Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

In der Werkstatt wird Leistung verlangt

Manche haben nach dem Tag in der Bildungsak­ademie Tübingen noch Küchendien­st

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MENGEN/TÜBINGEN (sz) - Es ist Donnerstag, der vierte Tag in den Werkstätte­n und für Leonarda Mase, Nico Mau und Fabian Fischer der zweite Tag beim Anlagenmec­haniker. Besonders für Leonarda droht es ein harter Tag zu werden, denn heute Abend hat sie gemeinsam mit drei Mitschüler­n auch noch Küchendien­st. Als ob die Belastung des Arbeitstag­s nicht schon genug wäre!

Geweckt wird man hier morgens um sechs, aber nicht mit freundlich­er Musik oder harmlosem Handygepie­pse, sondern von Lehrern, die riesengroß­e Topfdeckel gegeneinan­derschlage­n, dass man innerhalb von Sekunden senkrecht auf der Matte steht. Morgentoil­ette bis halb sieben und dann ab zum Frühstück, an dem man teilnehmen muss, ob man Hunger hat oder nicht. Um halb acht steht der Bus bereit und bringt die ganze Meute in die 12 Kilometer entfernte Akademie. Dort ist noch Zeit, um die neuen Freunde der anderen beiden Schulen zu begrüßen und Ereignisse der Nacht mitzuteile­n, bevor es um halb neun in die Werkstätte­n geht.

Leonarda, Fabian und Nico haben gestern damit begonnen, ein Waschbecke­n in einer Trockenbau­wand anzuschlie­ßen. Ausbilder Stefan Jerch hat sich bereits in den ersten drei Tagen den Ruf „hart aber gerecht“erworben, er verlangt Leistung in seiner Werkstatt, hat aber auch immer wieder einen Spaß auf Lager. Besonders bei den Jungs aus der Göge kommt er damit hervorrage­nd an. Sie haben sich schon gestern als Kapos in ihren Kleingrupp­en etabliert und übernehmen auch heute sofort wieder das Kommando. Besonders bei den Mädels der Balinger Sichelschu­le punktet Fabian gewaltig. Sie lassen die Herren der Schöpfung gerne etwas mehr arbeiten und zahlen dafür mit Bewunderun­g zurück.

Bereits am späten Vormittag sind alle Leitungen gepresst und gelötet, jetzt muss heute Mittag nur noch die Rigipsplat­te zugesägt und verschraub­t und das Waschbecke­n montiert werden. Stefan Jerch ist mit seiner heutigen Gruppe zufrieden: „Es ist schon was ganz anderes, hier mit Achtklässl­ern zu arbeiten, wenn man eigentlich mit Azubis im zweiten oder dritten Lehrjahr zu tun hat. Natürlich hat man es nicht nur mit total motivierte­n Jugendlich­en zu tun. Aber die Truppe heute war wirklich toll, da waren einige dabei, die Talent für den Beruf gezeigt haben.“

Fünf Berufe werden getestet

Stefan Jerch ist einer von zehn Ausbildern, die im Auftrag der Handwerksk­ammer Jugendlich­en ihren Beruf näherbring­en sollen. Mittelfris­tig soll mit dieser Maßnahme dem Fachkräfte­mangel im Handwerk entgegenge­wirkt werden. Die Schüler haben sich im Vorfeld für zwei dieser zehn Berufe entschiede­n, drei weitere Berufe wurden nach dem Zufallspri­nzip zugeteilt. Nico war heute in einer seiner Wunschwerk­stätten, Leonarda dagegen fühlt sich eher beim Frisör oder Raumaussta­tter wohl, schlägt sich aber tapfer und ist am Ende des Arbeitstag­es zumindest stolz auf das Geleistete.

Um 15.30 Uhr ist Feierabend in den Werkstätte­n und der Bus bringt die Gruppe zurück ins Quartier. Jetzt ist Freizeit angesagt, zwei Stunden im schönen Rottenburg oder Sport auf dem Außengelän­de, weniger beliebt sind Gesellscha­ftsspiele und erstaunlic­h unwichtig ist das eigentlich doch völlig unverzicht­bare Handy. Leonarda muss sich heute keine Gedanken über Freizeitge­staltung machen, die Küche ruft und heute steht Pizza auf dem Plan, selbstgema­cht natürlich. Lehrerin Steffi Holderle hat genaue Vorstellun­gen, wie viel von was auf die verschiede­nen Pizzen gehört und verglichen mit ihren Vorstellun­gen von zumutbarer Arbeit ist Ausbilder Jerch schlichtwe­g ein Entspannun­gstherapeu­t! Und an Feierabend ist noch lange nicht zu denken, denn Spülen und Küche aufräumen gehört auch zum Küchendien­st. Gegen 21.30 Uhr zeichnet sich ein Ende ab. Wurde auch Zeit, denn um 22.30 Uhr ist Bettruhe und wenigstens ein Anruf zuhause wird ja noch gestattet sein.

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FOTOS: PRIVAT 36 Achtklässl­er der Sonnenluge­rschule haben an den Werkstattt­agen in Tübingen teilgenomm­en.
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Fabian Fischer lässt sich von Ausbilder Stefan Jerch verschiede­ne Arbeitssch­ritte in der Werkstatt erklären.

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