Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
FDP-Parteitag ohne Ruck
Knapp 90 Prozent für Theurer – Liberale sehen Elektromotor nicht als Heilsbringer
KARLSRUHE - Der Spitzenkandidat der baden-württembergischen FDP Michael Theurer ist beim Parteitag am Samstag in Karlsruhe als Landeschef bestätigt worden. Auch alle anderen Vorstandsmitglieder konnten sich über eine Wiederwahl freuen. Jubelstimmung wollte dennoch nicht so richtig aufkommen.
Die Lichter in der Karlsruher Schwarzwaldhalle erlöschen. Auf einer Leinwand flackern SchwarzWeiß-Bilder mit Nachrichten-Überschriften zu einem möglichen Fahrverbot für Dieselfahrzeuge und Online-Überwachung. Dazu dramatische Klassik-Musik. Wer sich gegen solche Eingriffe durch den Staat wehren will, muss bei der Bundestagswahl im September die FDP wählen – so die klare Botschaft, die von diesem Video, vom gesamten Parteitag im Südwesten ausgehen soll.
Kritik an der Mütterrente
Ins Detail geht der Landesvorsitzende und Noch-Europaabgeordnete Michael Theurer. „Wir sind wieder auf dem Weg der Stabilisierung“, sagt er über den Zustand seiner Partei, die 2013 aus dem Bundestag geflogen ist. Der 50-Jährige hält seine 45-minütige Rede frei, blickt nur ab und an auf sein Redemanuskript. Bei der nächsten Bundestagswahl im September „geht es um die Frage, ob wir den Mehltau der Großen Koalition abschütteln können“. Für ihn heißt das: keine Steuergeschenke wie die Mütterrente, verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der EU – etwa einen grenzüberschreitenden 5G-Standard im Mobilfunknetz – und kein Verfallsdatum für Verbrennungsmotoren, wie es die Grünen fordern. Während die Ökopartei in Elektroautos die Zukunft sähen, sagt Theurer: „Ich glaube das nicht.“Noch zu viele ungeklärte Fragen gebe es. Als Beispiel nennt er die schädigenden Folgen für die Umwelt beim Abbau von Lithium, das für die Akkus gebraucht würde.
Theurer zeichnet seine Partei als die Stütze des „German Mittelstands“, die sich gegen Vermögensund Erbschaftssteuer ausspreche. Und: „Wir kämpfen gegen den Bürokratie-Wahnsinn.“Sein Konzept lautet 40-20-40: Die Staatsquote soll von derzeit 45 auf 40 Prozent sinken, die Steuerquote von 23 auf 20 Prozent und die Sozialausgaben dauerhaft auf 40 Prozent. „Wir sind für eine Steuerreform, die die Mittelschicht entlastet“, ruft Theurer den knapp 400 Delegierten im Saal zu, und holt unter Applaus alle Bundestagskandidaten auf die Bühne.
Bei seiner späteren Wiederwahl bekommt Theurer, der seit 2013 den Landesverband führt, knapp 89 Prozent der Stimmen. „Das ist ein supergutes, ehrliches Ergebnis“, sagt er anschließend der „Schwäbischen Zeitung“. Dass ihm rund sieben Prozent zum Wahlergebnis vor zwei Jahren fehlen, störe ihn nicht. „Mir ist ein exzellentes Ergebnis bei der Bundestagswahl wichtiger.“Klaus Hoher, Landtagsabgeordneter und Bezirksvorsitzender für Bodensee-Oberschwaben, erklärt die geschwundenen Prozentpunkte so: „Der eine oder andere sagt: Der Landesvorsitzende sollte im Land bleiben und nicht nach Berlin gehen.“Hoher selbst hält dieses Argument nicht für schlüssig. „Jetzt ist er ja auch in Europa“so Hoher.
Wer ein Signal des Aufbruchs von diesem Parteitag erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Redebeiträge der Delegierten sind überschaubar, ein wirklicher Ruck bleibt aus. Für einen solchen kann auch nicht die Rede des stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), Ulrich Dietz, sorgen. Dass er, wie auch manch Delegierter, in Michael Theurer Deutschlands künftigen Wirtschaftsminister sieht, will der so Geehrte nicht weiter kommentieren.
Auch auf Marcel Aulila, den langjährigen Vorsitzenden der Jungen Liberalen und Bundestagskandidaten aus Spaichingen für den Wahlkreis Tuttlingen-Rottweil, wirkt die Südwest-FDP an diesem Tag ruhiger als bei vorigen Parteitagen. Es seien auch nur wenige Anträge eingegangen. Er erklärt das, wie etliche andere, mit den subtropischen Temperaturen an diesem Tag in der Rheinschiene. Und er sagt: „Viele stecken schon in der Arbeit für die Bundestagswahl.“
Kraft einteilen
Michael Theurer warnt: „Nach den guten Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dürfen wir jetzt nicht nachlassen.“Vielleicht sehnten sich viele nach Wochen intensiver Arbeit nach der Sommerpause. Auch Benjamin Strasser, der für den Wahlkreis Ravensburg in den Bundestag einziehen will, beschwichtigt: „Meine Einschätzung ist: Unser Leute sind mobilisiert. Man muss sich seine Kraft eben einteilen.“