Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Blinde Zerstörungswut beschäftigt Bürger
In Riedlingen kommt es zu Sachbeschädigungen und Ruhestörungen
RIEDLINGEN - Ausgerissene Bäume, eingeschlagene Scheiben und Einschusslöcher in Scheiben beschäftigen derzeit die Riedlinger Bürger. Auch nehmen die Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen zu. Die Bewohner sorgen sich, während die Polizei jedoch keine steigenden Zahlen beim Vandalismus beobachtet. Bürgermeister Marcus Schafft will sich mit den anderen Gemeinden zusammentun, um über Maßnahmen zu sprechen.
Sätze wie „Da traue ich mich nachts nicht mehr auf die Straße“oder „Denen will ich bei Nacht nicht begegnen“häufen sich. Gemeint sind Begegnungen mit nächtlichen Ruhestörern oder Vandalen, die sowohl in der Innenstadt als auch in der Hindenburgstraße und bei der Realschule auftauchen. Vermehrt an den Wochenenden. „Aber nicht nur“, sagt Ralf Kasiske, der in der Hindenburgstraße ein Taxiunternehmen betreibt. Er erlebt Gruppen von jungen Erwachsenen, die laut Musik hörend nachts durch die Hindenburgstraße marschieren, auch unter der Woche. „Da fragt man sich ja schon, wo die zwischen halb vier und 6 Uhr morgens herkommen“, so Kasiske. Wer das Schlafzimmer zur Straße hin hat, werde zwangsläufig von dem Krach geweckt. Auch der Vandalismus, der sich durch die Hindenburgstraße zieht, beschäftigt den Taxifahrer. Innerhalb kürzester Zeit wurden zwei Bäume an der Straße zerstört, am Bahnhof die Scheibe eines Buswartehäuschens eingeschlagen. Außerdem hat Kasiske ein Einschussloch in seiner Schaufensterscheibe festgestellt. „Hinter der Scheibe ist ein Aufenthaltsraum, da hätte einer sitzen können“, sagt er. Wenigstens von zwei weiteren Einschusslöchern in anderen Gebäuden weiß er außerdem. Kasiske hat die Polizei informiert, die den Fall aufnahm. Er will einen Antrag an den Gemeinderat stellen, dass die Hindenburgstraße videoüberwacht wird.
Auch Bürgermeister Marcus Schafft weiß um den verstärkten Vandalismus in der Hindenburgstraße und am Bahnhof. Doch aus seiner Sicht betrifft dieses Phänomen nicht nur die Stadt Riedlingen, sondern auch Umlandgemeinden – so wie kürzlich am Schwarzachtalsee in Ertingen. Daher will er eine Art „Runden Tisch“zu diesem Thema in der Raumschaft zusammenrufen. Er habe die Polizei um einen gemeinsamen Termin mit den Gemeinden der Region gebeten.
In dieser Runde müsste man dann über gemeinsame Maßnahmen diskutieren. Dabei will Schafft auch über das Engagement von SecurityKräften sprechen – dass Sicherheitskräfte regelmäßig kontrollieren. Allerdings bringt dies hohe Kosten mit sich.
Videoüberwachung ist ein Thema
Auch das Thema Videoüberwachung will er ansprechen. Dieses Thema wurde in Riedlingen bereits vor knapp acht Monaten diskutiert. Doch aus seiner Sicht haben sich nun die Vorzeichen geändert, die Vorkommnisse sind gravierender geworden. Von daher kann er sich eine Videoüberwachung an bestimmten Plätzen vorstellen. Allerdings ist dies nicht so einfach. Denn eine Kameraüberwachung auf öffentlichen Plätzen greift in die grundgesetzlich gesicherten Persönlichkeitsrechte ein, konkret in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Es geht um Drittschutz von Passanten“, sagt Schafft.
Um diesen Eingriff zu rechtfertigen gibt es hohe Hürden. So muss es etwa in der Vergangenheit zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung gekommen sein, um einen Eingriff in die Grundrechte der Menschen zu rechtfertigen. Diese Verhältnismäßigkeit der Straftaten zu eingesetzten Mitteln muss gegeben sein.
Harry Reiner ist Stadtrat und gegen Überwachung mit Videokameras. Aber auch er hatte kürzlich auf dem Nachhauseweg eine Begegnung der ungemütlichen Art. Er war abends in die Grüninger Siedlung unterwegs, als ihm auf dem Weg von St. Gerhard zum Gymnasium zwei junge Männer – sturzbetrunken – entgegengekommen sind. Vom Gymnasium her hörte Reiner Gegröle weiterer Menschen. Da sei er dann umgedreht und habe einen anderen Weg genommen. „Selbst als gestandenes Mannsbild wollte ich denen nicht begegnen“, sagt er. Ein weiterer Vorfall ist zwei Wochen her. Reiner wurde nachts von lautem Krach geweckt. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Junge Männer traten gegen die Laterne vor seinem Haus. Als einer im breitesten Schwäbisch sagte, er werde jetzt das Gartentürchen eintreten, mischte sich Reiner ein. Weil vor der Tür eine ganze Traube von Männern stand, rief er gegen Mitternacht die Polizei.
Vier Minuten später sei dann auch die erste Streife vor Ort gewesen, äußert sich Polizeipressesprecher Uwe Krause zu dem Vorfall. Wenige Minuten später seien zwei weitere Streifen hinzu gekommen. „ Die Beamten trafen in der Nähe eine Gruppe von rund 15 Jugendlichen an“, berichtet Krause. „Diese wurden kontrolliert, die Personalien erhoben.“
Die Polizei nehme das Vandalismusproblem ernst. „Uns ist auch wichtig, dass jeder Vorfall angezeigt wird“, sagt der Polizeisprecher. Denn wenn einer der Straftäter vor dem Gericht landet, mache es schon einen Unterschied, wenn mehrere Geschädigte auftreten und nicht nur einer. Allerdings lag die Aufklärungsquote bei Vandalismus zuletzt bei 26,4 Prozent, so Krause.
165 Anzeigen
Ein Blick in die Statistik offenbart auch, ob die Fälle tatsächlich zugenommen haben oder ob es sich um einen subjektiven Eindruck handelt. Das Ergebnis: In der ersten Jahreshälfte hat die Polizei im Raum Riedlingen/Bad Buchau/Bad Schussenried 165 Anzeigen aufgenommen. „Das ist viel, bewegt sich aber auf dem Niveau der Vorjahre“, sagt Krause. Zum Vergleich: Für das vergangene Jahr verzeichnet die Polizeistatistik 212 Sachbeschädigungen. In den Vorjahren bewegen sich die Vorfälle ebenfalls in diesem Bereich (2015: 261 Fälle; 2014: 262; 2013: 257; 2012: 253). Ein Schwerpunkt sei gerade in der warmen Jahreszeit zu beobachten, sagt Krause. Denn auch Ruhestörer und Vandalen schätzen laue Sommernächte.