Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Kleinteilige Strukturen im Tourismus sind ein Problem“
Henrike Müller kritisiert die Art und Weise, wie sich die Region zwischen Ostalb und Bodensee vermarktet
RAVENSBURG - Die bedeutenden Tourismusmessen des Jahres, die CMT in Stuttgart und die ITB in Berlin, sind vorbei. Die Schlagwörter, mit denen sich die touristischen Regionen Baden-Württembergs in Form von vielen kleinen Verwaltungsorganisationen präsentieren, sind immer dieselben: Kulinarik, Familie, Aktiv, Kultur, Gesundheit. „Ich sehe diese Themen überall. Das ist nicht genug, um sich abzuheben“, sagt die Touristikerin Henrike Müller aus Bad Schussenried. Tanja Schuhbauer hat die Expertin gefragt, was sich am Tourismusmarketing in der Region ändern muss.
Was kritisieren Sie am Tourismusmarketing zwischen Ostalb und Bodensee?
Die zersplitterten, kleinteiligen Strukturen sind ein Problem, weil sie viel zu teuer und die Einzelergebnisse anspruchslos und begrenzt sind. Das macht es unmöglich, den Tourismus im Südwesten im Spannungsfeld zwischen knappen öffentlichen Kassen und politischer Einflussnahme weiterzuentwickeln. Ich sehe nicht, dass sich da in den letzten Jahren etwas verbessert hätte. Vor allem der vielbeschworene Gästenutzen bleibt auf der Strecke. Trotz Internet scheint mir der Prospekte-Wirrwarr sogar noch schlimmer als früher. Tourismusorganisationen beschäftigen sich hauptsächlich mit sich selbst, Innovationen bleiben aus. In der Industrie nennt man das Blindleistung. Der Tourismus sollte sich erfolgreichen Managementmethoden aus anderen Branchen öffnen. Tourismuskonzepte aber wie beliebige „Schablonen“auf die Regionen zu legen, ist fatal.
Wie könnte es besser funktionieren?
Um die Qualität zu steigern, muss das Wissen der Akteure und die Erfahrung der gewerblichen Betriebe – wie Hotels und Gaststätten – verknüpft werden. Mit „Tourismus von unten“habe ich zum Beispiel erfolgreich die „Campus Galli Herbergen“im Raum Meßkirch aufgebaut. Wir entwickeln gemeinsam Produkte weiter, die dann von der öffentlichen Tourismusorganisation vermarktet werden. Die Geschäftsführer der regionalen Tourismus GmbHs und -vereine sollten mit den Akteuren vor Ort auf Augenhöhe zusammenarbeiten mit dem Ziel eines maßgeschneiderten Tourismus für die Region. In Oberschwaben könnte das barocke Erbe die Grundlage für ein wirkungsvolles „Geschichten erzählen“im Tourismus sein – ein Alleinstellungsmerkmal für die Region, aber nur, wenn es zeitgemäß präsentiert wird. Dazu braucht es jedoch notwendig die Beteiligung aller touristischen Partner.
Sie haben die Genossenschaft Oberschwäbisches Barockzentrum gegründet, an der sich mittlerweile 25 Mitglieder beteiligen. Worin liegt der Vorteil für den Tourismus in der Region?
Als Genossenschaft sind wir selbstverwaltet, selbstfinanziert und politisch unabhängig. Unsere Experten vermitteln das Wissen vom oberschwäbischen Barock vollständig und unterhaltsam – fern von Klischees und mit großem Fachwissen. Über unsere Reiseleitungen, Vorträge, Seminare und von uns entwickelten kulturhistorischen Figuren folgen Gäste und Einheimische dem barocken Spannungsbogen von damals bis heute. Dabei fungiert unsere Geschäftsstelle als Servicezentrum und organisiert maßgeschneidert Reisen, Tagesprogramme, Veranstaltungen und Veröffentlichungen. Unser Motto: „Wir barocken den Süden“.