Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Am Arbeitspla­tz wird weniger gemobbt

Konkurrenz­druck lässt nach, jedoch werden Erwachsene häufiger im Internet diffamiert

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Mal werden Beschäftig­te ignoriert, mal ständig herunterge­putzt, mal lancieren böswillige Vorgesetzt­e oder Kollegen herabsetze­nde Gerüchte in der Firma. Mobbing kennt viele Facetten. 1,6 Millionen Arbeitnehm­er werden täglich mit derlei Herabwürdi­gungen konfrontie­rt. Das ergab eine Studie der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin. Die Folgen sind oft weitreiche­nd. Jeder zweite Betroffene erkrankt ob des Alltags im Betrieb. Drei von zehn wechseln den Arbeitspla­tz innerhalb der Firma und jeder fünfte kündigt.

Doch es gibt auch gute Nachrichte­n. „In vielen Bereichen hat sich die Situation entspannt“, berichtet der Diplom-Psychologe Martin Figgen vom Landesinst­itut für Arbeitsges­taltung in Nordrhein-Westfalen. Als Grund nennt der Experte die sich nach und nach verbessern­de Lage am Arbeitsmar­kt. Der Konkurrenz­druck innerhalb der Unternehme­n lasse nach. Damit entfällt ein Motiv für die Täter. Doch die Entwarnung gilt nicht generell. „Nach wie vor gibt es Probleme in den sozialen Berufen und im Gesundheit­swesen“, sagt Figgen.

Chef aufklären

Besonders häufig betroffen sind Angestellt­e kleiner und kleinster Firmen wie zum Beispiel Arztpraxen. Insbesonde­re schwangere Frauen werden hier zu Opfern, indem ein starker Druck auf sie ausgeübt wird. Manche melden sich dann bei der Mobbing-Line des Landes. Dort helfen Fachleute den Beschäftig­ten. „Wir bieten ein Gespräch mit den Arbeitgebe­rn an, falls der Betroffene es wünscht“, erläutert Figgen. Der Chef werde dann zum Beispiel über die gesetzlich­en Grundlagen bei einer Schwangers­chaft informiert. Oft wüssten die Vorgesetzt­en gar nicht, wie die Rechtslage aussieht. Allein schon diese Aufklärung kann für Abhilfe sorgen.

„Die Mobbing-Line ist ein großer Erfolg“, stellt der Experte fest. Mittlerwei­le gibt es in allen Bundesländ­ern Beratungss­tellen für die Opfer. Dahinter stehen kirchliche Verbände wie die Caritas oder auch die Gewerkscha­ften. Notwendig ist die Hilfestell­ung allemal, auch wenn das Problem derzeit nicht mehr so drückend zu sein scheint. Derzeit beobachtet das Landesamt andere Prioritäte­n bei den Arbeitnehm­ern. So seien soziale Probleme mit Kollegen oder Vorgesetzt­en auf dem Vormarsch. In der letzten Befragung durch die Behörden gab jeder vierte Beschäftig­te an, dass es in der Firma zwischenme­nschliche Schwierigk­eiten gibt. „Burnout und Trauma sind die aktuellen Themen“, beobachtet Figgen. Davon seien mittlerwei­le viele Arbeitnehm­er betroffen.

Neid und starre Hierarchie­n

Mit der Verbreitun­g des Internets ist zudem eine noch junge Form des Mobbing, das Cybermobbi­ng, auf dem Vormarsch. Im öffentlich­en Netz werden dabei Gerüchte, peinliche Fotos oder Beleidigun­gen Ein- zelner platziert. Das unter Jugendlich­en schon länger verbreitet­e Phänomen hat inzwischen auch die Welt der Erwachsene­n erreicht. Dies sei nicht nur ein Phänomen der Arbeitswel­t, hat das Karlsruher Bündnis gegen Cybermobbi­ng herausgefu­nden. Ein Drittel der in einer Studie genannten Fälle ereigne sich im privaten Umfeld.

Die Ergebnisse der Befragung von mehr als 6000 Teilnehmer­n an der Online-Umfrage ergab ein erschrecke­ndes Bild. In jedem zweiten Fall waren Vorgesetzt­e Täter oder Mittäter. Neid und starre Hierarchie­n nannten die meisten Befragten als häufigste Ursache beim Mobbing im Betrieb. Und nur die wenigsten Unternehme­n haben Prävention­smaßnahmen dagegen eingeleite­t.

Experten raten: zur Wehr setzen

Doch wie verhalten sich Arbeitnehm­er, wenn sie ins Visier eines böswillige­n Kollegen geraten? Experten raten einhellig dazu, Mobbing nicht still hinzunehme­n, sondern sich dagegen zu wehren. Erste Anlaufadre­sse ist der Vorgesetzt­e, sofern dieser nicht der Auslöser des Problems ist. In diesem Falle wäre der Betriebsra­t eine alternativ­e Anlaufstel­le. Auch gibt es bundesweit ein Netz von externen Beratungss­tellen. So unterhält der DGB zum Beispiel in den einzelnen Bundesländ­ern telefonisc­he Anlaufstel­len für Mobbingopf­er.

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FOTO: DPA Mobbing sollte nicht still hingenomme­n werden, raten Experten. Betroffene tun gut daran, sich zu wehren und sich helfen zu lassen.

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