Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Künstler sollten ihre Rechte kennen“
ein sehr, sehr wichtiges Urteil ist“, sagte er. Alle Menschen, die wie er Musik machten, bringe das einen großen Schritt weiter.
Sein Gegner vor den Gerichten, Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter, war zur Urteilsverkündung nicht mehr nach Karlsruhe gekommen. Seine Anwälte zeigten sich aber zuversichtlich. „Aus unserer Sicht beginnt das Spiel nun von vorn“, sagte Anwalt Christian Winterhoff. Der Bundesgerichtshof muss den Fall nun neu bewerten. Das Ergebnis bleibe abzuwarten. Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof begründete das Urteil damit, dass die Gerichte der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung getragen hätten. Er verwies auch auf die Kürze der Sequenz. Daraus sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden – ohne dass Kraftwerk dadurch wirtschaftlichen Schaden habe. Ein Verbot würde „die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen“, sagte er.
Die BGH-Richter waren der Ansicht, dass ein fremder Beat, und sei er noch so kurz, nur einfach kopiert werden darf, wenn er nicht gleichwertig nachgespielt werden kann. Dieses Kriterium halten die Verfassungsrichter für ungeeignet. Für die Benutzung müsse auch nicht unbedingt Geld fließen.
Die Richter weisen aber darauf hin, dass der Gesetzgeber auch eine Bezahlpflicht einführen könnte. Außerdem schlagen sie dem BGH vor, den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil das Urheberrecht seit 2002 EU-weit harmonisiert ist.
Diese EU-Richtlinie berücksichtige die Interessen der Tonträgerhersteller eher als das deutsche Recht, sagte Kraftwerk-Anwalt Winterhoff. Insofern habe er durchaus Hoffnung, dass der BGH am Ende in Hütters Sinne entscheide. Sein Kollege Hermann Lindhorst betonte, dass Hütter den umstrittenen Beat vor langer Zeit „mit seiner Kreativität, mit seinem Einsatz, auch mit seinem Investment“entwickelt und eingespielt habe. „Er möchte diese Leistung auch berücksichtigt sehen.“ Beats kopieren erlaubt: Die BGH-Richter geben vorerst grünes Licht für Sampling. Florian Sitzmann (Foto: Jörg Steinmetz) kennt sich mit Musikproduktionen aus. Er ist an der Popakademie Mannheim tätig. Jasmin Off hat ihn nach seiner Einschätzung gefragt.
Kurz und prägnant: Was bedeutet das Urteil für die Musikwelt?
Die konkreten Folgen lassen sich noch nicht abschätzen, denn jetzt muss ja wieder neu verhandelt werden. Aber es gibt natürlich in der Musikszene gleichzeitig Hoffnungen sowie Ängste und Befürchtungen, so z. B. die, dass jetzt die Diskussion um das Urheberrecht als solches wieder neu aufflammt. Im digitalen Zeitalter spielt das natürlich eine große Rolle. Doch die Richter haben deutlich gemacht, dass das Urheberrecht keineswegs ausgehöhlt werden soll.
Warum gibt es aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf ?
Bisher gab es beim Sampling hauptsächlich unbefriedigende Lösungen im Sinne der künstlerischen Entfaltung. Natürlich konnten Künstler untereinander die Rechte für Sampling klären, aber da war immer die Handbremse angezogen, weil es keine klaren Regeln gab.
Wie vermitteln Sie Ihren Studenten die Schwierigkeiten, die das Sampling mit sich bringt?
Wir weisen auf die Risiken hin, die das Thema mit sich bringt und versuchen bei den Musikern ein Bewusstsein zu schaffen. Denn jeder Künstler, der sampeln will, kann ja andersrum auch gesampelt werden und dann sollte er seine Rechte kennen.