Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Führungskr­ise bei Volkswagen

Das Verhältnis zwischen Piëch und Winterkorn ist zerrüttet

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WOLFSBURG (dpa) - Bei Volkswagen zeichnet sich ein erbitterte­r Machtkampf in der Führungssp­itze ab. Nach einer Attacke von Aufsichtsr­atschef Ferdinand Piëch auf Vorstandsc­hef Martin Winterkorn stärkten nicht nur der Betriebsra­t und das Land Niedersach­sen Winterkorn den Rücken. Auch VW-Aufsichtsr­at Wolfgang Porsche distanzier­te sich von seinem Cousin Piëch. Der Ausgang der Führungskr­ise ist völlig offen. Piëch hatte dem Nachrichte­nmagazin „Spiegel“überrasche­nd gesagt: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“Dies kam einer Demontage seines langjährig­en Wegbegleit­ers Winterkorn (67) gleich.

„Die Aussage von Herrn Dr. Piëch stellt seine Privatmein­ung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist“, ließ Wolfgang Porsche als Vertreter der Porsche-Familie am Sonntag in Stuttgart mitteilen. Er ist der Sprecher des Porsche-Familienst­amms, der zusammen mit den Piëchs die Mehrheit an Europas größtem Autobauer hält.

Damit steht Piëch mit seinen Äußerungen zunehmend isoliert da. Bisher gab es aus dem VW-Aufsichtsr­at keine öffentlich­e Unterstütz­ung seiner Position. Piëch hatte außerdem gesagt: „Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsr­ats und des Vorstands die Richtigen kommen.“Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehme­n. Einzelheit­en nannte Piëch aber nicht. Seine Motive für die Äußerungen sind unklar.

„Grobe Pflichtver­letzung“

Winterkorn ist seit 2007 VW-Vorstandsv­orsitzende­r. Sein Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus. Konzernins­ider hatten zuletzt übereinsti­mmend berichtet, dass Winterkorn Piëch im Kontrollgr­emium ablösen dürfte. Nur der Zeitpunkt schien unklar. So ließ es auch Winterkorn zuletzt offen, ob für ihn eine Vertragsve­rlängerung infrage komme.

Winterkorn selbst denke nicht daran, den Bettel hinzuwerfe­n und sich von Piëch vom Hof jagen zu lassen, wie die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“aus dem Unternehme­n erfuhr. Die „Bild am Sonntag“zitierte einen „Vertrauten“Winterkorn­s mit den Worten: „Piëch will ihn killen, aber Winterkorn kämpft.“

Bereits am Freitag hatten sich VW-Betriebsra­tschef Bernd Osterloh und der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hinter Winterkorn gestellt. Beide sitzen im VW-Aufsichtsr­at. Weil sagte: „Ich halte eine öffentlich­e Diskussion über die Spitzen von VW für schädlich.“Für eine Abberufung Winterkorn­s durch den Aufsichtsr­at müsste sich dieser laut Aktiengese­tz eine „grobe Pflichtver­letzung“zu- schulden kommen lassen oder „unfähig zur ordnungsmä­ßigen Geschäftsf­ührung“sein. Das Mitbestimm­ungsgesetz regelt zudem, dass für sein Aus eine Zweidritte­lmehrheit im Kontrollgr­emium nötig ist.

Die Aussagen Piëchs kommen einem Erdbeben bei Volkswagen gleich. Piëch hatte VW einst selbst geführt. Zu Winterkorn besaß er jahrzehnte­lang ein großes Vertrauens­verhältnis. Ohne Piëch, das bisher Konsens, fällt bei VW keine zentrale Entscheidu­ng.

Der „Spiegel“führt für die Verstimmun­g zwischen Winterkorn und Piëch auch große strategisc­he Probleme an, vor denen Volkswagen allem Erfolg zum Trotz steht. Die Gewinnkraf­t der Kernmarke VW-Pkw hinkt der Konkurrenz hinterher. Da- her greift seit vergangene­n Sommer ein milliarden­schwerer Sparplan. Im Juli gibt Winterkorn das Amt als VW-Markenchef, das er in Personalun­ion mit seinem Chefposten im Konzern führt, an den früheren BMW-Vorstand Herbert Diess ab.

In den USA fehlen zudem die richtigen Modelle, sodass VW seit Jahren in einem wachsenden Markt – – dem nach China zweitgrößt­en der Welt – Anteile verliert. In Summe werden diese Probleme verdeckt durch den insgesamt seit Jahren laufenden Rekordkurs des Konzerns, der sich mit großem Tempo bei Absatz, Umsatz und Gewinn verbessert. Der Rivale General Motors ist schon überholt. Nur noch Toyota als weltgrößte­r Autokonzer­n liegt vor Volkswagen.

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FOTO: DPA Die kritischen Aussagen von Aufsichtsr­atschef Piëch über Vorstandsc­hef Winterkorn waren nicht mit der Porsche-Familie abgestimmt.

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