Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Rotor häckselt Autowrack in 20 Sekunden
Schwäbische Türöffner: Im Shredderwerk werden Metalle recycelt und Holz zerkleinert
-●Recycling ist eine HERBERTINGEN Wissenschaft für sich. Wie ausgefeilt die Technik ist, haben Wolfgang Bausch und Andreas Appel vom Shredderwerk Herbertingen rund 30 Zeitungslesern im Rahmen der Aktion „Schwäbische Türöffner“verdeutlicht. Laut Wolfgang Bausch, Prokurist des Unternehmens, ist das Shredderwerk Herbertingen eine von 49 Schredderanlagen in Deutschland. „Wir sind eine eher kleine Anlage. Es gibt welche, die dreimal so groß sind“, sagte er.
Das Herbertinger Unternehmen muss nachweisen, dass 95 Prozent der Altautos verwertet werden. Die Warenströme werden aus diesem Grund streng kontrolliert. Das Shredderwerk ist gefordert, exakt zu protokollieren, welche Waren im Unternehmen angeliefert werden, in welcher Form sie es anschließend wieder verlassen und wo sie weiterverarbeitet werden. Bevor ein Lastwagen aber überhaupt erst auf das Betriebsgelände in der Eisenbahnstraße fahren darf, wird geprüft, ob er radioaktives Material geladen hat. Dazu stehen an der Einfahrt links und rechts Detektoren. Zu den Kunden des Shredderwerks gehöre etwa die Firma Heckler und Koch. „Wir vernichten auch Waffen und Munition“, erläuterte Bausch. Der Großteil des Materials, das im Shredderwerk verarbeitet wird, stammt aber nicht aus einer Waffenschmiede. „Es wird vor allem Konsumschrott abgeworfen“, sagt Bausch. Wer sich die mehrere Meter hohen Schrottberge auf dem Werksgelände anschaut, sieht vor allem Autowracks, Waschmaschinen, Spülmaschinen, Fahrräder, Metallkörbe und -gerüste. Beim Leichtschrott, so wird das unbearbeitete Material genannt, handelt es sich nicht um reines Material. Vielmehr bestehen Autowracks zum Beispiel auch aus Kunststoff, Holz, Leder oder Gummi. Diese werden im Schredder abgetrennt, genauso wie andere Metalle, etwa Aluminium, Kupfer oder Messing.
Rolle zieht Auto in den Schredder
Mit einem großen Kran wird der Schrott auf ein Fließband gelegt. Von einer erhöhten Position in einem verglasten Steuerungsraum sichtet ein Mitarbeiter den Schrott auf dem Band. Er steuert etwa, wie schnell die Anlage läuft. Für die SZ-Leser war es besonders spannend zu beobachten, wie ein Autowrack im Eisenschredder verschwindet. Was im Eisenschredder passiert, nachdem ein Wrack über eine Treibrolle hineingezogen wird, ist nicht zu sehen. Sicher ist, dass hinten etwa Faustgroße Stücke wieder herauskommen. „Das Eisen wird mit einem Rotor zerkleinert, der sich 600 Mal in der Minute dreht“, erläuterte Bausch.
Abluft gereinigt
Der Rotor, der aus Stahl besteht, verfügt über 16 Hämmer aus gehärtetem Stahl. Die schwingen durch die Beschleunigung nach außen und schlagen auf das Metall. Nach nur 20 Sekunden verlässt das Autowrack den Schredder wieder – zerlegt in viele, etwa faustgroße Einzelteile. Insgesamt dauert es zwei Minuten, Schrott durch die Anlage zu schleusen.
Der Rotor ist zwar aus extra hartem Stahl, doch auch er ist ein Verschleißteil. Laut Bausch werden die Hämmer etwa alle drei Wochen ausgetauscht, andere Stahlplatten halten zwischen vier Wochen und einem viertel Jahr. Was geschweißt werden kann, wird repariert. „Aber alle fünf Jahre müssen wir den Rotor austauschen“, sagte Bausch. „So ein Teil kostet 250 000 Euro.“
Die Eisenteile kommen auf einem Fließband noch mal an Mitarbeitern vorbei, die Stoff- oder Plastikteile aussortieren, die sich am Eisen verhakt haben. Im Schredder werden nicht nur die einzelnen Bestandteile getrennt, sondern es wird auch die Abluft gereinigt. Dies erfolgt mit einem Gewebefilter, den man sich ähnlich wie einen großen Staubsaugerbeutel vorstellen kann. Er filtert die Partikel, die bei der Zerkleinerung des Metalls entstehen, aus der Luft. Ein Aktivkohlefilter reinigt dann die staubfreie Luft von Mineralölresten. „Wir gehören zu den drei Anlagen in Europa, die die besten Luftwerte nachweisen können“, sagte Bausch.
Das zweite Standbein des Shredderwerks ist der Holzschredder. Dort werden beispielsweise alte Fenster, Paletten oder Möbel zerkleinert. Wie Andreas Appel, Betriebsleiter des Holzschredders, erläuterte, wird das Altholz in vier verschiedene Kategorien sortiert: In unbehandelt und behandelt, in Holz, das von Recyclinghöfen stammt und in alte Fenster. „Wir schreddern auch Fenster mit Glas“, sagte Appel. Mit Magneten werden Metallteile wie Schrauben, Nägel oder Winkel aussortiert. Ein kleiner Teil des zerkleinerten Holzes wird an die Spanplattenindustrie geliefert. Der Großteil wird als Heizmaterial verwendet. „Unsere Kunden erzeugen damit Fernwärme oder Strom“, sagte Appel. „Außerdem werden damit zum Beispiel Schwimmbäder beheizt.“
SZ-Leser Walter Fleischhauer aus Pfullendorf war beeindruckt von den beiden Anlagen. „Es war ein bisschen wie die Sendung mit der Maus, wo man erfährt, wie etwas funktioniert“, sagte er. Er sei zufrieden, dass aus den Abfällen etwas Sinnvolles gemacht werde. Auch sei er erstaunt über die Mengen an Holz und Metall, die im Shredderwerk verarbeitet werden. Auch Joachim und Hersilya Wieland und ihre Tochter Joanna aus Laiz haben viel Wissenswertes übers Recycling erfahren. „Wir haben heute etwas gesehen, was man sonst nur im Fernsehen sieht“, sagte Hersilya Wieland. „Wir sind erstaunt, wie groß der Betrieb in der kleinen Gemeinde ist“, sagte sie. Und der fünfjährigen Joanna gefielen die geschredderten Autos am besten.
Mehr Fotos von der Führung durchs Shredderwerk im Internet: www.schwäbische.de/ shredderwerk-besichtigung