Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Deutsch ist hip
Dänische Großstädter stehen auf Deutsch
KOPENHAGEN (dpa) - „Gefährlich“, „Märkbar“, „Café Kreuzberg“: Wer als Tourist durch Dänemarks Hauptstadt spaziert, vermutet hinter so mancher Bar oder Diskothek einen deutschen Besitzer. Weit gefehlt. Deutsch ist in Kopenhagen einfach hip.
Die Sprache, die jahrzehntelang als langweilig, hart klingend und schwierig galt, feiert seit einigen Jahren eine Renaissance in der Hauptstadtszene. Es gibt Bars, die „Heidis Bier Bar“, Blogs, die „Verderblich“und Modelabels, die „Fünf“oder „Baum und Pferdgarten“heißen. Ein Zeichen purer Bewunderung für das Nachbarland und seine Sprache ist das aber nicht. Ein Forscher spricht stattdessen vom „Spiel mit der Ästhetik des Hässlichen“.
Hässlich und cool
Denn Deutsch ist für die Dänen heute wie Berlin: hässlich und cool. Dass sich die Metropole zur umschwärmten Lieblingsstadt der Skandinavier entwickelt hat, hat auch der Popularität der Sprache auf die Sprünge geholfen. „Wer bisher cool sein wollte, konnte sich des Englischen bedienen“, sagt der Germanist Ken Farø von der Universität Kopenhagen. Das sei aber heute kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Gerade nicht bei den Dänen, die laut einem aktuellen Ranking des Bildungsanbieters Education First (EF) die besten Englischkenntnisse außerhalb der anglophonen Welt vorzuweisen haben. Deutsch dagegen habe sich zu einem „frechen, exklusiven und überraschenden Stilmittel“für junge Kreative gemausert, meint Farø.
Dem Spieleerfinder Jesper Bülow hat dieses Stilmittel zu einem großen Erfolg verholfen: Sein Wissensquiz „Bezzerwizzer“gehört nicht nur in dänischen Wohnzimmern zur Standardausstattung. „Ich habe gedacht, dass es eine Stärke sein könnte, einen deutschen Namen zu wählen“, sagt Bülow. „Deutschland steht für uns für jemanden, der die Dinge im Griff hat, der Antworten hat.“
„Das ganze Phänomen ,cooles Deutsch’ einfach als einen Ausdruck für erhöhte Beliebtheit alles Deutschen oder auch nur Berlins zu erklären, greift aber zu kurz“, sagt Farø. „Denn damit verkennt man den zum Teil stark ironischen Ton des Ganzen.“„Heidis Bier Bar“etwa kommt in kitschigster Oktoberfest-Anmutung daher. Bis 2013 tourte das Homo-Quartett „Schwanzen Sänger Knaben“durch das kleine Land. Und: „Ein Besserwisser ist für die Dänen jemand, über den man sich ärgert und den man gleichzeitig respektiert“, sagt Bülow.
Hass und Liebe
So spiegele der Deutsch-Trend in Kopenhagen auch das ambivalente Verhältnis der Dänen zum großen Nachbarn wider, meint der Übersetzungsforscher Henrik Gottlieb von der Universität Kopenhagen: Dahinter steckt eine Mischung aus Hass und Liebe.
„Deutsch und deutsche Kultur werden von vielen Nicht-Kennern mit Kitsch, Militarismus, Auswendiglernen, Härte, Regeln, Wurst, Konservatismus, Förmlichkeit, Humorlosigkeit und ähnlichen negativen Klischees verbunden“, sagt Germanist Farø. Nun sei die Sprache im öffentlichen Raum plötzlich wieder präsent, nachdem sie seit fast einem Jahrhundert ein rein „schulisches Dasein“gefristet habe.
