Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nachruf Helfer
Rupert Neudeck war radikal in seiner Menschlichkeit. Die Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme sind sein Lebenswerk. Bevor er jemanden in Krisengebiete schickte, testete er die Gefahrenlage oft selbst. Der Helfer, der vielen als moralische Instanz galt, starb am Dienstag im Alter von 77 Jahren.
Sein Name steht für die Rettung Tausender vietnamesischer Boat People aus dem Chinesischen Meer. Der schmale Mann aus Troisdorf bei Bonn hatte sich der „radikalen Humanität“verschrieben, wie er es nannte. Das soziale Engagement des Journalisten und Buchautors wurzelte in einem tiefen christlichen Glauben und dem in der Kindheit Erlebten: Gegen Kriegsende musste er mit seiner Familie von Danzig nach Westfalen fliehen. Vorübergehend schloss sich Neudeck den Jesuiten an, studierte neben Philosophie, Soziologie und Germanistik auch Theologie, promovierte.
Über Jahrzehnte agierte Neudeck als Anwalt der Notleidenden und Flüchtlinge. Zu den Besonderheiten seiner Hilfe gehörte ein beherztes, schnelles Agieren ohne Bürokratie – und ein Einsatz in entlegenen, kritischen Gebieten, in die sich größere Organisationen oft nicht wagten. Cap Anamur – 1979 gegründet – leistet vor allem medizinische Hilfe in weit mehr als 50 Ländern. Die Grünhelme – seit 2003 im Einsatz – waren für Neudeck so etwas wie die kleine Schwester der Cap Anamur. Die Helfer der Grünhelme konzentrieren sich auf einige wenige Länder, sind auf bautechnische Projekte spezialisiert.
Rupert Neudeck blieb bis zuletzt aktiv, sammelte Spenden. Als es im Mittelmeer zu Flüchtlingskatastrophen mit vielen Toten kam, forderte er 2015 den Einsatz der deutschen Marine. Immer mehr Sorge bereitete Neudeck, dass es schwieriger wurde, Helfer in Deutschland zu finden, die auch ein gewisses Risiko eingingen: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sicherheit immer mehr vor Freiheit geht“, bedauerte er einmal in einem Interview. (dpa)