Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Eine Posse aus der Hauptstadt
Weil das Geld wieder mal knapp war, hingen am Jakob-Kaiser-Platz längere Zeit zwei Bremer Landesfahnen, aber keine aus Hessen
BERLIN (dpa) - Der Jakob-KaiserPlatz im Stadtteil Charlottenburg ist nicht gerade der schönste in der Hauptstadt. Autokolonnen quälen sich durch einen Kreisverkehr, über Brücken führen gleich zwei Autobahnen unmittelbar an dem Kreisel vorbei. Einziger Lichtblick inmitten von Abgasen und Lärm ist die grüne Insel in der Mitte, auf der die Fahnen aller deutschen Bundesländer im Winde wehen. Aller Länder?
Nicht ganz, denn Hessens Flagge fehlt seit März, weil sie zerschlissen war und Geld für eine neue fehlte. ANZEIGE Was anfangs auch kaum jemanden störte. Doch dann wuchs sich die Sache zu einer Posse aus, die so wohl nur in Berlin spielen kann.
Seit gut einem Jahrzehnt stehen am Jakob-Kaiser-Platz die Fahnenmasten. „Wir wollten den Platz verschönern, als eine Art Tor zu Berlin für die Besucher präsentieren, die etwa vom Flughafen Tegel kommend über den Platz fahren“, heißt es aus dem Bezirksamt CharlottenburgWilmersdorf. Doch so eine Fahne hält bei Wind und Wetter nicht ewig, muss auch mal ausgetauscht werden.
Das funktionierte jahrelang, auch weil das Bezirksamt die Flaggen kostenbewusst im Dreierpack einkaufte. Im Frühjahr aber befand der neue Baustadtrat Oliver Schruoffeneger vor dem Hintergrund einer Haushaltssperre, dass nicht mehr nachbestellt wird. Es gebe Wichtigeres als den Unterhalt der Fahnen, der pro Jahr it 11 000 Euro koste.
Was also tun? Findige Mitarbeiter der Behörde kamen auf die Idee, einfach eine zweite Bremen-Fahne aufzuhängen. Die war noch auf Lager. Doch das erwies sich als Reinfall. „Es gab Diskussionen, Bürger riefen an und wiesen auf das doppelte Bremen hin“, schildert Michael Waibel aus dem Büro des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters. Bremen II wurde entfernt, Hessen blieb außen vor.
Für Abhilfe sorgte die Landesregierung in Wiesbaden. Sie bewies föderales Verantwortungsbewusstsein und spendete eine rot-weiße Hessen-Flagge mit blauem Löwenwappen. Am Mittwoch übergab Lucia Puttrich, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, die Fahne im Rathaus Charlottenburg. „Wir sind in Hessen gewohnt, pragmatisch zu handeln und schnelle Lösungen zu finden“, sagte Puttrich und schob noch eine kleine Spitze hinterher: „Aber dauerhaft werden wir mit solchen kleinen Maßnahmen die Haushaltsprobleme von Berlin nicht lösen können.“Immerhin: Die Angelegenheit habe zu keinen diplomatischen Verwicklungen geführt.
Im Flaggenhaus am Alexanderplatz kostet eine drei Meter große Hessen-Flagge übrigens 77,98 Euro plus Mehrwertsteuer. Im Berliner Wind hielte sie drei bis vier Jahre.