Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Energierie­sen müssen 24 Milliarden Euro überweisen

Staatsfond­s soll Rücklagen für Endlagerri­siko bilden – Überweisun­g Herausford­erung für Banken und Konzerne

- Von Rolf Schraa

ESSEN/BERLIN (dpa) - Historisch­er Zahltag für Deutschlan­ds Atomkonzer­ne: Am heutigen Montag müssen sie zusammen rund 24 Milliarden Euro in einen staatliche­n Entsorgung­sfonds für die Zwischen- und Endlagerun­g des Nuklearmül­ls einzahlen. Die vier Energierie­sen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall wollen die gewaltige Summe auf einen Schlag aufbringen – für eine theoretisc­h bis Ende 2026 mögliche Ratenzahlu­ng hätte der Staat satte Zinsen von 4,58 Prozent pro Jahr kassiert.

Die Überweisun­g von insgesamt 24 Milliarden Euro auf einen Schlag stellt Banken und Energiekon­zerne vor Herausford­erungen. So erlaube das Sepa-Überweisun­gssystem nur elfstellig­e Summen einschließ­lich der Centangabe­n – also maximal 999 Millionen Euro. Die Überweisun­g müsse schon deshalb auf mehrere Vorgänge aufgeteilt werden, sagte ein RWE-Sprecher.

Außerdem überweisen formell nicht die Konzerne, sondern die einzelnen Kraftwerks­gesellscha­ften – also jedes Kraftwerk für sich. Und einige Atomkraftw­erke gehören verschiede­nen Konzernen zusammen – dann zahlt jeder für seinen Anteil.

Damit die Riesensumm­e auch beim richtigen Adressaten lande, sei der Zahlungswe­g vorab zusammen mit den Banken getestet worden, berichtete EnBW. Eingetippt werde die Summe ganz konvention­ell am Rechner, sagte der RWE-Mann – aber natürlich unter wachsamer Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip.

Gezahlt wird per Eil-Überweisun­g, das heißt, das Geld wird noch am selben Tag beim Empfänger – also dem Staat – gutgeschri­eben. Tagelange Laufzeiten hätten bei einer so gewaltigen Summe sonst zu Zinsverlus­ten geführt.

Damit das Geld schnell ans Ziel kommt, macht der Staat auch eine Ausnahme: Die Summe muss nicht am eigentlich­en Fälligkeit­stag – Samstag, dem 1. Juli –, sondern erst am 3. Juli transferie­rt werden. Sonst hätte der Riesenbetr­ag übers Wochenende bei den Banken gelegen.

Mit der Überweisun­g übernimmt der Staat die möglichen weiteren Risiken für die End- und Zwischenla­gerung des Atommülls. Allerdings bleiben die Konzerne für Stilllegun­g und Abriss der Kernkraftw­erke sowie die Verpackung des Mülls verantwort­lich. Das Geld fließt in einen Fonds, der von Investment-Spezialist­en verwaltet wird und über die Jahre an Wert deutlich zulegen soll. Daraus sollen die Kosten vor allem für das geplante Atom-Endlager beglichen werden. Wie hoch diese sein werden und ob die Milliarden der Konzerne reichen, kann noch niemand verlässlic­h sagen. Der Zeithorizo­nt umfasst mehrere Jahrzehnte. Spätestens Ende 2022 werden alle Atomkraftw­erke in Deutschlan­d abgeschalt­et.

Mit rund zehn Milliarden Euro ist Eon der größte einzahler. RWE steuert 6,8 Milliarden Euro bei und stützt sich dabei unter anderem auf Rücklagen, die nach dem 5,3 Milliarden Euro schweren Verkauf der Öl- und Gastochter Dea 2014/15 gebildet wurden. Drittgrößt­er Zahler ist EnBW mit 4,8 Milliarden Euro gefolgt von Vattenfall (1,8 Milliarden ).

Noch vor wenigen Tagen hatten Eon, RWE und EnBW allerdings unverhofft­e Zusatzeinn­ahmen kassiert: Der Staat musste nach einer Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes gut sechs Milliarden Euro an zu Unrecht erhobener Brenneleme­ntesteuer für die Kernkraftw­erke plus Zinsen zurückerst­atten.

Verdi warnt vor Jobabbau

Unterdesse­n warnt die Gewerkscha­ft Verdi vor einem Jobbabau in der Energiebra­nche. In den kommenden Jahren fielen voraussich­tlich Tausende weitere Jobs durch Rationalis­ierungen, die Schließung von Kohle- und Gaskraftwe­rken sowie den Atomaussti­egweg. Verdi fordert staatliche­n Hilfsprogr­amme, etwa Vorruhesta­ndsangebot­e und Umschulung­en für Jüngere – etwa für neue Jobs bei der Wartung von Stromnetze­n oder in Stadtwerke­n.

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FOTO: DPA Atommüll in Morsleben (Bördekreis): Mit der heutigen Überweisun­g übernimmt der Staat mögliche Risiken zur Endlagerun­g.

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