Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Jetzt übernimmt die Enkelin
Nach 72 Jahren als Organist in Bittelschieß übergibt Adolf Hamma sein Amt
BITTELSCHIESS - Seit 1945 war die Bittelschießer St. Kilians-Kirche Adolf Hammas zweite Heimat. Der heute 84-jährige war über so lange Zeit der Organist der barocken Dorfkirche. Aufgewachsen auf dem der Kirche fast zu Füßen liegenden Bauernhof war sein Leben stark von der katholischen Gemeinde geprägt.
Dass der Sohn des Land- und Gastwirts Anton und seiner Frau Elisabeth „nur“drei Schwestern hatte, war ursächlich dafür, dass er mit dem Klavier und später auch der Orgel Freundschaft schloss. Auf den Schulabschluss folgte ein lebensprägender Ausspruch seines Vaters: „Du wirst Elektriker“. Da war die Vorahnung des Vaters, dass ein technischer Beruf im Nachkriegsdeutschland eine Zukunft garantieren würde, weise. Ohne jedes technische Grundwissen startete Hamma eine dreieinhalbjährige Lehre in Igelswies. „Die Lehre selbst hat mir Spaß gemacht“, erinnert er sich. Klar, dass in der Freizeit auch auf dem Hof geholfen werden musste. Irgendwann stand ihm für die Fahrt zur Lehrstelle ein Fahrrad mit Vollgummireifen zur Verfügung. „Damals gab es nur ein einziges Auto im Ort“. Schwester Luise spielte da schon Mandoline, die andere, Elli, Klavier – das kam wohl im Tausch gegen Eier auf den Bauernhof.
Grundstein legten die Schwestern
Auch Adolf Hamma zog es noch während der Lehre zur Musik. Im Musikverein Göggingen lernte er Trompete spielen. Später war er auch in den Musikkapellen Krauchenwies und Ablach aktiv. Schwester Elli spielte da bereits die Orgel in der Kirche. Gelernt hatte sie es beim Gögginger Organisten Karl Häusler – mit dem sollte auch Adolf bald Bekanntschaft machen. „Orgel habe ich spielen müssen“, sagt Adolf Hamma. Schon vor Antritt der Lehre kam der damalige Pater Volk zu Hammas Vater und prophezeite: „Der Bub muss Klavier lernen“. Begründet habe das der Pfarrer damit, dass die Mädchen die Höfe meist verlassen würden, die Männer aber dem Hof und dem Ort treu blieben. Tatsächlich ging Elli nach Ende ihrer Schulzeit weg. Jetzt war der junge Mann gefragt. Er habe sich langsam an die Stücke herangetastet. Vom Pfarrer verlangte der Orgelanfänger, dass er ihm die Lieder am Vorabend bereits aufschreiben möge. Aufgeregt sei er stets gewesen. „Die Kirche in Bittelschieß war Sonntagmorgens um 8 Uhr immer voll, so um die Hundert kamen. Und viele Leute waren vorher schon im Stall“, erklärt Hamma. Es kamen Hochzeiten, „mehr als heute“, und Beerdigungen hinzu. Spannend, nein aufregend, seien stets die Kirchenpatrozinien gewesen. Und dann waren da noch die Orgelbücher in der langen Zeit Magnifikat, Gotteslob I, Gotteslob II mit immer neuen Liedern. Mit drei Büchern hatte er es in seiner ganzen Zeit zu tun. „Da musste man bei der Sache sein“, fügt er mit ernster Stimme an. Weniger aufregend und für den 15-Jährigen ein Riesenspaß – das war die „Danzmusik“. Mit den Gmeiner-Brüdern Anton, Hans, Franz und Karl spielten sie in den Fünfzigern für wenig Geld in der Umgebung. „Organisiert hat das alles Bodo Kraushaar – ein wahres Talent in dieser Angelegenheit. Da ging es mit dem Moped über die Dörfer. Was wir verdienten, gaben wir gleich wieder für die Musik aus.“Hans Gmeiner habe zum Beispiel für die leise Geige eine Mikrofonanlage gebraucht.
Dass auch Hamma einmal den Stab werde weitergeben müssen, war ihm klar. Parallel zu seinen letzten Jahren an der Orgel erlernte Enkelin Franziska Klavier und Orgel. Eine schwere Krankheit am Stephanstag des vergangenen Jahrs beendet abrupt Hammas Passion. Nach gut überstandener Operation konnte er während des Patroziniums am Kilianstag offiziell von Pfarrer Markus Moser in den Orgelruhestand verabschiedet werden. Neben einer Urkunde überreichte Moser ihm eine Orgelpfeife und ein spezielles Fläschchen Weihwasser sowie weitere Geschenke.