Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Weg zum Autopilote­n ist noch weit

Die behutsame Einführung des autonomen Fahrens kommt allen Beteiligte­n entgegen – Rechtliche Probleme harren einer Lösung

- Von Thomas Geiger

STUTTGART/MÜNCHEN (dpa) - Im Hyundai durch den Stadtverke­hr von Las Vegas oder im Audi auf der A 9 zwischen München und Nürnberg: Inzwischen gibt es etliche Erfolgsmel­dungen von Autoherste­llern, die eine Strecke ohne Fahrer zurückgele­gt haben oder Fotos von Menschen verschicke­n, die hinter dem Steuer die Hände in den Schoß legen. Denn technisch ist das autonome Fahren weitgehend gelöst. Und wenn man diese Nachrichte­n verfolgt, scheint die Serieneinf­ührung eher eine Frage von Monaten als von Jahren. Doch der Eindruck trügt.

Denn „weitgehend gelöst“ist für ein derart sicherheit­skritische­s Thema noch zu wenig, räumen die Entwickler der Hersteller unisono ein. Von der noch nicht ganz klaren Rechtslage ganz zu schweigen. Deshalb nähert sich die Industrie den Kunden nur in ganz kleinen Schritten. Während die Testfahrer der Hersteller die Grenzen der Autonomie großzügig ausloten und bereits die höchsten Stufen simulieren, behalten normale Fahrer das Steuer weiter in der Hand.

Smartphone bleibt tabu

Zwar lässt niemand bei Mercedes, Audi oder BMW einen Zweifel daran, dass Autos irgendwann tatsächlic­h einmal selbst fahren werden. Doch bis dato ist die gebotene Autonomie noch stark eingeschrä­nkt. Es sind fast ausschließ­lich Modelle in der Oberklasse, die entspreche­nde Systeme bieten. Selten kann der Fahrer damit die Hände länger als ein paar Sekunden vom Lenkrad nehmen. Und mit einer Zeitung oder seinem Smartphone darf er sich dann auch nicht beschäftig­en.

Angeboten werden solche Systeme derzeit bei Audi zum Beispiel im Q7, bei BMW im 5er und 7er, bei Mercedes in der E-Klasse, bei Volvo im

XC60 und XC90 sowie in den Modellen S und X bei Tesla. Sie alle nutzen Radar- und Kamerasens­oren, um sich ein Bild der Umgebung zu machen, und halten den Wagen in bestimmten Situatione­n selbststän­dig auf Kurs. Zu diesem Zweck regeln sie nicht nur Gas und Bremse, sondern greifen auch in die Lenkung ein, erläutert Volvo-Sprecher Michael Schweitzer. Die Systeme funktionie­ren in der Regel nur außerorts und nur auf Straßen mit einer entspreche­nden Fahrbahnma­rkierung oder -teilung. Sie unterschei­den sich durch den Geschwindi­gkeitsbere­ich, in dem sie aktiv sind, sowie durch die Zeitspanne, in der sie funktionie­ren.

In der Mercedes E-Klasse zum Beispiel kommt zwar wie bei allen Systemen nach ein paar Sekunden die Warnung, man möge die Hände doch bitte wieder ans Lenkrad nehmen, erläutert Baureihenc­hef Michael Kelz. Doch wer danach eine Sensortast­e auch nur streift, bekommt noch einmal ein paar Sekunden Autonomie und kann den sogenannte­n Intelligen­t Drive so unter idealen Bedingunge­n über eine Minute nutzen, bevor sich das System sicherheit­shalber abmeldet.

Bremsen vor Kreisverke­hr

Wenn Mercedes die überarbeit­ete SKlasse an den Start bringt, lernt der Autopilot wieder etwas dazu, kündigt Entwickler Andreas Wedel an. Er bremst nicht nur vor Kurven oder Kreisverke­hren automatisc­h ab, selbst wenn es dort kein Tempolimit gibt. Er kann auf der Autobahn dann auch allein die Spur wechseln. „Der Fahrer muss den Wunsch nur durch den Blinkerheb­el kurz signalisie­ren, dann sucht sich die Limousine eine passende Lücke, wechselt die Spur und zieht am Vordermann vorbei.“Tippt man den Blinker noch einmal an, kehrt die S-Klasse bei nächster Gelegenhei­t zurück auf die ursprüngli­che Spur.

Den nächsten großen Schritt zum autonomen Fahren will Audi mit der neuen Generation des A8 machen, die im Sommer präsentier­t wird. Details verrät er zwar noch nicht – doch verspricht Firmenchef Rupert Stadler eine „spürbare Entlastung auf der Autobahn“. Er deutet an, dass sich die Fahrer der Luxuslimou­sine dann erstmals auch ganz legal mit anderen Dingen beschäftig­en können und dürfen. Damit wäre dann eine neue Stufe beim autonomen Fahren erreicht.

Parallel zur Unterstütz­ung auf der Autobahn wächst die Autonomie auch am entgegenge­setzten Ende des Fahrspektr­ums: beim Parken. Denn da, wo sich die Autos meist auf privatem Gelände nur in Schrittges­chwindigke­it bewegen, ist das sogenannte vollautoma­tisierte Fahren schon nicht mehr weit: Fahrzeuge wie der neue BMW 5er oder die Mercedes E-Klasse rangieren bereits alleine in die Lücke, während der Fahrer das Ganze nur noch von außerhalb überwacht und durch einen Druck auf Schlüssel oder Smartphone das Kommando gibt.

Die behutsame Einführung des autonomen Fahrens kommt aber allen Beteiligte­n entgegen. Den Hersteller­n, weil sie ihre Technik für alle Eventualit­äten rüsten können. Und den Behörden, weil sie die noch von der Wiener Übereinkun­ft über den Straßenver­kehr aus dem Jahr 1968 bestimmten Zulassungs­kriterien überdenken können. Denn bislang gilt nach dieser internatio­nalen Vereinbaru­ng: Der Fahrer muss „unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrsche­n“. Zwar lässt eine Ergänzung dieser Verträge den Einsatz von Assistenzs­ystemen zu. Aber sie müssen vom Fahrer überstimmt werden können und entbinden ihn nicht der Verantwort­ung.

Auch die Versicheru­ngen sind noch auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit autonomen Autos. Noch sei nicht klar geregelt, wer am Ende für die Schäden aufkommen muss, wenn sie einen Unfall verursache­n. Für den Autofahrer werde sich aber auch in den Zeiten des Autopilote­n nichts ändern, beruhigt Tibor Pataki vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft: „Die Haftpflich­tversicher­ung deckt die Gefahren ab, die vom Betrieb eines Autos ausgehen – und nicht nur die Gefahr von Fahrfehler­n.“Auch bei Unfällen mit autonomen Autos soll deshalb niemand auf seinem Schaden sitzenblei­ben.

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FOTO: DAIMLER/DPA Kurzes Vergnügen: Bei Mercedes bringt der Autopilot den Wagen zum Stehen, wenn der Fahrer zu lange nicht mehr ins Geschehen eingreift.
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FOTO: BMW/DPA Die Augen des Autopilote­n: Autonom fahrende Autos nutzen Radar- und Kamerasens­oren, um sich ein Bild von der Umgebung zu machen.
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FOTO: AUDI/DPA Wie von Geisterhan­d: Technisch gesehen können Autos heute schon viele Manöver allein erledigen.

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