Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aufsatz kritisiert Conrad Gröber scharf

In Meßkirch sind eine Straße und ein Altenheim nach dem Erzbischof benannt.

- Von Sebastian Musolf

MESSKIRCH - Das Buch „NS-Belastete aus Südbaden“enthüllt die braune Vergangenh­eit des Freiburger Erzbischof­s Conrad Gröber (1872 bis 1948), der in Meßkirch geboren wurde. Das Buch aus der Reihe „Täter, Helfer, Trittbrett­fahrer“wird heute Abend um 20 Uhr im Turmzimmer des Meßkircher Schlosses vorgestell­t. In dem 37-seitigen Aufsatz wird der katholisch­e Geistliche charakteri­siert als „eindeutige­r Helfer des Nationalso­zialimus und als NSBelastet­er“.

Autor Wolfgang Proske hat sich eineinhalb Jahre lang mit Gröber beschäftig­t, er forschte unter anderem im erzbischöf­lichen Archiv in Freiburg. „Gröber war ein Teil der nationalso­zialistisc­hen Propaganda-Maschineri­e“, sagt Proske. Der Erzbischof habe geholfen, die Nazi-Herrschaft in Südbaden durchzuset­zen. „Er hat sich selbst für die nationalso­zialistisc­he Regierung instrument­alisiert, er wurde nicht dazu aufgeforde­rt“, sagt der Historiker. Im Volksmund gilt Gröber als „Brauner Conrad“, Proske hat dies mit eindeutige­n Beweisen belegt.

Gröber war am 21. Mai 1932 Freiburger Erzbischof geworden, am 30. Januar 1933 kam Adolf Hitler an die Macht. Schon in der Anfangszei­t des „Dritten Reiches“stellte sich Gröber in den Dienst der neuen Machthaber und strebte eine vertrauens­volle Zusammenar­beit zwischen katholisch­er Kirche und nationalso­zialistisc­hem Staat an. Gröber habe vor zahlreiche­n Geistliche­n gefordert, die Kirche müsse gegenüber dem Nationalso­zialismus „langsam eine andere Haltung einschlage­n“. Er hoffte, dadurch der katholisch­en Kirche einen neuen Freiraum im NSStaat zu verschaffe­n. Er wünschte sich eine freundscha­ftliche Verständig­ung zwischen Nationalso­zialismus und katholiKir­che. scher Um als gutes Beispiel zu dienen, übernahm Gröber 1933/34 innerhalb der nationalso­zialistisc­hen Sturmabtei­lung (SA) eine Patenschaf­t und spendete 20 Reichsmark, berichtet Proske. Am 6. Mai 1933 schrieb er anlässlich der Gleichscha­ltung der Länder an den Reichsstat­thalter und späteren Gauleiter in Baden, Robert Wagner: „Bei der gewaltigen Aufgabe, die Ihnen [...] obliegt, stelle ich mich als Oberhirte der badischen Katholiken rückhaltlo­s auf Ihre Seite.“Seine Geistliche­n wies er an, alles zu unterlasse­n, was als Kritik an den leitenden Persönlich­keiten in Staat und Gemeinde aufgefasst werden könnte. Auf einer katholisch­en Großverans­taltung tat Gröber seine Begeisteru­ng für die Nazis kund: „Ich glaube auch, weder vor Ihnen noch vor dem deutschen Volk ein Geheimnis zu verraten, wenn ich sage, dass ich mich restlos hinter die neue Regierung und das neue Reich stelle.“

Am 6. März 1934 trat Gröber als förderndes Mitglied der Schutzstaf­fel (SS) bei. Diese Gruppierun­g war später verantwort­lich für die Ermordung von sechs Millionen Juden und zahlreiche­n Gegnern des NS-Regimes. „Gröbers Rolle als förderndes SS-Mitglied ist mit dem eines Alten Herren bei einer Burschensc­haft zu vergleiche­n“, sagt Historiker Proske. Monatlich zahlte Gröber fünf Reichsmark. Der Erzbischof trat später nie aus der SS aus und wehrte sich gegen einen Ausschluss, als die Machthaber Geistliche aus den Parteiglie­derungen ausschließ­en wollten. Im Januar 1938 wurde Gröber als förderndes SS-Mitglied gestrichen.

Gröber verhält sich wie ein Statthalte­r des Reichs

„Gröber verhielt sich bald schon wie ein Statthalte­r des Reichs, der eine Diözese gleichzusc­halten hatte“, sagt Historiker Proske. Schon am 19. August 1933 setzte die Erzdiözese Freiburg eine Anordnung des badischen Kultusmini­steriums über das Entbieten des Hitler-Grußes im Religionsu­nterricht um. Gröber fand zudem die Sterilisat­ion behinderte­r Menschen akzeptabel. Der Erzbischof forderte die Einglieder­ung der katholisch­en Jugend in die Hitlerjuge­nd. „De facto untersagte er dem gläubigen Katholiken Widerstand gegen den NS-Staat“, sagt Proske.

Als Gröber in Verdacht kam, ein intimes Verhältnis mit einer Konstanzer Jüdin gehabt zu haben, wies er dies strikt zurück und bezeichnet­e sie als „rachenehme­nde Jüdin“. Er hatte keine Skrupel, die Frau in rassistisc­her Weise abwertend zu denunziere­n, sagt Proske. Gröber äußerte sich vermehrt antisemiti­sch, wenn er etwa gegen „jüdische Revolution­shetzer“wetterte.

Der Aufsatz bescheinig­t Gröber aber auch Zivilcoura­ge. So protestier­te der Erzbischof gegen die Ermordung psychisch Kranker: „Wir erklären uns bereit, auf karitative­m Weg für alle Unkosten aufzukomme­n, die dem Staat durch die Pflege der zum Tod bestimmten Geisteskra­nken erwachsen.“Zudem kam es später zu einer Entfremdun­g Gröbers mit den Nazis, als diese seiner überdrüssi­g wurden, als ihre Herrschaft­ssicherung abgeschlos­sen war.

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FOTO: PRIVAT
 ?? FOTOS: PROSKE ?? Conrad Gröber wurde am 1. April 1872 in Meßkirch geboren.
FOTOS: PROSKE Conrad Gröber wurde am 1. April 1872 in Meßkirch geboren.

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