Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Naturschützer: Lehren aus Unwetter ziehen
Umweltverband BUND fordert mehr Freiflächen und Pufferzonen an Äckern
STUTTGART - Nach einer der schwersten Naturkatastrophen in Süddeutschland in den vergangenen Jahrzehnten laufen in den betroffenen Gebieten die Aufräumarbeiten. Gleichzeitig beginnt die Suche nach Ursachen und möglichen Konsequenzen. So fordern Naturschützer, Flüsse und Bäche zu renaturieren. Auch in der Landwirtschaft müsse sich einiges ändern, um den Hochwasserschutz zu verbessern.
Das Tief „Elvira“hatte in der Nacht zu Montag vor allem im Norden und Osten Baden-Württembergs sowie in Teilen von Franken und Niederbayern schwere Schäden angerichtet. Besonders betroffen war Braunsbach (Landkreis Schwäbisch Hall). Nach außergewöhnlich starkem Regen waren weite Teile des Ortskerns von einer Flutwelle und Geröllmassen zerstört worden.
Extremes Wetter wird häufiger
Einig waren sich am Dienstag Naturschützer, Meteorologen und auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) in der Bewertung des Unwetters: „Das war ein außerordentliches, ungewöhnliches Ereignis, das so nicht vorhersehbar war.“Auch in einem weiteren Punkt herrschte Konsens: Der Klimawandel ist in vollem Gange, extreme Wetterereignisse werden in Zukunft häufiger.
Unterschiedlich fielen die Antworten auf die Frage aus, ob bestehende Schutzmaßnahmen ausreichen. Strobl betonte, gegen solche Naturereignisse könne man sich nicht wappnen. Nach seinem ersten Eindruck sei das Land beim Hochwasserschutz gut aufgestellt. Das Umweltministerium verweist darauf, die Ausgaben von rund 25 Millionen Euro im Jahr 2011 auf nun rund 53 Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppelt zu haben. Darüber hinaus stelle das Land Städten und Gemeinden für den Hochwasserschutz an kommunalen Gewässern jedes Jahr rund 40 Millionen Euro bereit.
Nach Ansicht von Jürgen Hellgardt vom BUND Regionalverband Heilbronn-Franken sind solche Anstrengungen richtig, aber nicht ausreichend. Im Hochwasserschutz werde einseitig in technische Lösungen investiert, kritisierte Hellgardt. Deren Nachteil: Wird etwa ein Regenrückhaltebecken gebaut, orientiert sich dessen Größe an Hochwasserständen der vergangenen Jahrzehnte. Wenn – wie durch den Klimawandel zu befürchten – Wetterextreme zunehmen, könnte dies nicht mehr ausreichen, um in Situationen wie am vergangenen Sonntag Schutz zu bieten. Wichtig ist aus BUND-Sicht daher, auch andere Bereiche stärker in den Blick zu nehmen. Die Versiegelung des Bodens, also die Bebauung freier Flächen, müsse stärker als bisher gebremst werden. „Derzeit sehe ich nicht genügend Anreize dazu, besonders für Kommunen“, sagte Hellgardt.
Auch Landwirte müssten den Hochwasserschutz mehr in den Blick nehmen. „An steilen Hängen wird oft talwärts gepflügt, da schießt bei Regen eine Schlammlawine in der Furche zu Tal“, sagte Hellgardt. Er forderte, rund um Äcker Pufferzonen einzuführen. Dort dürften Bauern nicht mehr pflügen. Natürlich belassene Bereiche würden mehr Wasser aufnehmen als bestellte Felder.
Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) will seine Pläne zum Thema Klimawandel und Landwirtschaft noch in dieser Woche vorstellen. Der Minister halte Ge- und Verbote jedoch nicht für den richtigen Weg, so eine Sprecherin. Vielmehr wolle er gemeinsam mit Land- und Forstwirten Maßnahmen erarbeiten, um eine möglichst klimaschonende Bewirtschaftung von Land und Wald zu gewährleisten.
Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Strobl wollen sich heute in Schwäbisch Gmünd und Braunsbach ein Bild von den Unwetterfolgen machen.