Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kleineres Übel
In Weißrussland hockt seit dem Jahr 1994 ein Kerlchen an den Schalthebeln der Macht, welches sich redlich den Beinamen „Europas letzter Diktator“verdient hat. Alexander Lukaschenko heißt das Kerlchen. Jetzt sieht es seinen schönen Ehrentitel in gewisser Weise gefährdet. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte Lukaschenko vor wenigen Tagen: „Ich bin nicht mehr der letzte Diktator Europas. Es gibt Diktatoren, die ein wenig schlimmer sind als ich, nicht wahr? Ich bin jetzt das kleinere Übel.“
Wen könnte er da wohl gemeint haben? Richtig: Alexander Lukaschenko hat Angst, dass ihm sein Kollege Wladimir Putin den Rang abläuft. Mit dem ist er bisher eigentlich ziemlich gut ausgekommen. Jetzt geht ihm aber die Muffe, weil Putins Hobby, Nachbarländer zu überfallen, irgendwann auch Weißrussland treffen könnte. Das fände Lukaschenko nicht schön, vor allem deshalb nicht, weil ja sein prächtiger Posten in Gefahr wäre. Falls es doch so weit kommen sollte, empfehlen wir ihm, Putin bei seiner Diktatorenehre zu packen. „Wladimir“, sollte er sagen, „so was macht man doch nicht. Wir sind doch Brüder im Geiste. Wir müssen doch zusammenhalten.“Falls dies nichts fruchtet, könnte er ihm ein konkretes Angebot machen. Er sollte Putin anbieten, dass er ihm freiwillig den Titel „schlimmster und letzter Diktator Europas“abtreten und sich fürderhin mit Platz zwei begnügen wird. „Zweitschlimmster und vorletzter Diktator Europas“klingt auch nicht übel. Das kleinere Übel zu sein ist zweifellos besser als gar kein Übel zu sein. (nab)