Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Smartphone ist Notwendigkeit für Flüchtlinge
Haus Nazareth kümmert sich mit viel Aufwand um die zahlreichen minderjährigen Flüchtlinge
SIGMARINGEN - Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres kommen auch immer mehr minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland und in den Kreis. Trotz derzeit rückläufiger Flüchtlingszahlen stellen die Flüchtlingskinder die Behörden vor vielfältige und schwierige Aufgaben, da sie nach den Anforderungen des Jugendhilfeschutzgesetzes versorgt werden müssen. Das erzbischöfliche Kinderheim Haus Nazareth ist für den Zollernalbkreis sowie den Kreis Sigmaringen zuständig und sieht sich hier vor zahlreichen Herausforderungen.
Peter Baumeister, der Stiftungsdirektor, betont: „Wir haben keinerlei Probleme mit den Flüchtlingskindern, das sind junge Menschen die viel durchgemacht haben und die Betreuung brauchen.“Schwierig sei es, nachdem sich die Unterbringungsproblematik vorerst gelöst habe, pädagogisch qualifiziertes Personal zu finden. Die Kinder und Jugendlichen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Manche sind durch all die Grausamkeiten und Entbehrungen, die sie erlebt haben, schwer traumatisiert. Außerdem gibt es rund 20 verschiedene Nationen, Ethnien oder Sprachen.
Behörden geben Maßstäbe vor
Es gibt verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten, von der Wohngruppe mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung über die Wohngemeinschaft bis hin zur Außenwohnung. Entsprechend der individuellen Situation kommen die Jugendlichen dann in angemessene Unterkünfte. Was angemessen ist, regelt der Gesetzgeber, und das verursacht manchmal Probleme. „Wir dürfen die jungen Menschen nur in betriebserlaubten Bereichen unterbringen. Das bedeutet, wir können auch nicht jede angebotene Unterkunft nehmen“, erläutert der Referatsleiter für Flüchtlinge, Martin Ludwig. Oft gebe es Angebote, auf die man aus Gründen der Vorschriften verzichten müsse, und dann seien hilfswillige Bürger enttäuscht.
So kommt es zu sehr differenzierten Wohnformen. „Manches machen wir auch nicht, zum Beispiel Jugendliche mit Erwachsenen unterbringen und gemischtgeschlechtliche Gruppen gehen auch nur bis zu einem gewisssen Alter“, sagt Ludwig.
Vor allem hätten die jungen Menschen ganz unterschiedliche Entwicklungen hinter sich. Manche seien seit zwei bis drei Jahren auf der Flucht. „Angesichts dessen, was sie erlebt haben, zeigen 99 Prozent davon ganz normale Verhaltensweisen.“Die Flüchtlingskinder besäßen oftmals eine höhere Sozialkompetenz als die einheimischen. „Die mussten den sozialen Umgang erlernen, wenn sie überleben wollten.“
Es gelte hier auch verzerrte Eindrücke zu berichtigen: Dass praktisch jeder ein Smartphone habe, sei kein Zeichen von Wohlstand, sondern eine schiere Notwendigkeit. „Die kommen oftmals hier an mit einem Schlafsack, zwei Unterhosen und eben einem Smartphone, denn das ist ihre einzige Verbindung zur Heimat. Die essen oft wochenlang kaum etwas, um das zu bezahlen“, erklärt Ludwig. Wenn die Jugendlichen im Fernsehen sähen, wie Bomben auf ihre Heimatstadt fallen, dann wollten sie natürlich wissen, ob die Familie noch lebe.
„Das Smartphone ist auch sehr hilfreich beim Übersetzen, denn für alle Sprachen und Dialekte gibt es natürlich keine Dolmetscher“, sagt Christoph Roser, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.
Es sind oft kleine Dinge, die für Missverständnisse sorgen. „Die wollen zum Beispiel Ferienjobs machen, aber bis die Genehmigung der Behörden da ist, sind die Ferien vorbei. Die Jugendlichen wollen arbeiten und zur Schule gehen“, sagt Ludwig und sie wüssten oftmals nicht, was Freizeit ist: Viele mussten schon im Kindesalter arbeiten.
„Wir sollten in die Diskussionen mehr Realität reinbringen, zeigen, wie die Jugendlichen leben, was sie machen und ihnen dann mit Wohlwollen entgegenkommen“, sagt Peter Baumeister.