Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Erfolg der Favoritin ist nicht garantiert
ie zweite Chance ist ein Konzept, das Amerikaner zum Kern ihrer Lebensphilosophie erklären. Wer scheitert und wieder aufsteht, dem sind Sympathie und Respekt garantiert, denn niemand ist hier für alle Zeiten zum Versager gestempelt. Nur dass die Duelle ums Weiße Haus beweisen, dass vieles, was da geredet wird über zweite Chancen, in der Politik nur mit Einschränkungen gilt.
In Wahlkämpfen schätzt das Land keine Loser. Ob Jimmy Carter oder Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama: Die meisten, die zuletzt ins Oval Office gewählt wurden, haben es im ersten Anlauf geschafft. Die Ausnahme bildete Ronald Rea- gan, der 1980 gewann, nachdem er 1976 schon bei der innerparteilichen Auslese den Kürzeren gezogen hatte.
Mit alledem ist bereits gesagt, dass man vorsichtig sein sollte mit allzu viel Vorschusslorbeeren für Hillary Clinton. Ja, sie mag die Favoritin sein, zumindest in den eigenen Reihen. Es ist aber nur eine Momentaufnahme.
Schon vor acht Jahren schien es so, als könnte ihr keiner das Wasser reichen. Schon damals machte das Wort von der unvermeidlichen Kandidatin die Runde, als entfalte ein Naturgesetz seine Wirkung. Schon damals sprachen manche von einer Bewerberin, die praktisch gekrönt werden würde, statt sich im Marathon der Primaries durchbeißen zu müssen. Bekanntlich kam es anders, und schon deshalb ist eine Prise Skepsis nicht unangebracht.
Was 2015 von 2007 unterscheidet: Bei den Demokraten ist im Augenblick kein zweiter Barack Obama in Sicht, kein Senkrechtstarter, der der Gesetzten erfolgreich den Fehdehandschuh hinwerfen könnte. Aber wer weiß, bis in Iowa die erste Vorwahl stattfindet, gehen fast neun Monate ins Land. Zeit genug für einen überraschenden Herausforderer.
Gewiss, man darf nicht unterschätzen, wie viele Wähler dem Durchbruch von 2008 einen zweiten folgen lassen möchten. Damals der erste Schwarze im Weißen Haus, demnächst womöglich die erste Präsidentin: Das Historische wird eine Rolle spielen, es wird gerade Frauen motivieren, für Hillary zu stimmen.