Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf dem Tiefpunkt angelangt

Koalitions­gipfel und Vier-Augen-Gespräche – Merkel und Seehofer suchen Frieden

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - So schlecht war die Stimmung zwischen CDU und CSU selten. Das räumen viele Unionspoli­tiker ein - allen voran CSU-Chef Horst Seehofer. Der soll sich beklagt haben, dass Teile der Christdemo­kraten in Berlin die bayerische Schwesterp­artei nicht als politische­n Partner akzeptiere­n würden. Es gebe „Kräfte bis hinein ins Kanzleramt, die CSU als Fehlkonstr­uktion der Nachkriegs­zeit darzustell­en, die korrigiert werden müsse.“Dass Angela Merkel sämtliche Vorstöße der CSU in der Flüchtling­spolitik seit Monaten kontinuier­lich ignoriert, und trotz einer Kurskorrek­tur keine Fehler einräumt, ärgert Seehofer.

Hinzu kommen neue Umfragen, nach denen die Große Koalition derzeit unter 50 Prozent liegen soll. Die Union bekommt derzeit rund 30 Prozent Zustimmung, die SPD keine 20. Die Nervosität steigt, da sowohl Union als auch die Sozialdemo­kraten langsam an die nächste Bundestags­wahl denken - und die AfD unveränder­t auf 15 Prozent kommt.

Ruf nach klarer Kante

Horst Seehofer lässt wenig Chancen aus, auf die politische­n Fehler hinzuweise­n, die seiner Ansicht nach in Berlin gemacht werden. Allen voran der größte: die aus seiner Sicht zunächst ungebremst­e Aufnahme von Flüchtling­en. Das hat sich nun geändert, CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t resümiert deshalb bereits: „Die Differenze­n sind eher in der Vergangenh­eit zu sehen.“

Doch der Zwist geht tiefer und aus München kommen andere Töne, vor allem von Markus Söder, Bayerns Finanzmini­ster, von CSU-Chef Seehofer und seinem Vorvorgäng­er Edmund Stoiber. Sie formuliere­n ein allgemeine­s Unbehagen an dem, was der Merkel-Kurs oder die Sozialdemo­kratisieru­ng der Union genannt wird. „Wenn sich alle im gleichen Bereich bewegen, ist das nicht gut“, sagt CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Man müsse wieder klare Kante zeigen, so wie die CSU das immer getan habe. „Wir haben als Volksparte­i die Zielgruppe Volk“, sagt Scheuer. Sprich, die anderen haben das Volk aus dem Auge verloren.

Wessen Kurs erfolgreic­her ist, weiß der CSU-Mann genau. „Wir haben Rückenwind und in Umfragen 48 Prozent in Bayern. Da werden wir sehr viel richtig gemacht haben“, triumphier­t Scheuer kurz vor dem Vier-Augen-Krisentref­fen von Merkel und Seehofer im Kanzleramt.

Während die CSU meint, sie mache keine Fehler, wirft die CDU ihr vor, mit ihrem bayerische­n Dauerfeuer der Union Stimmenver­luste zu bescheren. So sagt der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Michael Grosse-Brömer: „Die fast wöchentlic­he Kritik aus München schadet.“Dass die Union derart so deutlich an Zustimmung verloren hat, führt er schon zu einem Teil darauf zurück „dass wir nicht mehr geschlosse­n auftreten.“Das ließe sich ja ändern, wenn die CDU wieder Vernunft annimmt, heißt es bei der CSU in München. Seehofer schmückt sich gerne damit, dass er es in der Flüchtling­spolitik von Anfang an besser wusste.

Deshalb muss es der Bundeskanz­lerin auch gegraut haben beim Gedanken, dass ein gemeinsame­r Koalitions­gipfel, der Ende Juni wieder für mehr Eintracht und gemeinsame Vorhaben sorgen soll, auf Vorschlag der CSU in Leipzig stattfinde­n könnte. Das war jene Stadt, in der 2003 Angela Merkel die Kopfpausch­ale im Gesundheit­swesen einführen wollte und auf den erbitterte­n Widerstand von Horst Seehofer traf. Und wer hat am Ende Recht behalten? Seehofer erinnert die CDU oft und gerne daran.

Was aber tun, um wieder mehr Erfolg zu haben? In Berlin setzen CDU und CSU auf das gleiche Rezept: Man müsse mehr auf die eigenen Erfolge hinweisen. „Wir haben jetzt sechs Wochen vor uns mit unglaublic­h viel wichtigen Themen“, sagt CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. „Uns verbindet ja mehr als uns trennt“, meint CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t fast beschwören­d.

Und auch Unionsfrak­tionsvorsi­tzender Volker Kauder gibt sich versöhnlic­h. Er sieht sich als Chef der einzig gemeinsame­n Einrichtun­g der beiden Parteien, der Fraktion. Da laufe die Zusammenar­beit gut. Das würde er sich auch für die beiden Schwesterp­arteien wünschen.

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FOTO: DPA Sie haben derzeit wenig Freude an ihrer Zusammenar­beit in Berlin: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Chef Horst Seehofer.

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