Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Hier kann ich mein Helfersyndrom voll ausleben“
Claudio Wellington tritt für „Die Linke“im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen an – Fünf Prozent als Ziel
SIGMARINGEN - Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen stellen sich die Kandidaten von CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke zur Wahl. Doch wer sind sie? Und was wollen sie erreichen? Die „Schwäbische Zeitung“fühlt den Kandidaten auf den Zahn und stellt sie in den kommenden Wochen bis zur Bundestagswahl vor. Heute: Claudio Wellington (Die Linke).
Claudio Wellington ist der jüngste der sechs Kandidaten, die um die Wählergunst der Menschen im Wahlkreis kämpfen. Wellington ist 31 Jahre alt, wuchs in VillingenSchwenningen und Meersburg auf und arbeitet seit rund zwei Jahren in St. Gallen (Schweiz). Dort ist der gelernte Hotelfachmann seit Jahresbeginn als Vorsorgeberater bei der Axa Winterthur tätig. Vorsorgeberater und Linkspartei, passt das zusammen? „Natürlich“, sagt Wellington. „Ich kann sowohl als Vorsorgeberater als auch bei der Linkspartei mein Helfersyndrom voll ausleben“, erklärt er und lacht. Zu einem Linken wurde Wellington im Jahr 2013, als er für eine längere Zeit an einer Hotelfachschule in Portugal gewesen ist. „Ich hatte dort Kontakt zu Menschen, die trotz einer Arbeitswoche von 70 Stunden und mehr immer noch arm waren“, sagt er. Er trat der portugiesischen Linkspartei bei, später dann auch der in Deutschland. Wellington steht mit beiden Beinen im Leben und hat aus erster Ehe einen siebenjährigen Sohn, den er alle 14 Tage an den Wochenenden sieht. Seit 2013 ist er rechtskräftig geschieden. Wellington ist seit Mitte 2016 Mitglied im Landesvorstand „Die Linke. Baden-Württemberg“, im Landesausschuss „Die Linke. BadenWürttemberg“und im Kreisvorstand „Die Linke. Bodensee“.
Was kann ich als Abgeordneter tun, um mehr Ärzte aufs Land zu locken?
Es ist uns Linken wichtig, eine ortsnahe Gesundheitsversorgung aufzustellen. Es kann sinnvoll sein, Praxen auf dem Land zu subventionieren, auch Gesundheitszentren helfen den Ärzten, Kosten einzudämmen. Um eine gute Gesundheitsversorgung finanzierbar zu machen, wollen wir ein Modell solidarischer Gesundheitsversorgung einführen. Es muss Schluss sein mit dem Unterschied von privat und gesetzlich Versicherten. Jeder muss in ein- und dasselbe System einzahlen. Und generell ist es unser Vorhaben, die Menschen, die viel Geld zur Verfügung haben, über Steuern stärker zur Kasse zu bitten. Diese Gelder sollen dann in Soziales, Bildung und – eben – die Gesundheit fließen.
Was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Aufgaben in der Flüchtlingspolitik?
Mit diesem Thema gewinnen die Linken nicht unbedingt Wählerstimmen. Umso wichtiger finde ich es, dass wir hier klare Kante zeigen. Ich will, dass jeder Flüchtling hier eine echte Chance bekommt, es muss immer der Einzelfall betrachtet werden, niemand darf einfach so wieder nach Hause geschickt werden. Es ist doch so: Ohne die Einwanderer wird Deutschland seinen Wohlstand nicht halten können, wir sind regelrecht auf sie angewiesen. Ohne Zweifel ist es wichtig, dass die Flüchtlinge nicht in Auffanglagern untergebracht sind, sondern schnellstmöglich dezentral in den Kommunen. Und für diese dezentralen Unterkünfte müssen die Kommunen stärker als bisher mit Landes- und Bundesmitteln ausgestattet werden.
Wollen Sie mehr oder weniger Europa?
Ich will mehr Europa, aber ein anderes. Wir Linke stehen für einen sozialen Neustart Europas. Der umfasst beispielsweise ebenso europaweite Mindestlöhne wie eine einheitliche Unternehmensbesteuerung. Da, wo die Gewinne eingefahren werden, müssen sie auch besteuert werden. Südeuropa muss stärker von EU-Geldern profitieren. In Portugal etwa beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 35 bis 40 Prozent. Um diese Generation der Perspektivlosen müssen wir uns kümmern.
Wahlprognose:
Mein Ziel ist es, die Marke von der letzten Bundestagswahl im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen – also 4,2 Prozent – zu übertreffen. Fünf Prozent sollten es schon sein. Und ich denke, dass nach zwölf Jahren Schluss sein sollte mit Merkel und Bareiß. Deren „Weiter so mit ruhiger Hand“muss jetzt ein Ende finden.