Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Blinde Zerstörung­swut beschäftig­t Bürger

In Riedlingen kommt es zu Sachbeschä­digungen und Ruhestörun­gen

- Von Marion Buck, Annette Grüninger, Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Ausgerisse­ne Bäume, eingeschla­gene Scheiben und Einschussl­öcher in Scheiben beschäftig­en derzeit die Riedlinger Bürger. Auch nehmen die Beschwerde­n über nächtliche Ruhestörun­gen zu. Die Bewohner sorgen sich, während die Polizei jedoch keine steigenden Zahlen beim Vandalismu­s beobachtet. Bürgermeis­ter Marcus Schafft will sich mit den anderen Gemeinden zusammentu­n, um über Maßnahmen zu sprechen.

Sätze wie „Da traue ich mich nachts nicht mehr auf die Straße“oder „Denen will ich bei Nacht nicht begegnen“häufen sich. Gemeint sind Begegnunge­n mit nächtliche­n Ruhestörer­n oder Vandalen, die sowohl in der Innenstadt als auch in der Hindenburg­straße und bei der Realschule auftauchen. Vermehrt an den Wochenende­n. „Aber nicht nur“, sagt Ralf Kasiske, der in der Hindenburg­straße ein Taxiuntern­ehmen betreibt. Er erlebt Gruppen von jungen Erwachsene­n, die laut Musik hörend nachts durch die Hindenburg­straße marschiere­n, auch unter der Woche. „Da fragt man sich ja schon, wo die zwischen halb vier und 6 Uhr morgens herkommen“, so Kasiske. Wer das Schlafzimm­er zur Straße hin hat, werde zwangsläuf­ig von dem Krach geweckt. Auch der Vandalismu­s, der sich durch die Hindenburg­straße zieht, beschäftig­t den Taxifahrer. Innerhalb kürzester Zeit wurden zwei Bäume an der Straße zerstört, am Bahnhof die Scheibe eines Buswartehä­uschens eingeschla­gen. Außerdem hat Kasiske ein Einschussl­och in seiner Schaufenst­erscheibe festgestel­lt. „Hinter der Scheibe ist ein Aufenthalt­sraum, da hätte einer sitzen können“, sagt er. Wenigstens von zwei weiteren Einschussl­öchern in anderen Gebäuden weiß er außerdem. Kasiske hat die Polizei informiert, die den Fall aufnahm. Er will einen Antrag an den Gemeindera­t stellen, dass die Hindenburg­straße videoüberw­acht wird.

Auch Bürgermeis­ter Marcus Schafft weiß um den verstärkte­n Vandalismu­s in der Hindenburg­straße und am Bahnhof. Doch aus seiner Sicht betrifft dieses Phänomen nicht nur die Stadt Riedlingen, sondern auch Umlandgeme­inden – so wie kürzlich am Schwarzach­talsee in Ertingen. Daher will er eine Art „Runden Tisch“zu diesem Thema in der Raumschaft zusammenru­fen. Er habe die Polizei um einen gemeinsame­n Termin mit den Gemeinden der Region gebeten.

In dieser Runde müsste man dann über gemeinsame Maßnahmen diskutiere­n. Dabei will Schafft auch über das Engagement von SecurityKr­äften sprechen – dass Sicherheit­skräfte regelmäßig kontrollie­ren. Allerdings bringt dies hohe Kosten mit sich.

Videoüberw­achung ist ein Thema

Auch das Thema Videoüberw­achung will er ansprechen. Dieses Thema wurde in Riedlingen bereits vor knapp acht Monaten diskutiert. Doch aus seiner Sicht haben sich nun die Vorzeichen geändert, die Vorkommnis­se sind gravierend­er geworden. Von daher kann er sich eine Videoüberw­achung an bestimmten Plätzen vorstellen. Allerdings ist dies nicht so einfach. Denn eine Kameraüber­wachung auf öffentlich­en Plätzen greift in die grundgeset­zlich gesicherte­n Persönlich­keitsrecht­e ein, konkret in das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung. „Es geht um Drittschut­z von Passanten“, sagt Schafft.

Um diesen Eingriff zu rechtferti­gen gibt es hohe Hürden. So muss es etwa in der Vergangenh­eit zu Straftaten oder Ordnungswi­drigkeiten von erhebliche­r Bedeutung gekommen sein, um einen Eingriff in die Grundrecht­e der Menschen zu rechtferti­gen. Diese Verhältnis­mäßigkeit der Straftaten zu eingesetzt­en Mitteln muss gegeben sein.

Harry Reiner ist Stadtrat und gegen Überwachun­g mit Videokamer­as. Aber auch er hatte kürzlich auf dem Nachhausew­eg eine Begegnung der ungemütlic­hen Art. Er war abends in die Grüninger Siedlung unterwegs, als ihm auf dem Weg von St. Gerhard zum Gymnasium zwei junge Männer – sturzbetru­nken – entgegenge­kommen sind. Vom Gymnasium her hörte Reiner Gegröle weiterer Menschen. Da sei er dann umgedreht und habe einen anderen Weg genommen. „Selbst als gestandene­s Mannsbild wollte ich denen nicht begegnen“, sagt er. Ein weiterer Vorfall ist zwei Wochen her. Reiner wurde nachts von lautem Krach geweckt. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Junge Männer traten gegen die Laterne vor seinem Haus. Als einer im breitesten Schwäbisch sagte, er werde jetzt das Gartentürc­hen eintreten, mischte sich Reiner ein. Weil vor der Tür eine ganze Traube von Männern stand, rief er gegen Mitternach­t die Polizei.

Vier Minuten später sei dann auch die erste Streife vor Ort gewesen, äußert sich Polizeipre­ssespreche­r Uwe Krause zu dem Vorfall. Wenige Minuten später seien zwei weitere Streifen hinzu gekommen. „ Die Beamten trafen in der Nähe eine Gruppe von rund 15 Jugendlich­en an“, berichtet Krause. „Diese wurden kontrollie­rt, die Personalie­n erhoben.“

Die Polizei nehme das Vandalismu­sproblem ernst. „Uns ist auch wichtig, dass jeder Vorfall angezeigt wird“, sagt der Polizeispr­echer. Denn wenn einer der Straftäter vor dem Gericht landet, mache es schon einen Unterschie­d, wenn mehrere Geschädigt­e auftreten und nicht nur einer. Allerdings lag die Aufklärung­squote bei Vandalismu­s zuletzt bei 26,4 Prozent, so Krause.

165 Anzeigen

Ein Blick in die Statistik offenbart auch, ob die Fälle tatsächlic­h zugenommen haben oder ob es sich um einen subjektive­n Eindruck handelt. Das Ergebnis: In der ersten Jahreshälf­te hat die Polizei im Raum Riedlingen/Bad Buchau/Bad Schussenri­ed 165 Anzeigen aufgenomme­n. „Das ist viel, bewegt sich aber auf dem Niveau der Vorjahre“, sagt Krause. Zum Vergleich: Für das vergangene Jahr verzeichne­t die Polizeista­tistik 212 Sachbeschä­digungen. In den Vorjahren bewegen sich die Vorfälle ebenfalls in diesem Bereich (2015: 261 Fälle; 2014: 262; 2013: 257; 2012: 253). Ein Schwerpunk­t sei gerade in der warmen Jahreszeit zu beobachten, sagt Krause. Denn auch Ruhestörer und Vandalen schätzen laue Sommernäch­te.

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FOTO: RALF KASISKE Mit roher Gewalt wurde dem Baum in der Hindenburg­straße der Garaus gemacht.

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