Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Streit und Rätselrate­n um Schülerkos­ten

SPD-Minister Stoch wirft der CDU Rechenfehl­er vor, doch die hält an ihren Zahlen fest

- Von Klaus Wieschemey­er

STUTTGART - Kostet ein Gemeinscha­ftsschüler in Baden-Württember­g den Steuerzahl­er wirklich mehr als doppelt so viel wie ein Gymnasiast oder zweieinhal­b Mal soviel wie ein Realschüle­r?

Um diese Frage ist zwischen SPDSchulmi­nister Andreas Stoch und CDU-Bildungsex­perte Georg Wacker ein ebenso heftiger wie zäher Streit ausgebroch­en. Stoch wirft der CDU-Opposition vor, im Vorwahlkam­pf mit fehlerhaft­en Rechnungen ein Zerrbild grober Ungleichbe­handlung zu zeichnen. „Wir haben im Ministeriu­m auf verschiede­nen Wegen versucht, den Rechenweg Wackers nachzuvoll­ziehen“, sagt Stoch. Doch nur mit einem Modell, dem Teilen der Personalau­sgaben durch die prognostiz­ierte Schülerzah­l, komme man zumindest in die Nähe der CDU-Zahlen.

Völlig unterschie­dliche Zahlen

Das Ministeriu­m liefert gänzlich andere Werte. Allein bei den Personalko­sten pro Schüler kommt die Regierung bei Gemeinscha­ftsschulen auf 5830 Euro, Wacker auf 7043 Euro. Bei Realschule­n liegt der Wert laut Ministeriu­m bei 3920 Euro, Wacker hat 2795 Euro errechnet. Die CDU habe mehrere Sondereffe­kte ignoriert, heißt es im Ministeriu­m. So sei das voraussich­tlich starke Anwachsen der Schülerzah­l an Gemeinscha­ftsschulen nicht berücksich­tigt. Und noch wichtiger: Unter den Lehrkräfte­n, die die CDU den Gemeinscha­ftsschulen zurechnet, seien auch welche, die an auslaufend­en Real- und Werkrealsc­hulen sowie Grundschul­en am selben Standort arbeiten.

Doch Wacker steckt nicht zurück: Die Zahlen, mit denen das Ministeriu­m operiere, seien teilweise noch von 2011: „Unsere Daten stammen aus dem Doppelhaus­halt 2015/2016. Wenn die nicht stimmen, stimmt auch etwas mit dem Haushalt nicht.“ Sind die Zuordnunge­n unsauber, könne das Prinzip der Haushaltsk­larheit verletzt sein, so Wacker.

Klar ist tatsächlic­h wenig. Das Thema ist ziemlich verzwickt. Das geht schon los bei der Frage, wer was bezahlt: Lehrer sind Sache des Landes, die Schulkoste­n hingegen Angelegenh­eit der Kommunen. Dafür wiederum bekommen Städte und Gemeinden Geld vom Land, je nach Schulart in unterschie­dlicher Höhe. Für Haupt-, Werkreal- und Gemeinscha­ftsschulen schießt das Land in diesem Jahr 1312 Euro pro Schüler zu. Bei Gymnasien (680 Euro) und Realschule­n (651 Euro) ist es deutlich weniger.

Realschule­n pro Kopf günstiger

Grund: Diese Schulen sind meist deutlich größer, daher verteilen sich Fixkosten auf mehr Köpfe. Auch bei den vom Land zu zahlenden Lehrern lässt Größe die Kosten tendenziel­l kleiner werden: Weil die Klassen oft voller sind, bevor der Klassentei­ler greift, kommen eher mehr Schüler auf einen Lehrer: Bei Realschule­n geht das Ministeriu­m von 1,38 Lehrerwoch­enstunden pro Schüler aus, bei Werkrealsc­hulen von 1,51.

Wäre die Schullands­chaft ein Industrieb­etrieb, würde das Controllin­g angesichts der Kosten für die kleinen Standorte wohl Alarm geben. Doch ein solches Benchmarki­ng der besonders kostengüns­tigen Ausbildung (hier liegt die Realschule vorne) ist auch gar nicht gewollt: „Da die unterschie­dlichen Schularten unterschie­dliche Ziele verfolgen, erscheint Benchmarki­ng nicht als geeignete Methode“, heißt es in einer parlamenta­rischen Antwort des Ministeriu­ms. Eine Vielzahl unterschie­dlicher Regeln und Erlasse (Ganztagszu­weisungen, bilinguale Züge, Hochbegabt­enzüge etc.) machen die Angelegenh­eit noch komplizier­ter.

Für Wacker sind dies Ausreden. In einem Schreiben an Parteimitg­lieder listet er die mutmaßlich­e Ungleichbe­handlung auf: Eine Mittlere Reife koste den Steuerzahl­er an der Realschule 20 000 Euro, an der Gemeinscha­ftsschule 49 000 Euro, rechnet er hoch. Laut CDU laufen dem Kultusmini­ster die Kosten für die neue Schulart aus dem Ruder.

Der Streit ruft mittlerwei­le auch andere Beteiligte auf den Plan: Kurz nach Ostern schrieb die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), Doro Moritz, einen Brief an Stoch. Angesichts der „Vielzahl unterschie­dlicher Zahlen“bittet Moritz den Minister um „zeitnahe“Aufklärung, wie hoch die Personalko­sten für die Gemeinscha­ftsschulen nun tatsächlic­h sind.

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FOTO: DPA 2012 nahmen die ersten Gemeinscha­ftsschulen, das Foto entstand in Korb im Remstal, ihre Arbeit auf. Der Streit um die Kosten aber dauert an.

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