Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ungebremst
Kritik am Gesetz, das den Anstieg der Mieten nicht verlangsamt hat – Verschärfung möglich
BERLIN - Ein Jahr nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse scheinen sich die Bedenken vieler Kritiker zu bestätigen. Wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht, konnte das Gesetz bisher nicht den Anstieg der Mieten verlangsamen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Vielerorts sei die Miete vor Inkrafttreten der Preisbremse kräftig angehoben worden, sagt Claus Michelsen, Wissenschaftler am DIW.
Im Kern sieht das Gesetz von Justizminister Heiko Maas (SPD) vor: Wer eine Wohnung neu vermietet, darf die Miete nicht um mehr als zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Die Regelung gilt seit 1. Juni 2015 für Regionen, in denen Wohnraum knapp ist und Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben. Ausnahmen für die Preisbremse gelten bei Neubauten oder bei einer grundlegenden Modernisierung.
In 300 Gemeinden angewendet
Auch Mieten, die zwar gegen die Preisbremse verstoßen, aber vor dem Gesetz veranschlagt wurden, müssen nicht angepasst werden. Bisher trat die Regelung in elf Bundesländern in Kraft und wird in mehr als 300 Gemeinden angewendet.
Für die Erhebung haben die DIWExperten die Entwicklung der Mieten in nebeneinanderliegenden vergleichbaren Postleitzahl-Bezirken untersucht. In einem Bezirk gilt die Bremse, im anderen nicht. Die Wissenschaftler stellen fest, dass die Angebotsmieten in allen untersuchten Regionen steigen. Hinzu kommt ein Anstieg der Mieten in den Gegenden, in denen Investoren mit der Einführung der Preisbremse rechneten.
Die Ergebnisse des DIW bestätigen Erhebungen von Mietrechtsexperten. So hat das Forschungsinstitut RegioKontext etwa eine Überschreitung der Obergrenze bei der Wiedervermietung von durchschnittlich 35 Prozent festgestellt. Vor allem private Wohnungsunternehmen sollen systematisch das Gesetz missachten.
Sanktionen gibt es kaum. Mieter können nach einer Rüge gegenüber dem Vermieter auf eine Rückzahlung der zu viel bezahlten Beträge bestehen. „Die Sanktionen sind zu lax und für Mieter ist es schwierig, an relevante Informationen zu kommen“, sagt DIW-Experte Michelsen. Auch die Grünen ziehen eine verheerende Bilanz des Gesetzes. Für die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast, sind die Ausnahmen beim Neubau oder bei Sanierungen Schuld daran, dass die Mietpreisbremse nicht wirkt. Die Mieter hätten das Nachsehen, kritisiert Künast. Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion pflichtet ihr bei. „Die Mieter haben keinen Rechtsanspruch, die Miete des Vormieters zu kennen“, sagt Lay. Hinzu kommt: Die Mietpreisbremse gilt nicht flächendeckend. Das müsse sich ändern, fordert die Linken-Politikerin. Bundesjustizminister Maas will jetzt nach eigenen Angaben prüfen, ob die Rechte der Mieter beim Abschluss des Mietvertrags gestärkt werden können. „Es gibt welche, die sich nicht trauen, weil sie glauben, dass der Mietvertrag dann nicht zu ihren Gunsten abgeschlossen wird“, sagte er am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. „Wenn sich aber in den anderen Bundesländern zeigt, dass das so ähnlich läuft wie in Berlin, dann kann man das tatsächlich nur dadurch auflösen, dass man dem Vermieter eine Pflicht aufgibt, dass er die Vormiete bereits vor Abschluss des Mietvertrags gegenüber den Bewerbern offenlegt. Darüber denken wir nach.“