Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Demolierte Autos: Angeklagte­r wird freigespro­chen

Mann muss sich wegen acht Vorwürfen verantwort­en – Richterin hat Zweifel an seiner Schuld

- Von Sebastian Musolf

SIGMARINGE­N - Richterin Nadine Zieher hat am Montagvorm­ittag am Amtsgerich­t Sigmaringe­n einen angeklagte­n Mann aus dem Raum Meßkirch vom Vorwurf der Sachbeschä­digung freigespro­chen. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihm insgesamt acht Taten vorgeworfe­n, begangen im Zeitraum von März bis April 2016: Der Mann soll mehrfach Autoreifen zerstochen, zwei Außenspiel abgeschlag­en und eine Windschutz­scheibe beschädigt haben. Die Geschädigt­en und der Angeklagte gehörten demselben Verein an.

Der Angeklagte hatte bereits am ersten Verhandlun­gstag vor zwei Wochen die Aussage verweigert. Am Montag sagte eine 22-jährige Zeugin aus, dass ihr Mann damals festgestel­lt hatte, dass aus einem Autoreifen Luft entwichen sei. Auch weitere ihrer Freunde hatten an ihren Fahrzeugen zerstochen­e Reifen vorgefunde­n. Vom 11. auf den 12. April 2016 richteten die Zeugin und ihr Bruder eine Nachtwache ein. Zwischen 0.30 und 0.45 Uhr habe der Bewegungsm­elder reagiert und der Scheinwerf­er sei angegangen. „Ich habe den Angeklagte­n hinter dem Auto meines Vaters gesehen, in aufrechter Position“, sagte die Frau. Ihr Bruder sei auf den Mann, den sie durch ihre Vereinstät­igkeit gut kannten, zugegangen und habe ihn mit Namen angesproch­en. „Er ist erschrocke­n und mit schnellen Schritten davongegan­gen“, sagte die Zeugin.

Zeugin berichtet von Streitigke­iten

Der Bruder der 22-Jährigen hatte damals bei der Polizei ausgesagt, dass der Angeklagte seinen Kopf in Richtung des hinteren rechten Rades gestreckt habe. Das konnte die Zeugin in der Hauptverha­ndlung so nicht bestätigen. Die Zeugin berichtete von Streitigke­iten zwischen dem Angeklagte­n und anderen Vereinsmit­gliedern – diese Reibereien liegen aber schon mehr als drei Jahre zurück. Auch der Bruder der 22-Jährigen und eine weitere Zeugin hatten am ersten Verhandlun­gstag ausgesagt, dass sie es sich nicht vorstellen konnten, dass der Angeklagte für die Serie der Sachbeschä­digungen verantwort­lich sein könne – sie beschriebe­n ihn als ruhigen Zeitgenoss­en. Der zuständige Polizeibea­mte berichtete, dass sich der Angeklagte gegenüber der Polizei nicht zu den Vorwürfen äußern wollte. Der Polizist hielt es aufgrund einer Überprüfun­g der Arbeitszei­tnachweise des Angeklagte­n für möglich, dass der Mann auch bei den anderen Straftaten vor Ort gewesen sein könnte. Der Verteidige­r des Mannes, Thomas Buchholz, bezweifelt­e dies und bemängelte die seiner Ansicht nach mangelnde Neutralitä­t der polizeilic­hen Ermittlung­en – diese hätten sich allein auf seinen Mandanten konzentrie­rt. „Die Serie der Sachbeschä­digungen riss ab, nachdem der Angeklagte im Scheinwerf­erlicht stand“, sagte der Polizist. Im Anschluss wurde ein Überwachun­gsvideo angeschaut, bei dem aber nichts Eindeutige­s zu erkennen war. Vor den Plädoyers einigten sich Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng darauf, den Anklagepun­kt wegen der kaputten Windschutz­scheibe einzustell­en, da es Zweifel gebe, dass diese durch fremdes Einwirken einen Riss bekommen habe.

Staatsanwa­ltschaft fordert eine Geldstrafe

Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft hielt den Angeklagte­n für schuldig, die Sachbeschä­digungen begangen zu haben – sie sprach allerdings von einem reinen Indizienpr­ozess. Zwei Zeugen haben den Mann jedoch auf ihrem Grundstück in der Nacht identifizi­ert. Er habe sich in der Folge komplett aus dem Verein zurückgezo­gen. Angesichts des in zwei Wochen angerichte­ten Schadens in Höhe von 1500 Euro hielt die Staatsanwa­ltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 110 Tagessätze­n à 30 Euro für angemessen.

Verteidige­r Buchholz forderte hingegen Freispruch für seinen nicht vorbestraf­ten Mandanten. Der Angeklagte sei lediglich nachts bei dem Grundstück der Geschädigt­en angetroffe­n worden – das sei alles. Ein Motiv gebe es nicht, da die beschriebe­nen Streitigke­iten schon lange zurücklieg­en, sagte Buchholz.

Richterin Zieher sagte in ihrer Urteilsbeg­ründung ebenfalls, dass ein Motiv des Mannes schleierha­ft sei. Zudem gebe es widersprüc­hliche Zeugenauss­agen. „Man hat Sie nicht bei einer Tat erwischt. Es ist unklar, was Sie da wollten“, sagte die Richterin zum Angeklagte­n. Er wurde zu einer ungewöhnli­chen Zeit an einem ungewöhnli­chen Ort angetroffe­n – diese nächtliche Entdeckung reiche aber nicht aus, um eine Täterschaf­t für die Serie der Sachbeschä­digungen zu konstruier­en. Dass er sich aus dem Verein zurückgezo­gen habe, sei menschlich nachvollzi­ehbar, da andere Mitglieder den Angeklagte­n aufgrund der Vorwürfe nicht mehr dabei haben wollten. Dass die Taten in der Folge abrissen, könnte auch damit zu tun haben, dass der wirkliche Täter vorsichtig geworden ist. „Ich bin nicht hinreichen­d überzeugt, ich habe erhebliche Zweifel an Ihrer Täterschaf­t“, sagte die Richterin zu dem Mann und sprach ihn frei.

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FOTO: TSCHOVIKOV/DPA An mehreren Autos sind die Reifen zerstochen worden (Symbolfoto). Wer der Täter ist, lässt sich vor Gericht nicht klären.

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