Unter dänischen Schülern hat das die Sprache allerdings bislang nicht viel beliebter gemacht: Spanisch oder Französisch sind als Fremdsprache nach Englisch heute populärer. Auch an der Universität sehe er für sein Fach noch keinen Bonus, sagt Farø. Und: „Die Dänen können heute erstaunlich wenig Deutsch.“Das gelte selbst für die hippen Großstädter, die ihren Bars und Cafés deutsche Namen geben. HALLE (dpa) - Auf den Holztischen stehen Dutzende Konservengläser. Es riecht nach Schwamm. Ein junger Mann schöpft mit einem langen Löffel eine braune Masse mit kleinen, weißen Punkten aus einem Topf. „Das ist ein Mix aus Getreide, Wasser und Kaffee“, erklärt Antoni Gandia auf Englisch. Der spanische Biotechniker zeigt Studenten in einer Werkstatt der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle, wie sie Pilze züchten können. Später könnten aus den Schwämmen Verpackungen, Möbel oder Kleidungsstücke entstehen.
Nachhaltige, neue Materialien
„Wir versuchen, Kunst und Naturwissenschaft zu verbinden“, erklärt der Burg-Professor für Material- und Technologievermittlung, Aart van Bezooijen. Gemeinsam mit dem Nachwuchsgruppenleiter Filipe Natalio von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Antoni Gandia experimentiert er mit Pilzen. Das Ziel ist, neue Materialien zu entwickeln, die nachhaltig sind. Der Name des Projekts: „GROW“.
Ihr Wissen geben die drei in Vorträgen, Seminaren und Workshops weiter. „Es gibt unterschiedliche Wege, um Pilze herzustellen“, sagt Gandia. Im Workshop an der Burg wird hauptsächlich mit Stroh, Kaffee und Getreide experimentiert. Die Stoffe werden zusammen mit einer kleinen Pilzkultur, die zuvor auf feuchter Pappe gezüchtet wurde, in Konservengläser gegeben. Im Metalldeckel der Gläser ist ein Loch, damit alles atmen kann. Nach einigen Tagen bis Wochen wüchsen Pilze in den Gläsern, erklärt der Biotechniker.
„Danach muss alles richtig getrocknet werden“, sagt Professor van Bezooijen. Er zeigt eine rechteckige Platte. Das etwa drei Zentimeter dicke Stück besteht aus Pilzen. Die Schwämme mussten fünf Tage lang in einer quaderförmigen Schale gedeihen und nahmen deren Form an. Die dichten, aber leichten Pilz-Platten könnten als Ersatz für Styropor eingesetzt werden, erklärt van Bezooijen. Beim Transport könnten sie etwa zerbrechliche Gläser oder Porzellanvasen schützen.
Und noch weitere Vorteile hätten die Schwämme: „Pilze brauchen anders als synthetische Kunststoffe für ihre Produktion keine zusätzliche Energie“, erklärt van Bezooijen. Zu- dem könnten die Pilz-Verpackungen später einfach kompostiert werden. „Auf dem Gartenkompost zersetzen sie sich“, sagt der Niederländer. Das sei sehr nachhaltig. Auf der anderen Seite dauere die Herstellung länger als die Produktion von Kunststoff. Außerdem sei die Idee noch nicht ausgereift.
Fasern für Kleider
„Ich hoffe, ein paar Anregungen für meine spätere Arbeit zu finden“, sagt Design-Studentin Frederike Nelles. Sie nimmt am Workshop der drei teil. Bei dem dreitägigen Treffen habe sie schon einige Ideen gesammelt: Aus den Pilzen könnten Fasern für Kleidungsstücke wie Jacken hergestellt werden. „Das ist eine originelle Idee“, sagt der Sprecher des Bundesverbands Textil+Mode, Hartmut Spiesecke. Noch habe er davon nicht gehört. Ob sie diese Idee umsetzt, weiß die Studentin allerdings auch noch nicht.
„Es ist auch möglich, Stühle aus den Pilzen herzustellen“, sagt Filipe Natalio. Der Experte für anorganische Chemie hofft, dass Studenten nach Workshops oder Vorträgen mit ihren Ideen zu ihm kommen. In den Labors der Universität in Halle könnten sie mit seiner Hilfe mit den neuen Stoffen experimentieren. Ziel des „GROW“-Teams sei, die Idee schnell weiterzuentwickeln und zur Marktreife zu bringen.