Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ministerium will die Biotonne durchsetzen
Wie im Kreis Karlsruhe ist auch im Kreis Sigmaringen eine Anordnung geplant – Abgeordnete nicht einer Meinung
SIGMARINGEN - Jetzt wird es also doch ernst: Das baden-württembergische Umweltministerium verpflichtet den Landkreis Karlsruhe, spätestens 2020 flächendeckend die Biotonne einzuführen. Das könnte auch dem Kreis Sigmaringen blühen: „Der Landkreis Sigmaringen und der Alb-Donau-Kreis weigern sich aktuell, eine flächendeckende Bioabfallsammlung einzuführen“, schreibt das Ministerium in einer Pressemitteilung. „Auch in diesen Kreisen sind entsprechende Anordnungen geplant.“
Seit Januar 2015 sind die Landkreise in Baden-Württemberg verpflichtet, die Biotonne einzuführen – der Kreis Sigmaringen wehrt sich dagegen. Vor zwei Jahren stimmten alle 16 Kreisräte des Werksausschusses Kreisabfallwirtschaft dafür, auch künftig keine Biotonne einzuführen. Eine Studie von 2013 hatte gezeigt, dass im Kreis Sigmaringen bereits große Mengen an Bio- und Grünabfällen, beispielsweise durch Kompostierung, getrennt erfasst werden. Die Restmenge an Bioabfall im Restmüll beträgt im Kreis demnach noch 6,6 Kilo pro Jahr und Einwohner – selbst bei Kreisen, die ihren Biomüll getrennt erfassen, sind es 15 bis 20 Kilo. „Wir verfügen bereits über eine gute Grüngutverwertung“, sagte Landrätin Stefanie Bürkle damals. „Mit der Biotonne würden wir unsere Abfallpolitik torpedieren.“
Am Montag gab sich das Landratsamt schmallippig. Der Kreis habe die Pressemitteilung zur Kenntnis genommen, hieß es schriftlich. Die Anhörung setze sich jedoch mit den Verhältnissen im Landkreis Karlsruhe auseinander. „Dem Landratsamt Sigmaringen liegt bislang kein Schreiben vor, sodass wir derzeit in der Sache den Landkreis Sigmaringen betreffend nichts sagen können.“Das könnte sich aber bereits in wenigen Monaten ändern: Umweltminister Franz Untersteller lässt keinen Zweifel daran, dass er die Pflicht zur Mülltrennung auch für die verbleibenden Biotonnen-Verweigerer durchsetzen will. Im Herbst könnte ein entsprechender Brief an den AlbDonau-Kreis gehen und um den Jahreswechsel an den Landkreis Sigmaringen, sagte ein Ministeriumssprecher.
Große Zweifel an der Hygiene
Der Landtagsabgeordnete Klaus Burger (CDU) hält wenig vom Vorgehen des Ministeriums. „Ich denke, man kann es auch übertreiben“, sagt er. „Mit seinem ordnungsrechtlichen Vorgehen gegen einen Landkreis betritt das Umweltministerium Neuland. Ich denke, es geht zu weit.“Er findet, dass die Kreise vor Ort selbst am besten entscheiden können, wie es bei ihnen aussieht. „Die Anforderungen an die Müllentsorgung in großen Städten sind sicher ganz andere als bei uns im ländlich strukturierten Kreis Sigmaringen, wo doch bereits viele einen eigenen Kompost im Garten haben.“Seine Kollegin von den Grünen, Andrea BognerUnden, würde die Einführung der Biotonne hingegen befürworten. „Viele Haushalte kompostieren bereits, viele können das aber leider nicht“, sagt sie. Da man zudem nicht alles kompostieren könne, sei eine Biotonne sinnvoll. „Die Wirtschaftlichkeitsrechnung müssen allerdings andere machen.“
Erhebliche Zweifel an der Hygiene von Biotonnen äußert Anette Herrmann von der Speiseresteverwertung „Pigfit“in Ravensburg. Nach ihren Angaben hat das Unternehmen im Kreis Sigmaringen 150 bis 200 Kunden – insbesondere Gastronomen, die zu einer sachgemäßen Entsorgung ihrer Speisereste verpflichtet sind. „Sie bekommen von uns gereinigte und desinfizierte Behälter, teilweise sind sie sogar gekühlt.“In eine Biotonne könne aber jeder Verbraucher praktisch unkontrolliert seine gammeligen Abfälle werfen. „Was das für die Hygiene bedeutet, kann sich jeder leicht ausrechnen.“