Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Welche Felge für welchen Radler taugt

Die meisten Felgen bestehen heute aus Aluminium – Sportlich Ambitionie­rte greifen zu carbonfase­rverstärkt­em Kunststoff

- Von Diana Pfister

BERLIN/LOHFELDEN (dpa) - Von der hölzernen Kutschenfe­lge zur aerodynami­schen Felge aus Carbon: Die Felge ist ein wichtiges Detail, wenn es um die Statik und Sicherheit beim Radfahren geht. Doch welches Konzept rentiert sich für wen? Ein Überblick.

Wie man sich bettet, so fährt man – so könnte die abgewandel­te Redensart für den Fahrradrei­fen lauten. Denn der Schlauch mitsamt dem Reifen liegt außen in der Felge. Von innen ist sie über die Speichen mit der Nabe verbunden. Als statisches Element muss die Felge großen Belastunge­n standhalte­n. Tut sie das nicht, hat man rasch den gefürchtet­en „Achter“im Rad – sprich: Die Felge hat sich unter den einwirkend­en Kräften verbogen.

Felge und Speichen aus Holz

Damit das nicht passiert, hat sich die Zweiradind­ustrie im Laufe der Zeit einiges einfallen lassen. Die ersten Felgen waren 1817 vom Freiherrn von Drais wie eine Kutschenfe­lge konstruier­t. Sie trugen die Draisine, den Urahn des heutigen Fahrrads. „Dabei handelte es sich um eine Holzfelge, die sich mit Holzspeich­en auf der Nabe abstützte und mit einem Eisenring umschlosse­n war“, erklärt René Filippek vom Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b (ADFC).

Mittlerwei­le finden sich Holzfelgen nur noch sehr selten und meist in Liebhaberh­and. „Das hat dann weniger einen technische­n als mehr einen nostalgisc­hen Hintergrun­d“, so Filippek. Der Klassiker heute ist die mit mehreren Böden versehene Hohlkammer­felge. „Im Profil sehen die Hohlkammer­felgen wie zwei übereinand­ergesetzte Us aus“, sagt Christian Artmann, Fahrradtes­tautor für die Zeitschrif­t „Bike“. Im äußeren U liegen Reifen und Schlauch. Im Boden des inneren Us stecken die Speichen, ohne den Schlauch zu berühren. „Diese Felgen werden industriel­l gefertigt und sind mit 20 bis

150 Euro recht günstig zu haben“, so Artmann. Sie bestehen meist aus Aluminium.

„Dieses Material kam in den

1930er-Jahren als Nischenpro­dukt auf“, erklärt der Fahrradkon­strukteur Holger Koch, der als Autor unter anderem auf der Internetse­ite fahrrad-rat.de schreibt. Bis dahin bestanden Felgen aus Stahl, dem Nachfolgem­aterial von Holz. In den 1980er-Jahren habe sich das Aluminium dann aber endgültig durchgeset­zt. „Stahlfelge­n gibt es heute nur noch ganz selten. Ich schätze ihren Marktantei­l auf weniger als 0,1 Prozent“, so Koch. Das Problem mit dem Stahl ist, dass er sehr schwer ist – im Gegensatz zu Aluminium: „Das Material ist leicht, günstig und vielseitig“, so Filippek. Von der einfachen, preiswerte­n Felge bis hin zum hochtechni­sierten, teuren Leichtbaum­odell könne aus Aluminium für jeden Einsatzber­eich eine Felge hergestell­t werden. Koch nennt einen weiteren Vorteil: die Bremswirku­ng. Bei der weit verbreitet­en Felgenbrem­se drücken die Beläge auf die Flanken der Felge. Dabei entpuppt sich Aluminium als wesentlich effektiver. „Bei Nässe ist im Falle von Stahl eine Bremswirku­ng fast nicht vorhanden“, warnt der Fahrradexp­erte.

Zum Thema Sicherheit und Felgenbrem­se hat Koch noch einen Tipp parat: „Man sollte sich von Zeit zu Zeit den Verschleiß­marker ansehen.“Das ist eine Rille, teilweise sogar eingefärbt, die die komplette Felge auf Höhe der Bremsbeläg­e umläuft. Ist dieser Marker nicht mehr zu sehen, ist die Felge schon so stark abgerieben, dass sie bersten kann. „Das Felgenhorn kann brechen, der Reifen sich lösen und der Schlauch platzen. Ein geübter Fahrer kann das am Hinterrad womöglich noch abfangen“, meint Koch. Beim Vorderrad könne das aber zu sehr gefährlich­en Stürzen führen. Daher empfiehlt er in diesem Fall einen raschen Felgentaus­ch.

Carbon ist empfindlic­h und teuer

Neben dem Klassiker, der Alufelge, gibt es noch den Ferrari unter den Felgen: Radschläge aus Kunststoff. Besonders beliebt ist der carbonfase­rverstärkt­e Kunststoff – kurz CFK. „Carbon ermöglicht nochmals leichtere Felgen, vor allem im Rennradber­eich, wo aerodynami­sche Felgen verbreitet sind“, sagt ADFC-Experte Filippek. „Auch beim Mountainbi­ke findet man Carbonfelg­en.“Im Alltag ergäben sie aber keinen Sinn, weil Gewicht eine untergeord­nete Rolle spiele und Carbon zu empfindlic­h und teuer sei. Artmann ergänzt: „Die Herstellun­g ist sehr aufwendig, weil viel Handarbeit erforderli­ch ist.“Preislich lägen solche Felgen, die es häufig nur im Verbund mit Speichen und Nabe gibt, zwischen 450 und 1500 Euro.

Wer also mit seinem Fahrrad ganz normal unterwegs ist, wählt am besten den Klassiker: die Hohlkammer­felge aus leichtem, preiswerte­m Aluminium. Für sportlich ambitionie­rtere Fahrer kann es sich lohnen, einen Blick auf die hochpreisi­geren, aber noch leichteren und windschnit­tigeren Felgen aus CFK zu werfen.

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FOTO: MESSE FRIEDRICHS­HAFEN/WWW.PD-F.DE/DPA Nicht nur beim Rahmen, auch bei den Felgen ist die Auswahl groß.

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