Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wie bleischwer ist dies Händchen
Bregenzer Festspiele stellen Bühne für die Oper „Carmen“vor
BREGENZ - Zwei riesige Frauenhände, die riesige Spielkarten in Händen halten, ragen aus dem Bodensee bei Bregenz: Das wird die nächsten zwei Jahre die Kulisse für die Oper „Carmen“auf der Seebühne sein. Bei strömendem Regen und frostigen Temperaturen haben die Bregenzer Festspiele das sieben Millionen Euro teure und 44 Tonnen schwere Bühnenbild vorgestellt.
„Jeder Setdesigner möchte mal auf der Seebühne arbeiten“, sagt Bühnenbildnerin Es Devlin. Und dann ruft die Engländerin mit dem Borsalino-Hut ein fröhliches „I am a Bregenz junkie!“in die Runde. Sie sagt, dass sie all die spektakulären Bühnenbilder von Fotografien kenne. Diese monumentalen Kulissen hätten die Bregenzer Festspiele international bekannt gemacht. Kanye West, erzählt sie, habe ihr das Bild mit dem überdimensionierten Marat-Kopf von „André Chenier“gemailt. „Ja, durch die neuen Medien ist es auch für die Sängerinnen und Sänger leichter, sich gleich mal eine Vorstellung davon zu machen, was sie an ihrem doch recht ungewöhnlichen Arbeitsplatz auf dem See erwartet“, fügt Intendantin Elisabeth Sobotka hinzu. Deren Vertrag ist übrigens wie der des Festspielpräsidenten Hans-Peter Metzler soeben bis 2022 verlängert worden.
Für ihre Bühnenbilder ist Es (was für Esmeralda steht) Devlin schon vielfach ausgezeichnet worden. Sie wird nicht nur von den großen Opernhäusern engagiert. Sie gestaltet auch die Shows von Popkünstlern wie Kanye West, Lady Gaga oder Beyoncé. Die Erfahrung mit großen Arenen helfe ihr nun bei der Seebühnenproduktion.
Das Leben – ein Kartenspiel
Für ihr Bühnenbild ließ sie sich von Souvenirs inspirieren. Die hatte sie am Flughafen von Sevilla erstanden vor ihrer ersten „Carmen“-Produktion für die English National Opera in London. Es waren auch Spielkarten darunter. In Bizets Oper gibt es eine Szene, in der Carmen Karten legt, um daraus die Zukunft zu lesen. Dies war die Initialzündung für das Bühnenbild: Zwei Menschen, Carmen und José, sind wie Karten in einem Spiel. Die Hände werfen die Karten in die Luft, wie sie sich mischen werden, ist Zufall. Vielleicht hat diese Frau, die die Karten wirft, aber auch einen Trick versucht – und der ist misslungen. Denn auch auf dem Bühnenboden liegen Karten. Es Devlin lässt das offen, aber sie ist bei der ersten Begehung doch sehr angetan, wie ihre Idee umgesetzt wurde: „Es ist umwerfend, dass so eine Geste dann zwei Jahre lang eingefroren wird.“
Diese Geste ist 24 Meter hoch, die linke Hand mit dem Namen „Lindau“wiegt 24 Tonnen, die rechte „Bregenz“20 Tonnen. Die Namen für die Hände und die Karten haben sich die Handwerker ausgedacht, damit sie sich leichter verständigen können auf einer Baustelle, auf der ansonsten nichts normal ist. „Da passt zunächst mal gar nichts zusammen“, erklärt Christoph Reinstadler von der Fassadenbaufirma Vonbank und Witwer. Die Tonnage war eines der Hauptprobleme, sagt Bühnenmeister Manfred Achberger. Denn der Kran konnte maximal sechs Tonnen heben. Wolfgang Urstadt, technischer Direktor der Festspiele, weiß aber aus Erfahrung, dass Handwerk und Technik in Bregenz noch immer einen Weg gefunden haben, die künstlerischen Visionen umzusetzen.