Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Zur Begrüßung Fieber messen
Ebola ist fast besiegt, doch Liberia leidet weiter – Deutschland will beim Wiederaufbau helfen
MONROVIA - Die Bitte ist flehentlich. „Please stay here, Deutsches Rotes Kreuz“haben die einheimischen Helfer auf ihre Pappschilder geschrieben. Sie säumen den Weg hinaus aus dem Sittu-Zeltlager, der deutschen Seuchenstation in Liberias Hauptstadt Monrovia. Geplant für Ebola-Kranke, jetzt Anlaufstelle für andere schwer infektiöse Krankheiten wie Malaria oder Lungenentzündung. Die deutschen Minister für Entwicklung und Gesundheit, Gerd Müller (CSU) und Hermann Gröhe (CDU), besuchen diese Zeltstadt, bevor sie Ende April geschlossen wird. Die Mission ist dann beendet, Ebola voraussichtlich kein Thema mehr in Liberia. Doch auch wenn Bundeswehr und Rotes Kreuz gehen, die Aufgabe, eine ordentliche Gesundheitsvorsorge aufzubauen, bleibt. Und die Angst vor einer Rückkehr von Ebola auch.
Leeres Rollfeld
Ein Gespensterflughafen empfängt die deutsche Delegation in Monrovia, der Hauptstadt Liberias. Alles leergefegt, eine einzige UN-TransallMaschine steht auf dem Rollfeld. Keine Geschäftsleute, keine Touristen. Die beiden deutschen Minister werden mit dem Ellbogen-Shake empfangen. Ellbogen aneinander reiben statt Händeschütteln, das seit Ebola als zu gefährlich gilt.
Bevor man überhaupt in den Empfangsraum des Flughafens kommt, ist Fieber messen angesagt. Ein elektronisches Fieberthermometer scannt die Körpertemperatur aller Einreisenden, über 37,5 Grad sollten es nicht sein. Minister Gerd Müller ist cool: 36,4 Grad. Hermann Gröhe angeblich noch cooler: 35,7. Auch am Hotel Mamba Point, wo internationale Helfer und Journalisten verkehren, wird noch einmal die Körpertemperatur der Gäste geprüft.
Der Weg vom Flughafen in die Stadt ist lang. Und er ist gesäumt von Zeugen der Geschichte des Landes. Walter Lindner, der deutsche EbolaSonderbeauftragte, ist zum siebten Mal in Monrovia und kennt die Geschichte. Jene des Bürgerkriegs, der bis 2002 dauerte, jene der Kindersoldaten, jene der Guerilleros, die Hände und Arme der Menschen abhackten, damit sie nicht wählen gehen sollten. Und Lindner hat noch mit eigenen Augen die Ebola-Toten am Wegesrand vor dem Krankenhaus liegen sehen - bei seinem ersten Besuch. Der war im Oktober des letzten Jahres. „Wir hatten keinen Krankenwagen, keinen Leichenwagen und keine Ebola-Behandlungseinheit, noch nicht einmal Schutzmaterial“, berichtet Margret Gieraths-Nimene, die deutsche Leiterin einer kleinen Klinik in Monrovia, der das Medikamentenhilfswerk action medeor zu Hilfe kam. Fast 10 000 Infektionen, über 4300 Tote sind die bisherige Ebola-Bilanz in Liberia. Bei einer schnelleren internationalen Hilfe hätten es weniger sein können.
Die Hilfe kam zu spät
Auch die Deutschen kamen zu spät. Eigentlich wollten sie eine EbolaStation aufbauen. Die Sittu (Severe Infections Temporary Treatment Unit) hat vorweg die dreifache Schleuse, die Triage, um die Seuchen fernzuhalten. Doch als Helfer mit dem Aufbau fertig waren, standen längst nicht mehr Ebola, sondern an- dere Krankheiten im Vordergrund. Lungenkrankheiten und Malaria. Das Konzept aber bleibt, und es hat sich bewährt. 450 Menschen wurden in Sittu untersucht, 150 stationär aufgenommen, alle wurden auf Ebola getestet, zum Glück war kein Test positiv. Bis Ende April wollen die vielen freiwilligen Helfer wie die Krankenschwester aus Berlin und der Logistiker aus der Pfalz noch bleiben. Dann kommt die Regenzeit, die Krankenstation wird geräumt, die deutsche Erfahrung soll an anderen Krankenhäusern weitergegeben werden.
Die Ebola-Epidemie hat eines gezeigt: „Eine Gefahr, die einen Teil der Welt bedroht, kann heute schnell die Menschen in aller Welt bedrohen", so Gröhe. Müller und Gröhe kennen die neue, die nächste Bedrohung noch nicht, aber sie wissen, dass sie kommt. Deshalb sind der Entwicklungs- und der Gesundheitsminister gemeinsam in Liberia. Sie wollen die Lehren ziehen. Eine bessere Gesundheitsvorsorge schaffen.
Liberia schöpft langsam wieder Hoffnung. Ab heute soll Kenya Airways wieder den verlassenen Flughafen anfliegen. Die Grenzen werden wieder geöffnet, auch wenn überall noch die großen Plakate hängen: „Ebola ist real“. Doch der Alltag kehrt zurück. Im Taxi drängen sich wieder die Einheimischen zu fünft, während der Ebola-Krise durften nur zwei in einem Wagen sitzen.
Liberia hat Chancen, wenn die Entwicklungshelfer wieder kommen. „Ebola darf dieses Land nicht in Depression stürzen“, sagt Gerd Müller. „Der Charakter der Hilfe muss sich ändern, von der Akuthilfe hin zur Wiederaufbauhilfe“, meint Hermann Gröhe.
Die Minister haben in Monrovia solche Projekte besichtigt. Etwa den Wiederaufbau des Wasserkraftwerks Mount Coffee, das bis 1990 ganz Monrovia mit Strom versorgte. Die Firma Voith liefert hier die Turbinen, im Dezember 2016 soll der erste Abschnitt fertig sein. Das Werk soll Strom für eine Million Liberianer liefern. Deutschland hat die Mittel für die Zusammenarbeit in den nächsten zwei Jahren verdoppelt. Der Wiederaufbau der Infrastruktur steht im Mittelpunkt. „Unsere Hilfe ändert ihren Charakter, aber sie hört nicht auf“, verspricht Gröhe.