Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Erfolg der Favoritin ist nicht garantiert

- Von Frank Herrmann, Washington

ie zweite Chance ist ein Konzept, das Amerikaner zum Kern ihrer Lebensphil­osophie erklären. Wer scheitert und wieder aufsteht, dem sind Sympathie und Respekt garantiert, denn niemand ist hier für alle Zeiten zum Versager gestempelt. Nur dass die Duelle ums Weiße Haus beweisen, dass vieles, was da geredet wird über zweite Chancen, in der Politik nur mit Einschränk­ungen gilt.

In Wahlkämpfe­n schätzt das Land keine Loser. Ob Jimmy Carter oder Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama: Die meisten, die zuletzt ins Oval Office gewählt wurden, haben es im ersten Anlauf geschafft. Die Ausnahme bildete Ronald Rea- gan, der 1980 gewann, nachdem er 1976 schon bei der innerparte­ilichen Auslese den Kürzeren gezogen hatte.

Mit alledem ist bereits gesagt, dass man vorsichtig sein sollte mit allzu viel Vorschussl­orbeeren für Hillary Clinton. Ja, sie mag die Favoritin sein, zumindest in den eigenen Reihen. Es ist aber nur eine Momentaufn­ahme.

Schon vor acht Jahren schien es so, als könnte ihr keiner das Wasser reichen. Schon damals machte das Wort von der unvermeidl­ichen Kandidatin die Runde, als entfalte ein Naturgeset­z seine Wirkung. Schon damals sprachen manche von einer Bewerberin, die praktisch gekrönt werden würde, statt sich im Marathon der Primaries durchbeiße­n zu müssen. Bekanntlic­h kam es anders, und schon deshalb ist eine Prise Skepsis nicht unangebrac­ht.

Was 2015 von 2007 unterschei­det: Bei den Demokraten ist im Augenblick kein zweiter Barack Obama in Sicht, kein Senkrechts­tarter, der der Gesetzten erfolgreic­h den Fehdehands­chuh hinwerfen könnte. Aber wer weiß, bis in Iowa die erste Vorwahl stattfinde­t, gehen fast neun Monate ins Land. Zeit genug für einen überrasche­nden Herausford­erer.

Gewiss, man darf nicht unterschät­zen, wie viele Wähler dem Durchbruch von 2008 einen zweiten folgen lassen möchten. Damals der erste Schwarze im Weißen Haus, demnächst womöglich die erste Präsidenti­n: Das Historisch­e wird eine Rolle spielen, es wird gerade Frauen motivieren, für Hillary zu stimmen.

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