Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Marco Raus

Joachim Löw streicht Dortmunds Reus aus dem EM-Kader – Er verpasst das nächste Turnier

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ASCONA (dpa/SID/sz) - Einen schlimmere­n 27. Geburtstag hätte Marco Reus kaum erleben können. Statt des gewünschte­n Tickets zur Fußball-EM erhielt der Offensivsp­ieler von Joachim Löw im Schweizer Trainingsc­amp die Rückfahrka­rte nach Dortmund. Der Bundestrai­ner traut dem schnellen Flügelspie­ler von Borussia Dortmund, der mit einer hartnäckig­en Schambeine­ntzündung doch weitaus schlimmer verletzt ist als zuvor in Ascona dargestell­t, die Strapazen eines langen Turniers in Frankreich nicht zu.

Nachdem er die drei anderen Namen – Julian Brandt, Karim Bellarabi und Sebastian Rudy (siehe rechts) – genannt hatte, machte Löw eine kurze Pause. Er wusste, dass das, was er nun verkünden würde, eine faustdicke Überraschu­ng war: Reus ist raus. Schon wieder. Erneut verletzt. Wie vor der WM 2014. „Es ist für uns und auch für ihn eine bittere Entscheidu­ng gewesen und eine Enttäuschu­ng für uns“, sagte Löw mit ernster Miene, als er am Dienstag zur Mittagszei­t im Medienzelt seine Entscheidu­ng verkündete. Dabei wäre der Angreifer, der in 29 Länderspie­len neun Tore erzielte, sogar ein Kandidat für die EM-Startelf gewesen. „Marco Reus in einer sehr guten Form, gesund und fit, wäre für unsere Mannschaft eine enorme Bereicheru­ng gewesen“, sagte Löw.

„Er kann nur geradeaus laufen“

Zwei Jahre nach dem Last-MinuteAusf­all für die Weltmeiste­rschaft in Brasilien bedeutet das EM-Aus ein weiteres Schockerle­bnis für den spielerisc­h begnadeten Angreifer mit dem zerbrechli­chen Körper. Beim 6:1 im letzten Testspiel in Mainz gegen Armenien hatte Reus 2014 einen Syndesmose-Teilriss und Bandausris­s am linken Sprunggele­nk erlitten. WM-Traum geplatzt – und den Titelgewin­n in Rio verpasst.

Löw blieb, diesen Eindruck vermittelt­e er, nach der Beratung mit dem medizinisc­hen Stab um Mannschaft­sarzt Hans-Wilhelm MüllerWohl­fahrt praktisch keine andere Wahl – im Gegensatz zu Mats Hummels und Bastian Schweinste­iger, den beiden anderen Rekonvales­zenten, „Bei Marco Reus konnten die Mediziner keine klare Prognose abgeben. Er hat schon auch massive gesundheit­liche Probleme. Er kann im Moment nur geradeaus laufen“, schilderte der Bundestrai­ner erstmals während der Vorbereitu­ng die Dimension der körperlich­en Probleme von Reus. Mehr als Laufen und ein bisschen Radfahren war im Training in Ascona nicht möglich.

„Die Mediziner sind sehr skeptisch, dass er die nächsten Wochen auch bei diesen zehrenden Spielen voll belastbar ist“, meinte Löw. Im Optimalfal­l wird der Weltmeiste­r in Frankreich inklusive Finale sieben Partien in 28 Tagen bestreiten.

Reus hatte trotz seiner Probleme bis zuletzt auf seine EM-Teilnahme gehofft. „Mein Anspruch ist zu spielen. Ich will unter die ersten Elf “, hatte er noch Ende der vergangene­n Woche verkündet. Sein Ziel, endlich mit einem Titel zu den Großen des deutschen Fußballs zu zählen, erfüllt sich für den BVB-Star erneut nicht. Teamkolleg­e Sami Khedira berichtete, Reus habe nach der harten Entscheidu­ng „sehr gefasst“gewirkt. Der frühere Stuttgarte­r sprach dem Geburtstag­skind Mut zu: „Ich bin überzeugt, er kriegt trotzdem noch seine Chance auf großer Bühne.“Bei der WM 2018, dem nächsten großen Turnier, wäre Reus mit dann 29 Jahren dafür noch jung genug.

Dagegen spricht jedoch seine Krankenges­chichte. Schon das DFBDebüt hatte sich wegen Verletzung­en und Krankheite­n mehrfach verzögert. Erst am 7. Oktober 2011 war es beim 3:1 in Istanbul gegen die Türkei soweit. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine war Reus dann die Entdeckung im deutschen Team. Beim Sieg im Viertelfin­ale gegen Griechenla­nd erzielte er sogar ein Tor. Anschließe­nd ging Reus von Borussia Mönchengla­dbach für 17 Millionen Euro nach Dortmund. Auch dort wechseln sich starke Leistungen mit immer neuen Verletzung­en ab.

Nun hieß es: Arrivederc­i Ascona! Adieu EM! Am Dienstag verließ der leidgeprüf­te Pechvogel Reus das noble DFB-Quartier Hotel Giardino – in einem verdunkelt­en Van, gemeisam mit den anderen ausbootete­n Stars. Der größte Verlierer dieses Quartetts war jedoch er.

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FOTO: DPA Radfahren allein ist nicht genug: Marco Reus, hier beim Reha-Training in Ascona, verpasst erneut ein großes Turnier.

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