Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Manfred Mai ist überzeugt: Lesen kann Leben retten
Der Winterlinger Autor stellt seinen neuen Kinderroman in der Stadtbücherei vor
GAMMERTINGEN - Bei zwei Lesungen in der Stadtbücherei hat der Winterlinger Autor Manfred Mai „Lena liest ums Leben“vorgestellt. Die vierte Grundschulklasse hörte aufmerksam zu und erfuhr im Gespräch, wie Manfred Mai zum Schreiben kam. Es geht bei „Lena“, seinem vor kurzem erschienenen zweiten Roman für Kinder, um Leben und Tod. Kein einfaches Thema, bei dem jedoch bei aller Dramatik die Hoffnung überwiegt und die Botschaft „Geschichten lesen, kann Leben retten“zentral ist.
Die Lesung wurde von Regio TV teilweise aufgezeichnet. Die Kamera sorgte jedoch nur kurz für Ablenkung, da Manfred Mai die zwei vierten Klassen schnell in seinen Bann ziehen konnte. Er hielt zwei ähnlich aufgemachte Bücher hoch, beide Titelbilder stammen von Quint Buchholz: Das erste, „Wunderbare Möglichkeiten“, zeigt einen Jungen, der mit einem Buch als Fernglas in die weite Welt blickt: Maximilian will alles ganz genau wissen. Das andere Buch, bei dem es ebenfalls ums Lesen geht, zeigt ein Mädchen. Für Mai ist es Lena, die eine Geschichte erlebt, mit der er „schon sehr lange umgegangen“sei: „Das Thema Lesen halte ich für sehr wichtig, sogar lebenswichtig.“Mai, der bei sehr renommierten Verlagen seine zahlreichen Bücher verlegt, konnte dafür jedoch keinen Verlag finden, weil diese eine traurige Geschichte nicht für kindgerecht fanden. Erst beim jungen Fabulus-Verlag stieß er auf Interesse.
Mai inszeniert seine Worte
Der Autor liest vor, er inszeniert seine eigenen Worte mit Mimik und Gestik, lenkt dabei mit der Stimme die Spannung, wenn das glückliche Familienleben durch eine rätselhafte Krankheit bedroht wird. Die Ärzte können dem Vater von Lena nicht mehr helfen. Jetzt hilft nur noch ein Wunder oder eine besondere Medizin. Mai unterbricht die Lesung und beweist mit Forschungsartikeln: „Menschen, die erzählende Bücher lesen, werden älter und sind weniger krank.“
Ein Mädchen fragt, wie er selbst zum Schreiben gekommen ist. Die Schüler erfahren, dass auch das Schreiben, ähnlich wie das Leben, eine Art Lebensrettung sein kann: „Ich bin Grund-, Haupt- und Realschullehrer. Als ganz junger Lehrer bekam ich eine sehr schwierige Klasse, die als Sauhaufen verschrien war.“In der Klasse habe er sich hilflos gefühlt, aber Zuhause konnte er darüber schreiben, konnte den schlimmsten Schüler literarisch „piesacken“, das habe ihm gut getan: „Schreibend habe ich viele Dinge begriffen, das Schreiben ist bei mir entstanden, dass ich als Lehrer Schule überleben musste.“Bis zum Ende des Schuljahrs sei das Verhältnis dann gut geworden und die Schüler hätten auch langsam gemerkt, dass die Geschichten und Gedichte, die er ihnen vorlas, ihre eigene Situation beschrieben. Die Gammertinger boten Mai an, auch über ihre Klasse zu schreiben. Eine Schülerin verriet sogar, sie habe schon 20 Seiten einer Geschichte selbst geschrieben.
In seinen Erwachsenenromanen „Winterjahre“und „Frühlingsboten“stecke „am meisten Manfred Mai“drin. Aber alle Bücher hätten etwas mit ihm zu tun: „Ich sitze selten da und erfinde nur.“Weil er viele unangenehme Tiergeschichten mit sich herumtrage, kämen diese Tiere selten in seinen Büchern vor. Und dann erzählt er, wie er die Schweine füttern musste und damit auch ekelige Ratten aus den Löchern gelockt habe.
Mai wurde während der Lesung für die Schüler zum Gesprächspartner: „Ich stecke etwas in dieses Buch und du holst es wieder auf deine Art heraus.“Diese lebendige Lesung werden die Schüler – im Gegensatz zu anderen Unterrichtsstunden – sicher nicht vergessen: Lesen, Vorlesen und Schreiben hat etwas mit dem eigenen Leben zu tun. Am Schluss lobte Mai die beiden Klassen: „Ihr habt sehr gut zugehört, mitgedacht und klug gefragt.“