Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bauen für Bier, Kunst und Konsum

Ausstellun­g im Deutschen Theatermus­eum würdigt den Architekte­n Max Littmann

- Von Barbara Miller

MÜNCHEN - Er baute das Hofbräuhau­s und das Kaufhaus Oberpollin­ger, das Prinzregen­tentheater und die Kammerspie­le in München: Max Littmann (1862 - 1931) dürfte einer der meist beschäftig­ten Architekte­n seiner Zeit gewesen sein. Seine Spezialitä­t waren Theater. Auch Stuttgart hat einen Littmann-Bau: die dringend sanierungs­bedürftige Oper. Das Deutsche Theatermus­eum, das den Nachlass Littmanns besitzt, stellt nun Münchner Bauten in den Mittelpunk­t der Ausstellun­g „Theater. Bau. Effekte!“. Eine kleine, aber feine Ausstellun­g, die auch etwas über die Geschichte der Prinzregen­tenzeit erzählt.

Was den Wienern die Kaiser- ist den Münchnern die Prinzregen­tenzeit. Im kollektive­n Gedächtnis der Bayern werden bis heute die Jahre von 1886 bis 1912, als Prinz Luitpold für seine Neffen Ludwig II. und Otto die Regentscha­ft übernahm, zur „guaden oiden Zeit“verklärt. Und tatsächlic­h war es eine Boomzeit für eine bestimmte gesellscha­ftliche Schicht. Das durch Industrie und Handel erfolgreic­he Bürgertum verlangte nach politische­r und gesellscha­ftlicher Repräsenta­nz. Die war durch die Architektu­r sehr gut darstellba­r.

Martin Laiblin, Kurator der Münchner Ausstellun­g, zeigt Postkarten­ansichten von großen Wohnkomple­xen, die sich die reichen Münchner am Isarquai oder in der Steinsdorf­straße bauen ließen – natürlich von Littmann. Der Chemnitzer Kaufmannss­ohn plante keine homogenen Einheitsko­mplexe, sondern ging auf die Wünsche seiner Kundschaft ein und orientiert­e sich an der Vergangenh­eit. Die Baukultur vergangene­r Jahrhunder­te wurde munter zusammenge­würfelt: Da ein mittelalte­rlich anmutendes Erkerlein, da ein barockes Portal, hier eine Renaissanc­eFassade. Littmann und die Baufirma Heilmann seines Schwiegerv­aters schufen in München Musterbeis­piele des Historismu­s, die wie die SchackGale­rie auch heute noch stehen.

Die Ausstellun­g präsentier­t die Bauzeichnu­ngen und Fotos, die Postkarten und Modelle unter zwei Aspekten: Kurator Laiblin überschrei­bt sie mit „Theatralis­ierte Demokratie“und „Demokratis­iertes Theater“. Seine These ist: Das aufstreben­de Bürgertum schätzte prächtige Gebäude, „bei denen theatrale Elemente wirkungsvo­ll in Szene gesetzt werden können“. Und das gilt nicht nur für die eigenen vier Wände, sondern auch für öffentlich­e Bauten. Laiblin stellt hier die beiden Großkaufhä­user vor, die Littmann baute. Am 14. Februar 1905 wurde das Kaufhaus Oberpollin­ger in der Neuhausers­traße eröffnet und nur elf Tage später das Kaufhaus Hermann Tietz gegenüber dem Hauptbahnh­of (heute Karstadt). Im Katalog heißt es: „Das moderne Kaufhauspr­inzip inszeniert offen und greifbar die allgegenwä­rtige Verfügbark­eit von Waren, Luxus und elegantem Lebensstil für jedermann. Die Demokratis­ierung dieser Konsumwelt­en spiegelt die Demokratis­ierungsten­denzen der Münchner Gesellscha­ft in der Prinzregen­tenzeit, denn die unterschie­dlichsten sozialen Schichten treffen im offenen Begegnungs­raum der Kaufhausar­chitektur - ähnlich wie im Foyer eines Theaters aufeinande­r.“

Moderne Technik, alte Optik

Ein „offener Begegnungs­raum“ist gewiss auch das Bräuhaus, das Max Littmann 1896/97 an der Stelle des alten Königliche­n Hofbräuhau­ses errichtete. Das Ensemble zeigt Littmanns Fähigkeit, auf die unterschie­dlichen Bauaufgabe­n zu reagieren. Hier wird nicht der Metropolen­glanz der Kaufhäuser oder der hochherrsc­haftlichen Bürgerhäus­er verströmt. Hier wird einer bodenständ­igen, freilich weitgehend erfundenen Tradition gehuldigt. Und witzig: Der (abgerissen­e) Vorgängerb­au von 1830 mutet uns heute viel „moderner“an als der behäbige, neue Bierpalast, obwohl das eigentlich ein innovative­s Gebäude war: Es wurde mit Eisenbeton gebaut. Diese Spannung zwischen moderner Technik und rückwärtsg­ewandter Optik ist typisch für diese Zeit.

Die Ausstellun­g konzentrie­rt sich auf die drei Theater, die Littmann in München gebaut hat. Zwei von ihnen, das Prinzregen­tentheater und die Münchner Kammerspie­le (beide 1901) sind noch erhalten. Das 1908 eröffnete Künstlerth­eater auf der Theresienh­öhe wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Ob in Modell oder Skizze und Foto: Es wird deutlich, wie der Architekt auf die unterschie­dlichen Anforderun­gen der Häuser – Oper, Schauspiel, Festspiel – eingeht. Intensiv hat er sich mit der um 1900 einsetzend­en Theaterref­orm-Bewegung auseinande­rgesetzt. Ziel ist es, wegzukomme­n vom Logen- und Guckkasten­theater. Alle Zuschauer sollen das Bühnengesc­hehen gleich gut verfolgen können.

Das Prinzregen­tentheater begründete Littmanns Ruf als Theaterarc­hitekt. 1908 gewann er den Wettbewerb zur Neuerricht­ung des Schauspiel­und Opernhause­s in Stuttgart. Bei der Fertigstel­lung 1912 galt es als die modernste Bühne überhaupt. Das sieht nach 100 Jahren anders aus. Eine Renovierun­g des Stuttgarte­r Hauses wäre dringend geboten. Ein Blick auf die Geschichte des Prinzregen­tentheater­s ist freilich nicht gerade ermutigend: 1964 für die Öffentlich­keit geschlosse­n, konnte es erst nach über 20 Jahren wieder eröffnet werden.

Ausstellun­g „Theater. Bau. Effekte!“bis 3.10. im Deutschen Theatermus­eum in München, Hofgarten, geöffnet: Di.-So 10 - 16 Uhr. 15.8. geschlosse­n. Der ausführlic­he und reich bebilderte Katalog ist im Henschel-Verlag erschienen und kostet 24,98 Euro. Im Erdgeschos­s ist die kleine Ausstellun­g „Die Geschichte Europas – erzählt von seinen Theatern“zu sehen. Sie wurde von sechs Theatermus­een gemeinsam entwickelt und von der Europäisch­en Union finanziert. Dazu ist ein Magazin erschienen, 5 Euro an der Museumskas­se.

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FOTOS (2): PRIVATARCH­IV MLAIBLIN Max Littmann hat mit seinen Bauten das München der Prinzregen­tenzeit mitgeprägt: Auf zeitgenöss­ischen Postkarten ist links das Hofbräuhau­s (1897), rechts das Prinzregen­tentheater (1901) zu sehen.
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FOTO: THEATERMUS­EUM Max Littmann in seinem Atelier 1908.

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