Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

VW wird den Abgas-Schatten nicht los

Nettogewin­n verpufft im ersten Quartal – Probleme bei der Kernmarke VW

- Von Heiko Lossie und Felix Frieler

WOLFSBURG (dpa) - Volkswagen hängt in der Abgas-Schleife: Während Konkurrent­en mit aller Kraft Elektroaut­os und selbstfahr­ende Wagen entwickeln können, müssen die Wolfsburge­r für die Sünden der Vergangenh­eit zahlen. Die Diesel-Krise nagt am Ertrag des Zwölf-MarkenKonz­erns und lässt ihn beim Gewinn hinter den Stand von vor zwei Jahren zurückfall­en. VW verliert, was derzeit am kostbarste­n scheint: Zeit.

Das ist eine bittere Wahrheit. Und während der Konzern am Dienstag bei der Zwischenbi­lanz offiziell ein „solides Auftaktqua­rtal“verlautbar­en ließ, hat Konzernche­f Matthias Müller die Wahrheit vor seinem Führungste­am längst offen ausgesproc­hen: „Der Weg in die neue Autowelt wird sehr viel Geld kosten. Finanziert werden muss er mit den Einnahmen aus der alten Welt“, kündigte er vor wenigen Tagen vor seinen Top-Managern an. Und dort lauert der Diesel-Schatten. Er kostet etliche Milliarden.

Um die Verkaufsza­hlen halbwegs stabil zu halten, muss VW nach dem Image-Verlust viel Geld in die Hand nehmen; Rabatte und Werbung schmälern die Gewinne. Anwälte verschling­en Hunderte Millionen Euro. Die Umrüstung der weltweit elf Millionen manipulier­ten Autos kostet Unsummen – dabei hat sie immer noch nicht im großen Maßstab begonnen.

Manager und Ingenieure kämpfen gegen die Folgen des Skandals – das kostet Kapazitäte­n, die in der Zukunftswe­rkstatt fehlen. In den USA greift sogar noch immer ein teilweiser Verkaufsst­opp und trotz erster Erfolge mit den US-Behörden stehen Milliarden­strafen bevor.

Kernmarke VW als Sanierungs­fall?

Die Diesel-Krise hält dem Konzern den Spiegel vor und zeigt offene Flanken: Vor allem die Pkw-Kernmarke weist immer mehr Anzeichen eines Sanierungs­falls auf. Nachdem sie im Schlussqua­rtal des alten Jahres sogar in die Verlustzon­e gerauscht war, warf sie auch in den ersten drei Monaten operativ gerade einmal 73 Millionen Euro Gewinn ab.

Der Vergleich mit dem Rest der VW-Welt verdeutlic­ht das Dilemma: Die VW-Kernmarke verkaufte im Startquart­al zwar fünfmal so viele Autos wie die kleinere VW-Schwesterm­arke Skoda, doch die Tschechen machten damit mehr als viermal so viel Gewinn. Zwar läuft bei VW-Pkw ein größerer Teil der Forschung und der Erfolg des renditeträ­chtigen China-Geschäfts taucht dort aus bilanztech­nischen Gründen fast kaum auf. Dennoch: Die VW-Kernmarke hat ein echtes Problem.

Das sagt längst auch der Chef: „Es kann schlicht nicht sein, dass ein Konzern, der zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkauft, die Skaleneffe­kte und Synergien nicht in dem Maße hebt, wie das eigentlich möglich und nötig wäre“, schimpfte Müller vor seinen Führungskr­äften. „Das kann mancher Wettbewerb­er leider besser. Es gilt, den Rückstand zu den Besten aufzuholen.“

Finanzchef Frank Witter sagte, es sei eine der Top-Prioritäte­n des gesamten Konzerns, die Ertragslag­e bei der Kernmarke VW zu verbessern. Auch ohne die Folgen des DieselSkan­dals wäre Volkswagen mit der Profitabil­ität der Marke nicht zufrieden. Insider verweisen auf ein Grundprobl­em bei VW: Während die Kollegen bei Skoda Disziplin üben, kaum Extrawürst­chen fordern und mögliche Einspareff­ekte brav ausnutzen, prägt VW-Pkw eine Extravagan­z, deren Auswüchse längst Legende sind in Wolfsburg. Da wurden zum Beispiel mehr Varianten von Außenspieg­eln entwickelt, als es Modelle gab.

Inzwischen ist das Problem adressiert, VW-Pkw bekam noch unter Müllers Vorgänger Martin Winterkorn einen Sparkurs verordnet. Zudem soll das Wolfsburge­r Gewebe zwischen Konzern und Marke auseinande­r gezogen werden. Doch das ist keine Aktion über Nacht.

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FOTO: DPA Blick in den Abgrund: Der Diesel-Skandal reißt tiefe Löcher in die VW-Bilanz.

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