Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Demolierte Autos: Angeklagter wird freigesprochen
Mann muss sich wegen acht Vorwürfen verantworten – Richterin hat Zweifel an seiner Schuld
SIGMARINGEN - Richterin Nadine Zieher hat am Montagvormittag am Amtsgericht Sigmaringen einen angeklagten Mann aus dem Raum Meßkirch vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm insgesamt acht Taten vorgeworfen, begangen im Zeitraum von März bis April 2016: Der Mann soll mehrfach Autoreifen zerstochen, zwei Außenspiel abgeschlagen und eine Windschutzscheibe beschädigt haben. Die Geschädigten und der Angeklagte gehörten demselben Verein an.
Der Angeklagte hatte bereits am ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen die Aussage verweigert. Am Montag sagte eine 22-jährige Zeugin aus, dass ihr Mann damals festgestellt hatte, dass aus einem Autoreifen Luft entwichen sei. Auch weitere ihrer Freunde hatten an ihren Fahrzeugen zerstochene Reifen vorgefunden. Vom 11. auf den 12. April 2016 richteten die Zeugin und ihr Bruder eine Nachtwache ein. Zwischen 0.30 und 0.45 Uhr habe der Bewegungsmelder reagiert und der Scheinwerfer sei angegangen. „Ich habe den Angeklagten hinter dem Auto meines Vaters gesehen, in aufrechter Position“, sagte die Frau. Ihr Bruder sei auf den Mann, den sie durch ihre Vereinstätigkeit gut kannten, zugegangen und habe ihn mit Namen angesprochen. „Er ist erschrocken und mit schnellen Schritten davongegangen“, sagte die Zeugin.
Zeugin berichtet von Streitigkeiten
Der Bruder der 22-Jährigen hatte damals bei der Polizei ausgesagt, dass der Angeklagte seinen Kopf in Richtung des hinteren rechten Rades gestreckt habe. Das konnte die Zeugin in der Hauptverhandlung so nicht bestätigen. Die Zeugin berichtete von Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und anderen Vereinsmitgliedern – diese Reibereien liegen aber schon mehr als drei Jahre zurück. Auch der Bruder der 22-Jährigen und eine weitere Zeugin hatten am ersten Verhandlungstag ausgesagt, dass sie es sich nicht vorstellen konnten, dass der Angeklagte für die Serie der Sachbeschädigungen verantwortlich sein könne – sie beschrieben ihn als ruhigen Zeitgenossen. Der zuständige Polizeibeamte berichtete, dass sich der Angeklagte gegenüber der Polizei nicht zu den Vorwürfen äußern wollte. Der Polizist hielt es aufgrund einer Überprüfung der Arbeitszeitnachweise des Angeklagten für möglich, dass der Mann auch bei den anderen Straftaten vor Ort gewesen sein könnte. Der Verteidiger des Mannes, Thomas Buchholz, bezweifelte dies und bemängelte die seiner Ansicht nach mangelnde Neutralität der polizeilichen Ermittlungen – diese hätten sich allein auf seinen Mandanten konzentriert. „Die Serie der Sachbeschädigungen riss ab, nachdem der Angeklagte im Scheinwerferlicht stand“, sagte der Polizist. Im Anschluss wurde ein Überwachungsvideo angeschaut, bei dem aber nichts Eindeutiges zu erkennen war. Vor den Plädoyers einigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf, den Anklagepunkt wegen der kaputten Windschutzscheibe einzustellen, da es Zweifel gebe, dass diese durch fremdes Einwirken einen Riss bekommen habe.
Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hielt den Angeklagten für schuldig, die Sachbeschädigungen begangen zu haben – sie sprach allerdings von einem reinen Indizienprozess. Zwei Zeugen haben den Mann jedoch auf ihrem Grundstück in der Nacht identifiziert. Er habe sich in der Folge komplett aus dem Verein zurückgezogen. Angesichts des in zwei Wochen angerichteten Schadens in Höhe von 1500 Euro hielt die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 110 Tagessätzen à 30 Euro für angemessen.
Verteidiger Buchholz forderte hingegen Freispruch für seinen nicht vorbestraften Mandanten. Der Angeklagte sei lediglich nachts bei dem Grundstück der Geschädigten angetroffen worden – das sei alles. Ein Motiv gebe es nicht, da die beschriebenen Streitigkeiten schon lange zurückliegen, sagte Buchholz.
Richterin Zieher sagte in ihrer Urteilsbegründung ebenfalls, dass ein Motiv des Mannes schleierhaft sei. Zudem gebe es widersprüchliche Zeugenaussagen. „Man hat Sie nicht bei einer Tat erwischt. Es ist unklar, was Sie da wollten“, sagte die Richterin zum Angeklagten. Er wurde zu einer ungewöhnlichen Zeit an einem ungewöhnlichen Ort angetroffen – diese nächtliche Entdeckung reiche aber nicht aus, um eine Täterschaft für die Serie der Sachbeschädigungen zu konstruieren. Dass er sich aus dem Verein zurückgezogen habe, sei menschlich nachvollziehbar, da andere Mitglieder den Angeklagten aufgrund der Vorwürfe nicht mehr dabei haben wollten. Dass die Taten in der Folge abrissen, könnte auch damit zu tun haben, dass der wirkliche Täter vorsichtig geworden ist. „Ich bin nicht hinreichend überzeugt, ich habe erhebliche Zweifel an Ihrer Täterschaft“, sagte die Richterin zu dem Mann und sprach ihn frei.