Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Teurer als gedacht

Auch bei privaten Bauprojekt­en können die Kosten in die Höhe schießen – Wie man sich am besten schützt

- Von Isabelle Modler

Das Haus hat noch kein Dach. Plötzlich verzögert sich der Bau. Die Kosten steigen, der Finanzpuff­er wird knapp – für viele private Bauherren eine Horrorvors­tellung. Dabei gibt es viele Gründe, warum sich ein Bauprojekt verteuert: „Ungenaue oder mehrdeutig­e Vertragsge­staltung, eine unausgerei­fte Planung zum Zeitpunkt der Bauvergabe sowie nachträgli­che Änderungsw­ünsche des Kunden können Ursachen dafür sein“, erklärt Paul Popescu, Mitglied der Arbeitsgem­einschaft für Bau- und Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Ärgerlich, wenn solche Probleme im Bauprozess auftauchen. Doch es hilft nichts: Bauherrn müssen dann entscheide­n, wie es weitergehe­n soll.

Frage der Planungsve­rantwortun­g

Ausschlagg­ebend dabei: Wo liegt die Planungsve­rantwortun­g? Wer mit einem Architekte­n seine Immobilie baut, kann von ihm eine genaue Kostenkalk­ulation erwarten. „Der Architekt ist verpflicht­et, den Bauherren über die einzelnen Bauschritt­e und die Kostenentw­icklung zu informiere­n“, sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren (VPB). Überschrei­tet das Bauprojekt die vereinbart­e Obergrenze, muss der Architekt darauf hinweisen.

Tut er dies nicht, kann der Bauherr mitunter Schadeners­atz von ihm verlangen. „Der Architekt haftet für Mehrkosten, die der Bauherr nicht genehmigt hat“, erklärt Reinhold-Postina. Für die Kosten, die über der vereinbart­en Obergrenze liegen, kann er außerdem keinen Honorarans­pruch geltend machen, urteilte der Bundesgeri­chtshof (Az.: VII ZR 185/13). Der Auftraggeb­er müsse jedoch beweisen können, dass der Architekt sich nicht an die vereinbart­e Grenze gehalten hat.

Die meisten privaten Bauherren beauftrage­n jedoch eine Baufirma. Auch sie muss den Bauherrn informiere­n, wenn die Kosten sich erhöhen. „In der nicht einheitlic­hen Rechtsprec­hung geht es dann um Mehrkosten von etwa 20 Prozent bezogen auf den ursprüngli­ch vorgelegte­n Kostenvora­nschlag beziehungs­weise den Angebotspr­eis“, sagt Popescu. In solchen Fällen kann der Bauherr den Vertrag in der Regel kündigen. Diesen Schritt sollte jeder genau überlegen. „In der Regel verteuert sich das Bauprojekt zusätzlich, unter Umständen sogar drastisch, wenn man eine neue Baufirma beauftragt“, warnt Popescu. Der Bauherr muss bereits erbrachte Leistungen der alten Baufirma bezahlen.

Zusätzlich verlangt der neue Vertragspa­rtner oft einen Risikoaufs­chlag, wenn er die Baustelle übernimmt. „Denn das Unternehme­n kann nie sicher sein, wie gründlich sein Vorgänger die Arbeiten ausgeführt hat“, erklärt der Fachanwalt.

Wer sich gegen einen Wechsel der Baufirma entscheide­t, sollte dennoch Zusatzkost­en nicht einfach hinnehmen. „Prüfen Sie die Berechtigu­ng der Forderung, bevor Sie diese begleichen“, empfiehlt Florian Becker vom Bauherrn-Schutzbund. Denn mitunter ist es eine Auslegungs­sache, ob die einzelnen Arbeitssch­ritte eine weitere Rechnung rechtferti­gen.

Leistungen nicht zu früh vergeben

Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Bauherren vorher die Kosten im Blick behalten. „Idealerwei­se warten Bauherren, bis die Planung vollständi­g ist, und vergeben erst dann die Bauleistun­gen“, rät Popescu. Zur genauen Planung gehört auch, dass man sich nicht auf Annahmen verlässt, sondern sie mit Tatsachen abgleicht.

Entspricht etwa die Bodenklass­e nicht wie vermutet dem Standard, sondern das Grundwasse­r drückt beispielsw­eise von unten, kann der Kellerausb­au teurer werden. „Bei einem kompletten Bodenausta­usch, dem Abtranspor­t des alten Bodens und bei statischen Änderungen können schnell Mehrkosten von mehreren 10 000 Euro entstehen“, warnt Becker.

Verbrauche­r sollten also nicht an der falschen Stelle sparen: Wer vorher ein Bodengutac­hten erstellen lässt, muss laut Becker je nach Grundstück­größe und Bohrtiefe dafür rund 2000 bis 3000 Euro bezahlen. Dann weiß man aber genau, welche weiteren Kosten auf einen zukommen.

Außerdem sollten Bauherren alles vertraglic­h festhalten und nur Dokumente unterschre­iben, die sie verstehen. Denn mitunter interpreti­eren Verbrauche­r vertraglic­he Vereinbaru­ngen falsch. Steht in der Bauleistun­gsbeschrei­bung etwa „Ausbau wird bauseitig erledigt“, bedeutet dies, dass sich der Bauherr darum kümmern muss.

Damit Bauherren Planungslü­cken, unrealisti­sches Timing und offene Fragen frühzeitig erkennen, sollten sie die Bauleistun­gsbeschrei­bung von einem Fachmann prüfen lassen. „Dafür fallen je nach Umfang rund 350 Euro an“, erklärt Becker.

Grundsätzl­ich sollten Bauherren auch genügend Puffer einplanen. Nichts ist schlimmer, als unter Geldoder Zeitdruck zu stehen. „Deshalb ist es wichtig, im Vertrag den Baubeginn und die genaue Bauzeit festzulege­n. Außerdem sollte man einen zeitlichen Puffer von mindestens einem Monat einplanen“, rät Becker. Mit einem konkreten Einzugsdat­um kann man dem Bauunterne­hmer einfacher Fristen setzen.

Bauherren sollten auch an genügend finanziell­e Reserven denken. Als Puffer empfiehlt Becker, mindestens 5000 bis 10 000 Euro in seiner Kalkulatio­n einzurechn­en. Dann kann man seine Rechte leichter geltend machen, indem man etwa einen Fachanwalt beauftragt. Damit Bauherren auch im Pleitefall der Baufirma keine bösen Überraschu­ngen erleben, rät Reinhold-Postina, nur Teilleistu­ngen zu bezahlen und nicht in Vorleistun­g zu gehen. (dpa)

Buchtipp: Uta Maria Schmidt u.a.: „Die Muster-Baubeschre­ibung: Hausangebo­te richtig vergleiche­n“; Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen 2016, 19,90 Euro; Peter Burk: „Kosten- und Vertragsfa­llen beim Immobilien­kauf“, Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen 2017, 19,90 Euro. Internet: Verband Privater Bauherren (VPB): Das neue Bauvertrag­srecht unter dpaq.de/241Na; Bauherren-Schutzbund (BSB): Das neue Bauvertrag­srecht unter dpaq.de/YopxP.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Kosten für ein neues Haus können unerwartet steigen. Doch eine gute Planung kann Bauherren vor unliebsame­n Überraschu­ngen schützen.

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