Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wenn Migranten Arbeitsplätze schaffen
Institut für Mittelstandsforschung sieht „großes Gründungspotenzial“– 658 000 Zugewanderte, die jetzt selbstständig sind
COTTBUS (dpa) - Nach Deutschland ziehen und eine Firma gründen: Viele Menschen mit ausländischen Wurzeln arbeiten als Selbstständige und schaffen so hierzulande Arbeitsplätze. Bashar Idilbi gründete vor Jahren in Deutschland die Firma Technamation Technical Europe GmbH, die aus geschredderten Getränkeverpackungen und ähnlichen Verbundmaterialien Gartenmöbel und Bodenbeläge für den Außenbereich herstellt. Das kleine Unternehmen im brandenburgischen Guben will expandieren und weitere Arbeitsplätze schaffen, wie der 59-Jährige sagt. Die Zahl von zugewanderten Menschen aus dem Ausland, die als Selbstständige hier in Deutschland arbeiten, ist im Verlauf der vergangenen Jahre gestiegen.
In Deutschland waren im Jahr 2015 nach Mikrozensus-Erhebungen des Statistischen Bundesamtes unter allen rund 4,16 Millionen Selbstständigen 658 000 Menschen, die zuvor aus anderen Ländern zugewandert waren. Auf Europa bezogen stammen viele davon aus Polen (94 000) und der Türkei (64 000). Zum Vergleich: 2011 lag die Zahl der Zugewanderten, die selbstständig waren, noch bei 589 000. In Deutschland hat man offensichtlich das Potenzial von Migranten mit Grün dungs vorhaben erkannt. In Brandenburg zum Beispiel gibt e sein Projekt der Landes Wirtschaftsförd er gesellschaft Zukunftsagentur Brandenburg, das sich speziell an akademische Migranten richtet. „Das Interesse steigt“, sagt Kuang Dai als Projektkoordinator. Er führt das darauf zurück, dass immer mehr ausländische Studenten an brandenburgische Hochschulen kommen und sich viele von ihnen vorstellen könnten, langfristig in Deutschland zu bleiben.
Was die Gründung innovativer Firmen von Zugewanderten aus Drittländern – also außerhalb der EU – angeht, liegen den Angaben zufolge derzeit in Brandenburg Iran und asiatische Länder weit vorne. „Sehr viele Wissenschaftler wollen hier bleiben“, sagt Dai. Die Firmengründer entwickeln zum Beispiel Smartphone-Apps oder Software. Auch auf die Herstellung neuer Geräte und die Entwicklung neuer Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien viele spezialisiert.
Seine Firma gründete Idilbi 2002 in Nordrhein-Westfalen, nach Jahren zog er dann mit seiner Ehefrau nach Brandenburg. Nach Deutschland kam der Syrer nicht als Kriegsflüchtling, sondern weil seine Frau Deutsche ist und er schon zu früheren Zeiten zeitweise hier arbeitete, wie Idilbi erzählt. So habe es Anknüpfungspunkte gegeben.
Anfangs habe er nach der Firmengründung noch einen Produktionsstandort in Syrien gehabt. Doch die Maschinen seien später im Krieg zerstört oder gestohlen worden. Deshalb baue die Firma Stück für Stück die Herstellung in Brandenburg auf, betont der Unternehmer.
Hoch qualifiziert
Der Wissenschaftler René Leicht vom Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim untersucht das Gründungsverhalten von Menschen mit ausländischen Wurzeln und erstellte eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Leicht sieht ein „großes Gründungspotenzial“bei Zugewanderten. Die meisten der in jüngerer Zeit zugewanderten Migranten seien hoch qualifiziert. Ein Teil habe hierzulande studiert, sagt Leicht. Viele könnten als Selbstständige von guten Verbindungen in ihr Herkunftsland profitieren und zum Beispiel ausländische Produkte hier auf den Markt bringen.
Weniger aus der Not heraus
Die Motivation, als Zugewanderter in Deutschland eine Firma zu gründen, habe sich im Laufe der Zeit verändert, erklärt der Wissenschaftler Leicht. „Es gründen immer weniger Migranten aus der Not heraus, etwa weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine andere Chance hätten.“Stattdessen stünden heute vor allem Selbstverwirklichung und die Umsetzung eigener Ideen sowie die Innovationen der Gründer im Vordergrund.
Bashar Idilbi berichtet, dass er mit offenen Armen in Deutschland empfangen worden sei. Die Fördermöglichkeiten seien gut und es gebe viel Unterstützung vonseiten der Politik, erklärt Idilbi. Bewerbungen habe er sehr viele vorliegen. Dass er aus dem Ausland kommt, habe nie zu Problemen geführt, lautet seine Erfahrung. „Ich brauche ein, zwei Minuten, und dann bin ich mit jedem Freund“, sagt Idilbi.