Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Stimmung ist wieder gut bei der FIFA
Generalsekretärin Samoura: „Keine solide Grundlage“, WM-Vergaben infrage zu stellen
KASAN/ZÜRICH (dpa/SID) - Jetzt wird bei der FIFA wieder getanzt. Am Tag nach der Veröffentlichung des Garcia-Reports schaltete man beim Fußball-Weltverband in den Party-Modus. Die schweren Zeiten der Korruptionsvorwürfe sind von der FIFA-Spitze um Gianni Infantino für beendet erklärt, das neue Aufregerthema Doping wird in alter Tradition erst einmal relativiert.
Während die lange hart kritisierten Turniergastgeber Russland und Katar ihre Genugtuung über den WM-Freibrief für 2018 und 2022 mit teils hämischen Kommentaren nicht verbergen wollten, ließ sich Fatma Samoura zu einer ungewöhnlichen Tanzeinlage animieren. In Kasan drehte die FIFA-Generalsekretärin wenige Stunden vor dem Halbfinale des Confed Cups zwischen Portugal und Chile bei einem Termin ein paar schwungvolle Runden mit Turniermaskottchen Zabivaka, einem russischen Wolf mit drolliger Brille.
Die Botschaft war klar: Die Stimmung ist wieder gut beim FußballWeltverband. Und sie soll es auch bleiben, ungeachtet der scharfen Kritik der von auf Infantinos Geheiß im Mai abgelösten ehemaligen Ethikchefs Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbely. Die Topjuristen warfen Infantino und Co. vor, mit der Veröffentlichung des Garcia-Berichts sogar gegen geltendes FIFA-Recht verstoßen zu haben.
Die Nachricht des Tages ist für den Fußball-Weltverband eine andere: Aufgrund des nach mehr als zweieinhalb Jahren doch veröffentlichten Untersuchungsberichts des einstigen Chefermittlers Michael Garcia „gibt es keine solide Grundlage, die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland und Katar infrage zu stellen“, sagte Samoura nach dem Tanz mit dem Wolf. Ihr Chef Infantino war da gerade im Anflug auf Kasan. Offiziell wurde die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts von der neuen Ethikspitze – Maria Claudia Rojas und Vassilios Skouris – veranlasst, aber der Einfluss des FIFA-Präsidenten auf die plötzlich offensive Taktik ist unumstritten.
Der Schachzug erscheint clever, denn die internationalen Reaktionen geben Infantino letztlich recht. Der FIFA fehlt der Beweis für eine klare Einflussnahme aus Katar und Russland auf zumindest mehrere korrumpierbar erscheinende Wahlmänner.
In Katar reagierte man relativ sachlich auf die für die WM-Macher gute Nachricht. „Wir glauben, dass das Ausmaß unserer Kooperation bei der Untersuchung und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen eine Rechtfertigung der Integrität unserer Bewerbung sind“, hieß es. Die Mitteilung war so kurz, dass es erschien, als wollte man bloß kein Staub mehr aufwirbeln. Die Details im Garcia-Bericht belegen nämlich wohl, dass Millionen in die Taschen von FIFA-Funktionären flossen. Nur als Quelle war das WM-Organisationskomitee nicht nachweisbar zu identifizieren.
Vorwürfe an „westliche Medien“
Viel lauter als die Katarer kamen die Russen daher. „Wir haben nichts getan, was gegen den Ethikcode oder die allgemeinen Normen und Grundsätze der Bewerbungsregeln verstoßen hat“, sagte Multifunktionär Witali Mutko. Für seinen engsten Mitarbeiter Alexej Sorokin war der Schuldige für die Verdächtigungen schnell ausgemacht: „Man sollte die Schlussfolgerungen des Berichts zur russischen Bewerbung lesen, um zu sehen, dass alle Anschuldigungen durch westliche Medien unbegründet sind.“Auch der von Präsident Wladimir Putin protegierten Kandidatur ist nichts nachzuweisen, was einen WM-Entzug ermöglicht, eventuell, weil die Computer des Organisationskomitees zerstört wurden.
Auf Hypothesen aber konnte Michael Garcia keine Anklage gründen.