Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nachwuchs auf der Martinskirche
Ute Reinhard beringt Jungstorch – Zu wenig Gewicht für sein Alter
MENGEN - Mit seiner neuen Gemahlin hat der bereits 25 Jahre alte Storch auf der Martinskirche in Mengen dieses Jahr für Nachwuchs gesorgt. Ute Reinhard, Storchenbeauftragte des Regierungspräsidiums Tübingen, beringte am Freitagabend ein Jungtier.
Er mag zwar inzwischen im vorgerückten Storchenalter sein, doch dass er der Herr im Haus ist, daran lässt er keine Zweifel aufkommen: So etwa könnte man das Verhalten des männlichen Storches auf dem Turm der Martinskirche interpretieren. Denn der Mengener Storchenexperte Manfred Stützel hat am 21. März eindrucksvolle Szenen beobachtet – gleich fünf Störche versuchten um die Mittagszeit, den Hausherr von seinem Horst zu vertreiben. Doch der Storch, schon seit 1996 Brutvogel auf der Martinskirche, wehrte alle fünf Angreifer, im Fachjargon „Störstörche“genannt, erfolgreich ab. „Ich dachte: Jetzt bekommt er gleich einen Herzstillstand“, schilderte Manfred Stützel seine Beobachtungen. Es spielte sich laut dem Experten ein „erbitterter Storchenkampf“über eine halbe Stunde ab. Das Weibchen war zu der Zeit gerade nicht anwesend, sondern auf Nahrungssuche.
Alter und Herkunft unbekannt
Die letztjährige Gemahlin des männlichen Storchs verstarb vergangenes Jahr an einer Vergiftung durch ein steckengebliebenes Ei im Eileiter, wie eine tiermedizinische Untersuchung ergab. Die jetzige Partnerin des Storchs ist unberingt, Alter und Herkunft sind daher unbekannt. Der Nachwuchs des Paares schlüpfte etwa am 5. Mai dieses Jahres, eine Woche später konnte man drei Jungvögel beobachten. Am Mengener Maifest, so Stützel, waren es noch zwei Jungvögel, ab Anfang Juni nur noch einer. Diesen hat Ute Reinhard nun beringt, zusammen mit ihrer Helferin Imke Kiefer aus Tettnang. Dietmar Bleicher, von Beruf Zimmermann und darüber hinaus auch Gemeinderat in Hohentengen, übernahm den mutigsten Part und stieg auf das Dach der Kirche, um das Jungtier aus dem Nest zu holen und zu Ute Reinhard zu bringen, die auf dem Dachboden des Kirchenturms wartete.
2,7 Kilogramm wog das Jungtier. Das sei etwas wenig für sein jetziges Alter, sagte Reinhard. Auch mit dem Zustand des Gefieders war sie nicht ganz zufrieden. „Er ist etwas unterentwickelt“, schlussfolgerte sie, zeigte sich aber optimistisch, dass das Tier überlebt. Dass es überaus lebhaft ist, das erfuhr wiederum Dietmar Bleicher: Er berichtete lächelnd davon, dass das Jungtier etwas „gegiftet“habe, als er nach ihm griff, um es in eine Tüte zu verfrachten.
Bereits seit Jahrzehnten brüten Störche auf der Martinskirche. Wie Manfred Stützel berichtete, habe es in der Zeit von 1948 bis 1981 im Schnitt 2,4 Jungstörche pro Jahr, die flügge wurden, gegeben. Im Zeitraum 1994 bis 2016 seien es dagegen nur noch 1,2 flügge Jungtiere pro Jahr gewesen. Es gebe hier eine prozentuale Abnahme von 50 Prozent, stellte Stützel fest. „In unseren heutigen, oft großflächig genutzten Ackerlandschaften, findet der Weißstorch kaum genügend Nahrung, um sich selbst oder gar seine ganze Storchenfamilie zu ernähren“, ergänzte Stützel. „Ein optimaler Brutplatz weist Grünland in unmittelbarer Nähe zum Neststandort auf.“