Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
VfB Stuttgart besiegt Werder Bremen
Der VfB Stuttgart gewinnt ein irres Spiel gegen Bremen und trifft in Unterzahl zum 3:2
Der VfB Stuttgart hat im Abstiegskampf einen wichtigen Heimsieg gefeiert: Der Fußball-Bun- desligist bezwang Werder Bremen mit 3:2. Dank des zweifachen Torschützen Daniel Ginczek (links, hier mit Filip Kostic, Foto: dpa) verließ der VfB den letzten Tabellenplatz.
STUTTGART - Wie viele Fußballspiele gibt es, bei denen man hinterher keine Ahnung hat, was man über sie erzählen soll? Und dann gibt es solche Spiele wie am Sonntag in Stuttgart, bei denen man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Dieses 3:2 (1:0) des VfB gegen Werder Bremen war ein Spiel zum Hände über den Kopf schlagen, ein Spiel zum Jauchzen, Weinen, Lachen. Und das alles minütlich wechselnd. Ein Spiel für Phantasten. „Ich habe schon viel erlebt in meinem Leben. Aber sowas? Unglaublich!“, sagte auch Stuttgarts Trainer Huub Stevens. 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 3:2, so lautet die Geschichte des zweiten Stuttgarter Heimsieges hintereinander in nackten Zahlen. Etwas genauer: In der besten ersten Halbzeit seit Langem erzielt der VfB ein Tor, verpasst es aber, nachzulegen. Fängt sich dann mitten in einer Sortierungsphase den Ausgleich, vergibt beste Gelegenheiten, trifft doch noch zur Führung, kassiert eine Gelb-Rote Karte und in Unterzahl wieder den Ausgleich. Trifft mit Ablauf der regulären Spielzeit, der Rest geht im Jubel unter.
Held, Antiheld, Held, Antiheld: So die Geschichte Martin Harniks. Der in der ersten Halbzeit nach der frühen Führung des VfB durch eine Direktabnahme von Kapitän Christian Gentner (15.) überragend gespielt und praktisch überall gleichzeitig auf dem Feld gewesen war; der dann in der zweiten Halbzeit nach dem Bremer Ausgleich durch Davie Selke (50.) mehr stolperte als rannte; innerhalb weniger Sekunden zwei soge- nannte tausendprozentige Chancen über, respektive neben das Tor setzte; der ausgewechselt werden sollte, dann doch noch mit einer Energieleistung sehenswert das 2:1 durch Daniel Ginczek (70.) vorbereitete; drinbleiben durfte und binnen elf Minuten zwei Gelbe Karten kassierte und seine Mannschaft so wieder zurückwarf.
Held, Antiheld, Superheld: So lautet die Geschichte von Daniel Ginczek in diesem Spiel. Dem gelang erst der erneute Führungstreffer, konnte beim neuerlichen Bremer Ausgleich Jannik Vestegaard nicht am Köpfen hindern, und knallte schließlich mit dem Beginn der Nachspielzeit einen von Serey Dié formidabel durchgesteckten Pass aus vollem Lauf in die Maschen. „Unfassbar, mir fehlen die Worte“, sagte Ginczek unmittelbar nach dem Abpfiff. „Nach dem 2:2 willst du kurz im Boden versinken, und dann machst du das 3:2. Das ist einfach überragend.“
Ginczeks zweiter Doppelpack hintereinander in Bad Cannstatt bescherte dem VfB nicht nur einen eminent wichtigen Sieg für die Tabelle, sondern gefühlt mindestens fünf Punkte. Zwei Punkte zusätzlich für die Moral. Eine Mannschaft, die solche verrückten Spiele mitten im Abstiegskampf am Ende noch gewinnt, die ist quicklebendig. Und wer solche Fans hat, kann ohnehin alles schaffen. Sagte Huub Stevens: „Vielen Dank an unsere Fans. Das ganze Spiel gab es eine gute Wechselwirkung zwischen Fans und Spielern. Das gibt Kraft, und das hat auch zum 3:2 geführt“. Wer zudem, wie Stevens auf seine alten Tage und in dieser Situation, die Lust am Offensivfußball, am Spektakel entdeckt, der ist am richtigen Ort zur richtigen Zeit. „Die Mannschaft hat heute nach den vielen Enttäuschungen einen Sieg nach Hause gefahren, das war eine großartige Leistung“, sagte Stevens.
Der VfB hat sich durch seinen dritten Heimsieg der Saison von Platz 18 auf Rang 17 verbessert, der Rückstand zum Relegationsplatz und Paderborn beträgt einen Zähler. Stevens warnte aber vor zu viel Euphorie. „Wir dürfen uns nicht reich rechnen. Es sind noch sechs Endspiele. Wir haben heute die richtige Antwort gegeben, die Art und Weise, wie das Spiel gelaufen ist, muss den Spielern Selbstvertrauen geben. Jetzt müssen wir das bestätigen.“Nächsten Samstag geht es nach Augsburg.