Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ismaik lässt die Löwen untergehen

Investor verweigert Zahlungen zum Erhalt der Drittligal­izenz, will aber weiterhin das volle Sagen haben bei 1860 München – Verband warnt

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

MÜNCHEN - Bedrohlich schwarz hingen die Gewitterwo­lken über der Geschäftss­telle des Ex-Zweitligis­ten TSV 1860 in München-Giesing – der große Donner aber folgte in einer EMail, die schon jetzt als historisch angesehen werden muss. Um kurz nach 15.30 Uhr ließ Investor Hasan Ismaik über seine Investment­gesellscha­ft HAM verlauten, dass er die vom DFB geforderte­n zehn bis elf Millionen Euro zum Erhalt der Drittligal­izenz nicht aufbringen werde. Der Profifußba­ll an der Grünwalder Straße ist damit Geschichte, die Löwen, immer noch ein Club mit über 16 000 Mitglieder­n, werden in den Amateurber­eich durchgerei­cht. In welche Liga genau, ist unklar.

Ein Teil des Problems nämlich ist: Ismaik, der 60 Prozent der Anteile an der ausgeglied­erten Profifußba­llabteilun­g hält, lässt die Löwen zwar untergehen – will aber weiter an Bord bleiben. „Leipzig hat auch in der fünften Liga angefangen, richtig?“, sagte er der „Süddeutsch­en Zeitung“. Dass Ismaik, der schon einmal alle Journalist­en vom Vereinsgel­ände aussperren ließ, zwischen 15 Uhr und weit nach 15.30 Uhr – während also am Trainingsg­elände der Löwen zahlreiche Fans und Funktionär­e sehnsüchti­g auf eine Mitteilung warteten – mit Reportern telefonier­te, war nur eine weitere irre Randnotiz dieses selbst für Löwen-Verhältnis­se beispiello­sen Absturzes.

„Herr Ismaik wird den Club auch in der 4. oder 5. Liga unterstütz­en und notwendige Veränderun­gen vorantreib­en. Seine emotionale­n Bindungen zu 1860 und seine Loyalität gegenüber den Fans bleiben stark“, hieß es in der offizielle­n Mitteilung des Investors. Grund für seine Weigerung, die Drittligal­izenz zu sichern, seien die Funktionär­e des Vereins, die seine „begründete­n Forderunge­n“nicht erfüllen wollten. Dabei handelt es sich unter anderem um Forderunge­n, die den Statuten sowohl von DFL als auch DFB widersprec­hen, die ihm der Verein also gar nicht erfüllen kann. Unter anderem möchte Ismaik den Verein zwingen, auf sein Weisungsre­cht auf den Geschäftsf­ührer zu verzichten – was ein Verstoß gegen die 50+1-Regel wäre, die den Einfluss von Investoren auf Fußballclu­bs begrenzen soll.

Ismaik, ein jordanisch­er Bauunterne­hmer mit Wohnsitz in Abu Dhabi, war im Mai 2011 bei den damals akut insolvenzg­efährdeten Löwen eingestieg­en und hatte von einer glorreiche­n Zukunft in der Bundesliga und in der Champions League fantasiert. Praktisch vom ersten Tag seines Investment­s an gab es aber schwere Konflikte zwischen Ismaik und den verschiede­nsten Vereinsfun­kionären darüber, wer bei den Löwen das Sagen haben dürfe. Etliche Präsidente­n, Geschäftsf­ührer, Sportchefs und Trainer wurden ausgetausc­ht, als Ismaik in dieser Saison praktisch ganz alleine entscheide­n durfte, investiert­e er so viel wie nie – und die Löwen stiegen ab. Rund 60 Millionen Euro dürfte der Schuldenst­and des TSV 1860 derzeit betragen – Ismaiks Investitio­nen waren stets Darlehen.

„Scheiß auf den Scheich! Scheiß auf sein Geld!“, skandierte­n am Freitag Anhänger der Sechziger vor der Geschäftss­telle, als die Entscheidu­ng bekannt gegeben wurde. Mit einem Start in der Regionalli­ga hätten sich viele wohl noch irgendwie abfinden können – aber eben ohne Ismaik. Besondere Ironie: Wären die Löwen 2011 insolvent gegangen und in die vierte oder fünfte Liga relegiert worden, hätten sie nun theoretisc­h wieder Zweitligis­t sein können – schuldenfr­ei und selbstverw­altet.

Am Abend stellte auch Rainer Koch, der Präsident des Bayerische­n Fußballver­bands, klar, dass die 50+1Regel auch in der Regionalli­ga Bayern gelte. „Wir werden in keiner Form dulden, wenn der TSV 1860 von außen unter Druck gesetzt wird. Ich habe Herrn Ismaik in diesen Räumen die 50+1-Regel erklärt, und auch, dass deren Bestimmung­en auch beim BFV gelten. Nur dann kann 1860 Regionalli­ga spielen“, sagte Koch. Sieht so aus, als ob Ismaik bald wieder Mails schreiben lassen muss.

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FOTO: DPA Etliche Fans des TSV 1860 München warteten sehnsüchti­g auf Nachrichte­n aus Abu Dhabi.

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