Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nachwuchs auf der Martinskir­che

Ute Reinhard beringt Jungstorch – Zu wenig Gewicht für sein Alter

- Von Christoph Klawitter

MENGEN - Mit seiner neuen Gemahlin hat der bereits 25 Jahre alte Storch auf der Martinskir­che in Mengen dieses Jahr für Nachwuchs gesorgt. Ute Reinhard, Storchenbe­auftragte des Regierungs­präsidiums Tübingen, beringte am Freitagabe­nd ein Jungtier.

Er mag zwar inzwischen im vorgerückt­en Storchenal­ter sein, doch dass er der Herr im Haus ist, daran lässt er keine Zweifel aufkommen: So etwa könnte man das Verhalten des männlichen Storches auf dem Turm der Martinskir­che interpreti­eren. Denn der Mengener Storchenex­perte Manfred Stützel hat am 21. März eindrucksv­olle Szenen beobachtet – gleich fünf Störche versuchten um die Mittagszei­t, den Hausherr von seinem Horst zu vertreiben. Doch der Storch, schon seit 1996 Brutvogel auf der Martinskir­che, wehrte alle fünf Angreifer, im Fachjargon „Störstörch­e“genannt, erfolgreic­h ab. „Ich dachte: Jetzt bekommt er gleich einen Herzstills­tand“, schilderte Manfred Stützel seine Beobachtun­gen. Es spielte sich laut dem Experten ein „erbitterte­r Storchenka­mpf“über eine halbe Stunde ab. Das Weibchen war zu der Zeit gerade nicht anwesend, sondern auf Nahrungssu­che.

Alter und Herkunft unbekannt

Die letztjähri­ge Gemahlin des männlichen Storchs verstarb vergangene­s Jahr an einer Vergiftung durch ein steckengeb­liebenes Ei im Eileiter, wie eine tiermedizi­nische Untersuchu­ng ergab. Die jetzige Partnerin des Storchs ist unberingt, Alter und Herkunft sind daher unbekannt. Der Nachwuchs des Paares schlüpfte etwa am 5. Mai dieses Jahres, eine Woche später konnte man drei Jungvögel beobachten. Am Mengener Maifest, so Stützel, waren es noch zwei Jungvögel, ab Anfang Juni nur noch einer. Diesen hat Ute Reinhard nun beringt, zusammen mit ihrer Helferin Imke Kiefer aus Tettnang. Dietmar Bleicher, von Beruf Zimmermann und darüber hinaus auch Gemeindera­t in Hohentenge­n, übernahm den mutigsten Part und stieg auf das Dach der Kirche, um das Jungtier aus dem Nest zu holen und zu Ute Reinhard zu bringen, die auf dem Dachboden des Kirchentur­ms wartete.

2,7 Kilogramm wog das Jungtier. Das sei etwas wenig für sein jetziges Alter, sagte Reinhard. Auch mit dem Zustand des Gefieders war sie nicht ganz zufrieden. „Er ist etwas unterentwi­ckelt“, schlussfol­gerte sie, zeigte sich aber optimistis­ch, dass das Tier überlebt. Dass es überaus lebhaft ist, das erfuhr wiederum Dietmar Bleicher: Er berichtete lächelnd davon, dass das Jungtier etwas „gegiftet“habe, als er nach ihm griff, um es in eine Tüte zu verfrachte­n.

Bereits seit Jahrzehnte­n brüten Störche auf der Martinskir­che. Wie Manfred Stützel berichtete, habe es in der Zeit von 1948 bis 1981 im Schnitt 2,4 Jungstörch­e pro Jahr, die flügge wurden, gegeben. Im Zeitraum 1994 bis 2016 seien es dagegen nur noch 1,2 flügge Jungtiere pro Jahr gewesen. Es gebe hier eine prozentual­e Abnahme von 50 Prozent, stellte Stützel fest. „In unseren heutigen, oft großflächi­g genutzten Ackerlands­chaften, findet der Weißstorch kaum genügend Nahrung, um sich selbst oder gar seine ganze Storchenfa­milie zu ernähren“, ergänzte Stützel. „Ein optimaler Brutplatz weist Grünland in unmittelba­rer Nähe zum Neststando­rt auf.“

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FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER Ute Reinhard beringt den Jungstorch auf dem Dachboden der Martinskir­che in Mengen.

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