Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aufsatz kritisiert Conrad Gröber scharf
In Meßkirch sind eine Straße und ein Altenheim nach dem Erzbischof benannt.
MESSKIRCH - Das Buch „NS-Belastete aus Südbaden“enthüllt die braune Vergangenheit des Freiburger Erzbischofs Conrad Gröber (1872 bis 1948), der in Meßkirch geboren wurde. Das Buch aus der Reihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“wird heute Abend um 20 Uhr im Turmzimmer des Meßkircher Schlosses vorgestellt. In dem 37-seitigen Aufsatz wird der katholische Geistliche charakterisiert als „eindeutiger Helfer des Nationalsozialimus und als NSBelasteter“.
Autor Wolfgang Proske hat sich eineinhalb Jahre lang mit Gröber beschäftigt, er forschte unter anderem im erzbischöflichen Archiv in Freiburg. „Gröber war ein Teil der nationalsozialistischen Propaganda-Maschinerie“, sagt Proske. Der Erzbischof habe geholfen, die Nazi-Herrschaft in Südbaden durchzusetzen. „Er hat sich selbst für die nationalsozialistische Regierung instrumentalisiert, er wurde nicht dazu aufgefordert“, sagt der Historiker. Im Volksmund gilt Gröber als „Brauner Conrad“, Proske hat dies mit eindeutigen Beweisen belegt.
Gröber war am 21. Mai 1932 Freiburger Erzbischof geworden, am 30. Januar 1933 kam Adolf Hitler an die Macht. Schon in der Anfangszeit des „Dritten Reiches“stellte sich Gröber in den Dienst der neuen Machthaber und strebte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen katholischer Kirche und nationalsozialistischem Staat an. Gröber habe vor zahlreichen Geistlichen gefordert, die Kirche müsse gegenüber dem Nationalsozialismus „langsam eine andere Haltung einschlagen“. Er hoffte, dadurch der katholischen Kirche einen neuen Freiraum im NSStaat zu verschaffen. Er wünschte sich eine freundschaftliche Verständigung zwischen Nationalsozialismus und katholiKirche. scher Um als gutes Beispiel zu dienen, übernahm Gröber 1933/34 innerhalb der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) eine Patenschaft und spendete 20 Reichsmark, berichtet Proske. Am 6. Mai 1933 schrieb er anlässlich der Gleichschaltung der Länder an den Reichsstatthalter und späteren Gauleiter in Baden, Robert Wagner: „Bei der gewaltigen Aufgabe, die Ihnen [...] obliegt, stelle ich mich als Oberhirte der badischen Katholiken rückhaltlos auf Ihre Seite.“Seine Geistlichen wies er an, alles zu unterlassen, was als Kritik an den leitenden Persönlichkeiten in Staat und Gemeinde aufgefasst werden könnte. Auf einer katholischen Großveranstaltung tat Gröber seine Begeisterung für die Nazis kund: „Ich glaube auch, weder vor Ihnen noch vor dem deutschen Volk ein Geheimnis zu verraten, wenn ich sage, dass ich mich restlos hinter die neue Regierung und das neue Reich stelle.“
Am 6. März 1934 trat Gröber als förderndes Mitglied der Schutzstaffel (SS) bei. Diese Gruppierung war später verantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Juden und zahlreichen Gegnern des NS-Regimes. „Gröbers Rolle als förderndes SS-Mitglied ist mit dem eines Alten Herren bei einer Burschenschaft zu vergleichen“, sagt Historiker Proske. Monatlich zahlte Gröber fünf Reichsmark. Der Erzbischof trat später nie aus der SS aus und wehrte sich gegen einen Ausschluss, als die Machthaber Geistliche aus den Parteigliederungen ausschließen wollten. Im Januar 1938 wurde Gröber als förderndes SS-Mitglied gestrichen.
Gröber verhält sich wie ein Statthalter des Reichs
„Gröber verhielt sich bald schon wie ein Statthalter des Reichs, der eine Diözese gleichzuschalten hatte“, sagt Historiker Proske. Schon am 19. August 1933 setzte die Erzdiözese Freiburg eine Anordnung des badischen Kultusministeriums über das Entbieten des Hitler-Grußes im Religionsunterricht um. Gröber fand zudem die Sterilisation behinderter Menschen akzeptabel. Der Erzbischof forderte die Eingliederung der katholischen Jugend in die Hitlerjugend. „De facto untersagte er dem gläubigen Katholiken Widerstand gegen den NS-Staat“, sagt Proske.
Als Gröber in Verdacht kam, ein intimes Verhältnis mit einer Konstanzer Jüdin gehabt zu haben, wies er dies strikt zurück und bezeichnete sie als „rachenehmende Jüdin“. Er hatte keine Skrupel, die Frau in rassistischer Weise abwertend zu denunzieren, sagt Proske. Gröber äußerte sich vermehrt antisemitisch, wenn er etwa gegen „jüdische Revolutionshetzer“wetterte.
Der Aufsatz bescheinigt Gröber aber auch Zivilcourage. So protestierte der Erzbischof gegen die Ermordung psychisch Kranker: „Wir erklären uns bereit, auf karitativem Weg für alle Unkosten aufzukommen, die dem Staat durch die Pflege der zum Tod bestimmten Geisteskranken erwachsen.“Zudem kam es später zu einer Entfremdung Gröbers mit den Nazis, als diese seiner überdrüssig wurden, als ihre Herrschaftssicherung abgeschlossen war.