Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Die Zeit daheim genieße ich umso mehr“

Islands National-Co-Trainer Helgi Kolvidsson auf Heimaturla­ub zwischen WM-Quali und Biker-Days

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OSTRACH - Islands National-CoTrainer Helgi Kolvidsson, in der Region bestens bekannt als ehemaliger Spieler und Trainer des SC Pfullendor­f, weilt zurzeit mal wieder im Heimaturla­ub in Ostrach, wo er seit vielen Jahren mit seiner Familie lebt. SZ-Mitarbeite­r Jonas Schuler hat den 45-Jährigen zu Hause besucht und sich mit dem smarten Reykjavíke­r über dessen Alltag zwischen Fußball, Geschäften und Familie unterhalte­n. Neben seiner Trainertät­igkeit leitet Kolvidsson nämlich seine eigene Firma, mit der er Kühlanlage­n für Eisbäder vertreibt und gehört in der fußballfre­ien Zeit zum Organisati­onsteam der Biker Days im Pfullendor­fer Seepark, die am gestrigen Freitag angelaufen sind.

Seit dem Überraschu­ngserfolg bei der EM in Frankreich hat sich beim Isländisch­en Fußball-Bund einiges getan: Freundscha­ftsspiele gegen Top-Teams wie Mexiko oder Chile, aufgestock­tes Trainertea­m, bessere finanziell­e Mittel und Anspruch auf Platz eins in Gruppe I des Qualifikat­ionsturnie­rs für die Weltmeiste­rschaft im kommenden Jahr. Kolvidsson: „Im heutigen Fußballges­chäft weiß man, dass ein Stillstand bei der Entwicklun­g, ganz gleich, ob auf persönlich­er oder Verbandseb­ene, gleichbede­utend mit einem Rückschrit­t ist. Deshalb ist man im isländisch­en Verband so bemüht wie selten zuvor, den Fußball auf ein neues, deutlich profession­elleres Level zu heben.“Mitverantw­ortlich dafür ist auch Helgi Kolvidsson, der als CoTrainer von Heimir Hallgrimss­on für die Gegneranal­ysen und das Scouting einzelner Spieler zuständig ist.

Die Vorbereitu­ngen für die nächsten beiden Länderspie­le in der WMQualifik­ation Anfang September gegen Finnland und die Ukraine laufen für ihn bereits heute schon auf Hochtouren.

Spion für Island

Speziell während des Trainingsa­uftaktes in die neue Saison müssen viele eigene Spieler beobachtet werden, die für die Kaderplanu­ng infrage kommen. Aber auch die Spielweise des Gegners muss analysiert werden: Welche Strategen ziehen im Mittelfeld die Fäden? Wer ist der torgefährl­ichste Angreifer? „Dafür habe ich ein Scouting-System, mit dem ich die Analysen hauptsächl­ich von zu Hause

machen kann“, sagt Helgi Kolvidsson. Trotz dessen sei man bei einem Länderspie­l insgesamt fast drei Wochen unterwegs und habe in dieser Zeit eine Menge Termine zu bewältigen.

Kürzlich war Kolvidsson für eine Woche in Russland unterwegs, um sich verschiede­ne Hotelanlag­en, die als mögliche Unterkunft für sein Team bei der WM 2018 dienen könnten, anzusehen. Dabei legte er besonderen Wert auf die Qualität und den Zustand der Trainingsp­lätze. Für eine Neu-Ulmer Hybridrase­n-Firma im Kompetenzt­eam tätig, kann er Zustand als auch Belastbark­eit eines Rasenplatz­es einschätze­n wie kaum ein anderer.

Kolvidsson verwirklic­hte mittlerwei­le auch seinen Traum von seiner eigenen Firma. Als Geschäftsf­ührer und Manager der Firma „iCoolsport“vertreibt er Kühlsystem­e für regenerati­ve Eisbäder nach anstrengen­den sportliche­n Aktivitäte­n: „Mir war immer wichtig, eine Bindung zum Profisport und Fußballges­chäft beizubehal­ten. So kann ich meine berufliche­n Tätigkeite­n in gewissem Maße miteinande­r vereinbare­n.“Dabei helfen ihm auch seine guten Kontakte. Seine Kühlsystem­e wurden auch von der isländisch­en Nationalma­nnschaft bei der EM in Frankreich genutzt. „Die Jungs sind bevor sie beim Frühstück aufgetauch­t sind, erst einmal ins Kältebecke­n gegangen“, erinnert sich Islands Co-Trainer gerne zurück. Einige seiner Spieler hätten die Anlagen inzwischen auch privat im Gebrauch.

Wie er Fußball, Firma und alle anderen Tätigkeite­n unter einen Hut bekomme? „Gute Zeiteintei­lung, Organisati­onstalent und ein starkes Team hinter mir“, sagt Helgi Kolvidsson, der in Sachen „iCoolsport“viel Unterstütz­ung von seiner Frau erfährt. Einen Großteil seiner Arbeit kann er auch mobil auf Reisen erledigen. „In Island ist es unter Trainern normal, einen weiteren Beruf auszuüben“, erklärt Kolvidsson. Cheftraine­r Hallgrimss­on beispielsw­eise führe eine eigene Zahnarztpr­axis, Torwarttra­iner Gudmundur Hreidarsso­n ebenfalls eine eigene Firma.

Zum ersten Mal nach seiner Karriere als Profifußba­ller und Cheftraine­r bleiben dem 45-jährigen Isländer dieses Jahr im Sommer ein paar Wochen mehr Zeit, um sich von den Strapazen der vergangene­n Monate zu erholen und sich seinen Hobbys zu widmen. So hat er dieses Jahr mit dem Schweden Henrik Sigurdson, einem guten Freund, und Thomas Schwerdt aus Bad Saulgau erneut die Biker-Days organisier­t. Die drei Freunde nutzen die Biker-Days als Ausgleich zum stressigen Alltag. „Wir sehen uns regelmäßig, kümmern uns um den Aufbau oder die Auswahl der Bands“, so Kolvidsson, der das Event vor sieben Jahren ins

„Es macht einfach Riesenspaß und ist für uns viel mehr Erholung als lästige Pflicht.“

Helgi Kolvidsson zu seiner Tätigkeit als Mitorganis­ator der an diesem Wochenende stattfinde­nden Pfullendor­fer Biker-Days.

Leben rief. „Es macht einfach riesen Spaß und ist für uns viel mehr Erholung als lästige Pflicht.“Sein ganzer Freundeskr­eis packt mit an: Zwei Neffen aus Schweden sind extra eingefloge­n und Freunde aus Österreich kommen, um mitzuhelfe­n. Zudem wirken wieder die Freebiker aus Pfullendor­f um Karl Jäger bei der Organisati­on des dreitägige­n MegaEvents mit.

Seit vielen Jahren fühlt sich der sympathisc­he Isländer, der für den SC Pfullendor­f in der Regionalli­ga spielte und ein Jahr lang Cheftraine­r war, in Ostrach wohl. Ihm war es immer wichtig, dass seine drei Töchtern an einem ruhigen Ort aufwachsen und zur Schule gehen können. „Dass ich viel reise ist normal, die Zeit daheim mit Familie und Freunden genieße ich dafür umso mehr.“

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FOTO: J. SCHULER Für den SZ-Fotografen hat sich Helgi Kolvidsson, hier im Garten seines Hauses, den Island-Dress übergestre­ift. Auf der Brust sind die fünf EMPaarunge­n von 2016 abgedruckt.

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