Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mehr Güterverke­hr auf die Schiene

Die Deutsche Bahn setzt hohe Erwartunge­n in die neue Alpentrans­versale – Manches liegt aber noch im Argen

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RYNÄCHT - Der gut 500 Meter lange Güterzug nimmt Anlauf für den Aufstieg. Die Kupplungen der Waggons quietschen, die Räder fangen an zu rattern. Zwei Loks hängen vorne dran. Sie sollen den Zug von Erstfeld aus über die alte, steile GotthardSt­recke schleppen. Sie wird noch bis Spätherbst im regulären Dienst sein. Ziel des Zugs ist ein Containert­erminal bei Novara in Norditalie­n. Dass bisher für den Alpentrans­it mindestens zwei Loks ziehen oder schieben mussten, hat die Güterverke­hrsunterne­hmer schon immer gestört. Der Grund: Die zusätzlich­en Kosten.

„Die Flachbahns­trecke durch den Gotthard-Basistunne­l wird hier schon eine Entlastung bringen“, sagt Martin Brunner, Geschäftsf­ührer von DB Cargo Schweiz. Man brauche weniger Loks, weniger Fahrzeit, weniger Energie. Wie stark sich diese Entlastung aber auswirke, könne nicht konkret beziffert werden. Dies hänge von den künftigen Trassenpre­isen ab. So will sich die Schweizer Bundesbahn als Herrin am Gotthard das Benutzen der neuen Route durchaus gut bezahlen lassen. Immerhin hat bereits der Bau des Basistunne­ls rund acht Milliarden Franken gekostet.

DB Cargo Schweiz ist die für die Eidgenosse­n zuständige Güterbahna­bteilung der Deutschen Bahn. Europaweit gesehen ist DB Cargo in ihren Geschäftsb­ereichen das mit Abstand größte Unternehme­n. Was die Gotthard-Querung angeht, hat es jährlich bei rund 9000 Zügen die Hand im Spiel. Laut Brunner bedeutet dies: Ein Drittel aller Güterzüge auf dieser Strecke dient den Kunden von DB Cargo. „Und künftig werden wir noch mehr über den Gotthard fahren“, meint Brunner. Er erinnert daran, dass der zentrale Zweck des Projekts eine weitere Verkehrsve­rlagerung von der Straße auf die Schiene sei.

Europäisch­er Verkehrsko­rridor

Diese Politik verfolgen die Eidgenosse­n seit Jahrzehnte­n. Sie haben frühzeitig die Bedrohung ihrer schönen Alpentäler durch den steigenden Lkw-Verkehr erkannt. Dies war die Grundlage für die „Neue Eisenbahn Alpentrans­versale“, kurz NEAT genannt. Dazu gehört auch der neue, bereits vor Jahren in Betrieb gegangene Lötschberg-Basistunne­l.

Inzwischen werden nach offizielle­n Schweizer Zahlen 68 Prozent der Güter im eidgenössi­schen Alpentrans­it auf der Schiene transporti­ert. Wobei es eine bemerkensw­erte Entwicklun­g gab: Beim Lötschberg-Basistunne­l hat es der Personenve­rkehr geschafft, die um Durchfahrt­szeiten konkurrier­enden Güterzüge ein Stück weit von der Strecke zu drängen. Eine bisherige Regelung hat dies begünstigt. Demnach wurde Personenzü­gen ein Vorrang eingeräumt. Dies soll aber jetzt grundsätzl­ich geändert werden. „Sonst haben wir im Gotthard-Basistunne­l rasch das gleiche Problem“, heißt es von Seiten eines Schweizer Bahn-Insiders. Künftig werde der Güter- dem Personenve­rkehr bei der Vergabe von Streckenre­chten auf Augenhöhe begegnen können, hofft er.

Ohne eine solche Regelung bestünde die Gefahr, dass in die Maschineri­e der neuen Welt des Alpentrans­its gleich wieder Sand käme, sagen europäisch­e Bahnexpert­en. Immerhin ist die Gotthard-Route neben der Tiroler Brennerstr­ecke die wichtigste Achse im gebirgsübe­rschreiten­den Güterverke­hr. Beide gehören wiederum zu europäisch­en Verkehrsko­rridoren. So ist der Gotthard in der Vorstellun­g von Bahnstrate­gen Teil der Verbindung von Rotterdam nach Genua.

Es liegt aber noch einiges im Argen. Ein zentrales Problem ist der schleppend­e, sich seit Jahrzehnte­n hinziehend­e, vierspurig­e Bahnausbau durchs badische Oberrheint­al. Diese Route ist die zentrale nördliche Zulaufstre­cke für den Gotthard. Aber auch südlich des Basistunne­ls muss noch gearbeitet werden. Im Schweizer Kanton Tessin soll bis 2020 der Ceneri-Tunnel fertig werden. Er ist neben der Gotthard-Röhre unabdingba­r für die alpenquere­nde Flachbahn. Des Weiteren gibt es im Süden Streckenab­schnitte mit einem zu geringen Waggon-Profil. Dies sorgt für Schwierigk­eiten beim Transport ganzer Lkw-Anhänger.

Zudem besitzt der Hafen von Genua als Südpunkt des angesproch­enen Verkehrsko­rridors im Gegensatz zu Rotterdam nur eine vergleichs­weise geringe Kapazität. Er ist räumlich wegen des ligurische­n Küstengebi­rges eingeschrä­nkt. Deshalb werden teilweise Güter, die mit dem Schiff übers Mittelmeer kommen, lieber nach Rotterdam gebracht. Von dort kommen sie dann per Zug in die oberitalie­nischen Industriez­entren von Mailand oder Turin. Ein extremer Umweg. „Im Güterverke­hr ist die Geschwindi­gkeit aber nicht der Schlüssel zum Ganzen“, erklärt Brunner von der DB Cargo Schweiz. Mehr Gewicht hätten Streckenka­pazitäten und Trassen-Gebühren.

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FOTO: AFP Johann Schneider-Ammann, der Schweizer Bundespräs­ident, zeigt der deutschen Kanzlerin das Wunderwerk.

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