Vor Gericht bestätigte der junge Mann zunächst lediglich, dass er seiner Mutter bei einer „Abotransaktion“über Paypal geholfen, aber keine Zugangsdaten erhalten habe. „Ich habe es ihr nur erklärt. Sie hatte sich selbst eingeloggt.“Zudem sei er längst auf eine andere Händlerplattform umgestiegen. Nach der Aussage der Mutter räumte er schließlich ein, dass ihm die Zugangsdaten diktiert wurden. „Dann hatten Sie die doch!“stellte Richterin Claudia Rief fest. Staatsanwalt Sascha Musch forderte den Angeklagten nunmehr auf, angesichts der Indizien mit einem Geständnis Verantwortung zu übernehmen und sich zu entschuldigen: „Jetzt können sie es wenigstens moralisch begleichen.“Auch die Richterin gab zu bedenken: „Es kumuliert sich auf Sie – ohne die Unschuldsvermutung über Bord zu werfen.“
Der Angeklagte, der mangels Deckung durch die Rechtschutzversicherung ohne Beistand erschienen war, blieb allerdings bei seiner Version: „Ich war es nicht.“Nunmehr soll in einer weiteren Verhandlung das Verfahren fortgesetzt werden – wohl erst in einigen Monaten. Rief beantragt Nachermittlungen, nachdem es versäumt wurde, die Rufnummer des Auftraggebers für die inkriminierten Transaktionen zu recherchieren – die Kontoinhaberin selbst erhielt keine Auskunft von Paypal. Außerdem soll ein Arzt vorgeladen werden. Der Staatsanwalt kündigte bereits an, dass durchaus eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht infrage komme, nachdem der Angeklagte zum Tatzeitpunkt fast 21 Jahre alt war: „Sie sind ja erfolgreich in der Erwachsenenwelt unterwegs.“
Bei dieser Verhandlung wird es dann auch um den Vorwurf gehen, dass der junge Mann mit seinem Porsche unterwegs war, für den wegen eines Beitragsrückstands kein Versicherungsschutz bestand. Außerdem soll er an einer Riedlinger Tankstelle einen anderen Kunden heftig beleidigt haben.
„Für das Geld muss ich ein halbes Jahr
arbeiten.“
Die 53-jährige Geschädigte.