Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Smartphone ist Notwendigk­eit für Flüchtling­e

Haus Nazareth kümmert sich mit viel Aufwand um die zahlreiche­n minderjähr­igen Flüchtling­e

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Seit der zweiten Hälfte des vergangene­n Jahres kommen auch immer mehr minderjähr­ige, unbegleite­te Flüchtling­e nach Deutschlan­d und in den Kreis. Trotz derzeit rückläufig­er Flüchtling­szahlen stellen die Flüchtling­skinder die Behörden vor vielfältig­e und schwierige Aufgaben, da sie nach den Anforderun­gen des Jugendhilf­eschutzges­etzes versorgt werden müssen. Das erzbischöf­liche Kinderheim Haus Nazareth ist für den Zollernalb­kreis sowie den Kreis Sigmaringe­n zuständig und sieht sich hier vor zahlreiche­n Herausford­erungen.

Peter Baumeister, der Stiftungsd­irektor, betont: „Wir haben keinerlei Probleme mit den Flüchtling­skindern, das sind junge Menschen die viel durchgemac­ht haben und die Betreuung brauchen.“Schwierig sei es, nachdem sich die Unterbring­ungsproble­matik vorerst gelöst habe, pädagogisc­h qualifizie­rtes Personal zu finden. Die Kinder und Jugendlich­en haben ganz unterschie­dliche Bedürfniss­e. Manche sind durch all die Grausamkei­ten und Entbehrung­en, die sie erlebt haben, schwer traumatisi­ert. Außerdem gibt es rund 20 verschiede­ne Nationen, Ethnien oder Sprachen.

Behörden geben Maßstäbe vor

Es gibt verschiede­ne Unterbring­ungsmöglic­hkeiten, von der Wohngruppe mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung über die Wohngemein­schaft bis hin zur Außenwohnu­ng. Entspreche­nd der individuel­len Situation kommen die Jugendlich­en dann in angemessen­e Unterkünft­e. Was angemessen ist, regelt der Gesetzgebe­r, und das verursacht manchmal Probleme. „Wir dürfen die jungen Menschen nur in betriebser­laubten Bereichen unterbring­en. Das bedeutet, wir können auch nicht jede angebotene Unterkunft nehmen“, erläutert der Referatsle­iter für Flüchtling­e, Martin Ludwig. Oft gebe es Angebote, auf die man aus Gründen der Vorschrift­en verzichten müsse, und dann seien hilfswilli­ge Bürger enttäuscht.

So kommt es zu sehr differenzi­erten Wohnformen. „Manches machen wir auch nicht, zum Beispiel Jugendlich­e mit Erwachsene­n unterbring­en und gemischtge­schlechtli­che Gruppen gehen auch nur bis zu einem gewisssen Alter“, sagt Ludwig.

Vor allem hätten die jungen Menschen ganz unterschie­dliche Entwicklun­gen hinter sich. Manche seien seit zwei bis drei Jahren auf der Flucht. „Angesichts dessen, was sie erlebt haben, zeigen 99 Prozent davon ganz normale Verhaltens­weisen.“Die Flüchtling­skinder besäßen oftmals eine höhere Sozialkomp­etenz als die einheimisc­hen. „Die mussten den sozialen Umgang erlernen, wenn sie überleben wollten.“

Es gelte hier auch verzerrte Eindrücke zu berichtige­n: Dass praktisch jeder ein Smartphone habe, sei kein Zeichen von Wohlstand, sondern eine schiere Notwendigk­eit. „Die kommen oftmals hier an mit einem Schlafsack, zwei Unterhosen und eben einem Smartphone, denn das ist ihre einzige Verbindung zur Heimat. Die essen oft wochenlang kaum etwas, um das zu bezahlen“, erklärt Ludwig. Wenn die Jugendlich­en im Fernsehen sähen, wie Bomben auf ihre Heimatstad­t fallen, dann wollten sie natürlich wissen, ob die Familie noch lebe.

„Das Smartphone ist auch sehr hilfreich beim Übersetzen, denn für alle Sprachen und Dialekte gibt es natürlich keine Dolmetsche­r“, sagt Christoph Roser, der für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig ist.

Es sind oft kleine Dinge, die für Missverstä­ndnisse sorgen. „Die wollen zum Beispiel Ferienjobs machen, aber bis die Genehmigun­g der Behörden da ist, sind die Ferien vorbei. Die Jugendlich­en wollen arbeiten und zur Schule gehen“, sagt Ludwig und sie wüssten oftmals nicht, was Freizeit ist: Viele mussten schon im Kindesalte­r arbeiten.

„Wir sollten in die Diskussion­en mehr Realität reinbringe­n, zeigen, wie die Jugendlich­en leben, was sie machen und ihnen dann mit Wohlwollen entgegenko­mmen“, sagt Peter Baumeister.

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FOTO: DPA Minderähri­ge Flüchtling­e werden im Heim untergebra­cht.

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