Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Noch einmal Edelhelfer
Der Ravensburger Radprofi Emanuel Buchmann kommt in Topform zur Tour de France
RAVENSBURG - Radprofi Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe) ist keiner, der großmundig Siege ankündigt. Der Ravensburger Bergspezialist arbeitet lieber hart und lässt Taten sprechen. Wenn er bescheiden sagt „mit meiner Form kann ich mehr als zufrieden sein“, darf man sicher sein, dass er zu Großem fähig ist. Buchmann hatte bisher ein exzellentes Jahr, gilt als die zukünftige deutsche Hoffnung auf einen Gesamtsieg bei einer der großen Rundfahrten und kommt in Topform zur 104. Tour de France, die am heutigen Samstag mit einem Einzelzeitfahren in Düsseldorf beginnt.
„Ich bin richtig gut über den Winter gekommen“, sagt Buchmann im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Platz 21 bei der Tour und Platz 14 bei den Olympischen Spielen in Rio standen für den 24-Jährigen 2016 zu Buche. Weltspitze, könnte man meinen – aber längst nicht das Ende der Fahnenstange für den Ravensburger. Schon bei der Etappenrundfahrt Paris-Nizza hatte Buchmann Anfang März dieses Jahres ein sehr gutes Gefühl, wurde aber durch einen Sturz auf der ersten Etappe gebremst. Eine Woche Pause wegen einer Knieverletzung, der einzige wirkliche Rückschlag in dieser Saison. Platz 13 bei der Baskenland-Rundfahrt Anfang April, Platz sieben bei der „Tour of the Alps“– die Resultate wurden immer besser. Bei der Tour de Romandie wurde Buchmann Dritter der Königsetappe und Zehnter im Gesamtklassement. „Das war schon richtig gut“, sagt er. Im Höhentraining in Osttirol wurde zusammen mit dem Team gearbeitet, „da habe ich nochmal einen guten Schritt nach vorne gemacht“.
Zuletzt viel Selbstvertrauen geholt
Für einen Paukenschlag sorgte Buchmann beim Critérium de Dauphiné, als er als bester Nachwuchsfahrer das Weiße Trikot eroberte und in einem starken Feld Gesamtsiebter wurde: „Ich konnte mit den besten Fahrern der Welt mithalten“, sagt er über den Erfolg bei der Generalprobe für die Tour. Ein neues Gefühl für den Borahansgrohe-Profi, denn bisher war die Riege um Froome, Bardet, Valverde und Contador meist einen Schritt voraus. „Dieses Mal war es anders.“Vor allem auf der knallharten Schlussetappe über 115 Kilometer mit drei Bergwertungen und einem drei Kilometer langen Schlussanstieg glänzte der Ravenburger und wurde Vierter. „Das war ein sehr wichtiges Rennen, das mir Selbstvertrauen gegeben hat.“
Bei den Deutschen Meisterschaften schließlich deklassierte Buchmann zusammen mit Marcus Burghardt die Konkurrenz und schenkte seinem Teamkollegen beim Heimrennen den Sieg: „Wir sind am Ende nicht mehr voll ausgefahren, Marcus durfte gewinnen.“Bemerkenswert, dass Buchmann auch auf einer relativ einfachen und flachen Strecke ganz vorne dabei war, an einem Tag, an dem er seine immensen Qualitäten am Berg gar nicht ausspielen konnte.
Jetzt, im dritten Profijahr, zum dritten Mal die Tour de France zu fahren sei „nicht selbstverständlich“. Vorfreude, aber auch Respekt mischen sich in seiner Gefühlslage. „Drei Wochen sind lang und hart, man weiß nie, wie es endet.“Die Freude gründet sich zum einen auf die eigene Form, zum anderen auf das starke Team, das Bora-hansgrohe in diesem Jahr aufbietet. Im Slowaken Peter Sagan setzt man auf den zweifachen Straßenweltmeister, der zuletzt fünfmal in Folge als bester Sprinter das grüne Trikot bei der Tour geholt hat. Und in Rafal Majka auf den besten Bergfahrer der vergangenen Tour.
Die Lokomotive für Rafal Majka
Und hier kommt Buchmann ins Spiel, dem die Aufgabe als wichtigster Majka-Helfer zukommt. Das eigene Resultat tritt in den Hintergrund: „Ich werde für Rafal unterwegs sein.“Vor allem bei den schweren Bergetappen soll Buchmann Majka ziehen, „Wasser holen, ihn auf die richtige Position fahren“– Helferdienste eben. „Wir sind ein gutes Team“, sagt Buchmann, in Sagan habe man jetzt den Mann für die Sprints und die mittelschweren Etappen und eben Majka für die Gesamtwertung. Auch die Helfer seien gut drauf. Neben Buchmann sind der Pole Pawel Poljanski und der Australier Jay McCarthy für Majkas „Bergteam“vorgesehen. Die anderen sollen Sagan für die Sprintetappen in Position fahren. „Wir werden das sicher gut hinbekommen“, sagt Buchmann zur Aufgabe, sowohl für Etappensiege als auch fürs Klassement zu fahren.
Aufgrund seiner Aufgabe als Helfer ist auch das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers kein Thema. „Aber in drei Wochen weiß man nie, was passiert“, sagt Buchmann. Der Ravensburger hofft, dass er in der zweiten oder dritten Woche mal bei einer Bergetappe in die Spitzengruppe gehen und um einen Etappensieg kämpfen darf. Wie schnell man in die Verantwortung kommt, zeigte die Tour 2015, als Buchmann plötzlich Kapitän wurde, nachdem Dominik Nerz hatte aufgeben müssen. Besprochen sei da nichts, sagt Buchmann, aber die Gesetze im Radsport sind eben klar. Wenn der Kapitän nicht kann, übernimmt der Nächstbeste.
Auch mit seinen Leistungen beim Zeitfahren ist Buchmann zufrieden. „Solide“nennt er die Ergebnisse, grundsätzlich will sich Buchmann ja weiter in Richtung kompletter Rundfahrer entwickeln – und irgendwann mehr sein als nur ein Edelhelfer.