Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Berliner Luft
Langsam legt sich die Aufregung und es wird klar, wer der eigentliche Gewinner der Bundestagswahl ist: die Berliner Handwerker. Ihnen winkt ein satter Auftrag, tritt doch nun der größte und teuerste Bundestag mit 709 Abgeordneten zusammen. Den Coup haben die Handwerker nicht zuletzt der CSU zu verdanken. Sie gewann in Bayern alle Direktmandate – aber nur 38, 8 Prozent der Zweitstimmen. Das löst eine Welle an Ausgleichsmandaten aus. Der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte dafür plädiert, das Wahlrecht zu ändern, um die Zahl der Bundestagsmandate zu reduzieren. Aber wieso den Handwerkern die Finanzspritze verweigern? Und auch den Abgeordneten sei es gegönnt, dass sie nicht in drögen Wahlkreisen versauern müssen, sondern Berliner Luft schnuppern dürfen.
Zunächst müssen die Handwerker die 78 zusätzlich benötigten Sitze montieren, dabei wird es Härtefälle geben. Für Frauke Petry etwa ist ein Platz zwischen Bistro und Notausgang vorgesehen. Merkel-Jäger Alexander Gauland indes bekommt als einziger Abgeordneter einen Hochsitz. An anderer Stelle muss die AfD als neue Partei im Bundestag Kompromisse eingehen. So werden manche Abgeordnete zunächst in Containern vor dem Reichstag platziert. Die Container stammen aus Flüchtlingsunterkünften, wo sie längst nicht mehr gebraucht werden. Unklar ist noch, ob Martin Schulz (SPD) einen eigenen Stuhl benötigt. Nach seinen Angriffen auf Kanzlerin Merkel am Sonntagabend in der Elefantenrunde hat er den Wahlkampf begonnen und tingelt durchs Land. (dg)