Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Petry sorgt für Eklat bei Wahlgewinner AfD
Vorsitzende wird Fraktion nicht angehören – Weidel fordert sie zum Parteiaustritt auf
BERLIN (kab) - Ein Streit in der Führungsriege der AfD überschattet die Freude über den erstmaligen Einzug in den Bundestag. Frauke Petry, Bundesvorsitzende und Sprecherin des Vorstands, will zwar dem Bundestag, nicht aber der 94-köpfigen AfDFraktion angehören. Die 42-Jährige, die in Sachsen ein Direktmandat für die rechtsgerichtete Partei geholt hatte, kündigte ihren Verzicht am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel an. Petry liegt seit Längerem im Clinch mit beiden.
Weidel forderte Petry später auf, die Partei zu verlassen. „Nach dem jüngsten Eklat von Frauke Petry, der an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten war, fordere ich sie hiermit auf, ihren Sprecherposten niederzulegen und die Partei zu verlassen, um nicht weiteren Schaden zu verursachen“, sagte die 38-Jährige am Montag in Berlin.
RAVENSBURG - Mit 94 Abgeordneten zieht die AfD in den neuen Bundestag ein, wo sie die drittgrößte Fraktion bilden wird. Noch nicht geklärt ist, wo sie im Plenarsaal sitzen werden. Diese Frage müssen die Fraktionen untereinander klären.
Fände die AfD-Fraktion vom Rednerpult aus gesehen am rechten Rand Platz, also neben Union und FDP, würde sie neben der Regierungsbank sitzen. Auf der anderen Seite vom Rednerpult würde sie mit der Linken um deren symbolträchtigen Platz konkurrieren. Und der Platz in der Mitte dürfte keiner der etablierten Parteien passen. Denn die AfD repräsentiert für sie nicht die Mitte der Gesellschaft.
Unter den AfD-Neulingen im Bundestag finden sich Wissenschaftler und Polizisten, Ingenieure und Journalisten, Piloten und Bestatter. Manche von ihnen haben im Wahlkampf mit offen fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik bewusst für Aufsehen gesorgt. Andere nennen sich nationalkonservativ und meiden eher die Schlagzeilen. Wir stellen fünf von ihnen vor.
Sebastian Münzenmaier
(28, Rheinland-Pfalz, Geschäftsführer der AfD-Fraktion im
Landtag). Der Direktkandidat im Wahlkreis Mainz hatte Rechtswissenschaften studiert. Ehe er 2013 in die AfD eintrat, war er bis 2012
Mitglied der Partei Die Freiheit, die vom bayerischen Verfassungsschutz als islamfeindlich eingestuft wurde. Seit Juli muss sich Münzenmaier (Foto: dpa) vor einem Amtsgericht wegen schwerer Körperverletzung verantworten. Er soll vor fünfeinhalb Jahren gemeinsam mit etwa 50 anderen Mitgliedern der Hooliganszene aus Kaiserslautern Fans des FSV Mainz 05 verprügelt haben. Er selbst bezeichnet sich jedoch als einen „friedlichen Fan“. Münzenmaier empfahl im Wahlkampf Frauen, Karatekurse zu belegen und Pfefferspray zu kaufen, um etwa beim Joggen „Merkels Gästen nicht völlig wehrlos gegenüberzustehen“– gemeint waren Flüchtlinge. Am Montag kündigte er an, im Bundestag eine „patriotische Opposition“bilden zu wollen.
Corinna Miazga
(34, Bayern, Vorsitzende des Kreisverbands Straubing-Bogen/Regen). Die Wirtschaftsjuristin
(Foto: Anna Rieser) bezeichnet sich selbst als bodenständig: „Heimatverbundenheit und ehrliche Direktheit sind die Werte, auf die ich baue.“Miazga trat 2013 der AfD bei. Ein Jahr später wurde gegen sie ein Ausschlussverfahren initiiert, angeblich weil sie den Zustand der Parteifinanzen kritisiert hatte. Nach ihrer eigenen Darstellung ist das Verfahren gescheitert, dennoch galt es als eine Überraschung, dass sie auf einen Listenplatz gewählt wurde. Im Wahlkampf 2017 war Miazga Koordinatorin für Niederbayern. Sie gilt als politisch gemäßigt. Allerdings lehnt die AfD-Politikerin die EU in der jetzigen Form ab. Den Islam sieht sie im „Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“und als eine Gefahr für Deutschland. Im Bundestag will sie den „degenerativen Veränderungen des deutschen Staatswesens entgegensteuern“.
Jens Maier
(55, Sachsen, Richter am Landgericht) war bis 1986 Mitglied der SPD, die er heute auf seiner
Webseite ein „Instrument der Asylindustrie und der Bankerlobby“nennt.
„Damit bin ich fertig, seit April
2013 bin ich Mitglied in der AfD“, schreibt der zweifache Vater aus Dresden. Maier (Foto: dpa) gehört zum Rechtsaußen-Flügel der Partei um Björn Höcke. Nach einer Rede in Dresden erteilte ihm der Gerichtspräsident einen disziplinarischen Verweis, weil er gegen das sogenannte Mäßigungsgebot für Richter verstoßen hatte. Maier hatte in der Rede das Ende des deutschen „Schuldkults“gefordert. Der Politiker mit dem Spitznamen „kleiner Höcke“macht Flüchtlinge in Deutschland pauschal für „Massenschlägereien, Diebstähle, Drogenhandel, Überfälle und Sexualdelikte“verantwortlich. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im Januar erklärte er, dass die „Herstellung von Mischvölkern“in Europa „einfach nicht zu ertragen“sei.
Wilhelm von Gottberg
(77, Niedersachsen, im Ruhestand). Der AfDPolitiker hätte als ältester Parlamentarier der neuen Legislaturperiode gute Chancen gehabt, Alterspräsident des Bundestages zu werden. Um das zu verhindern, änderte der Bundestag jedoch seine Geschäftsordnung: Jetzt wird nach Dienstjahren entschieden, nicht mehr nach Lebensalter. Von Gottberg (Foto: dpa) war bis 2011 langjähriges CDU-Mitglied, ehe er 2013 der AfD beitrat. Bis 2012 war er Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen. In dieser Funktion hatte der frühere Lehrer und Kommunalpolitiker den Holocaust ein „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen“genannt. 2001 soll er einen italienischen Neofaschisten zitiert haben: „Der Holocaust muss ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt“. Als Abgeordneter will sich der sechsfache Vater dafür stark machen, den „Kult mit der Schuld“zu beenden.
Joana Cotar
(44, Hessen, selbstständige Projektmanagerin und SocialMedia-Managerin bei der
AfD). Die gebürtige Rumänin
(Foto: Paul Müller) kam mit fünf
Jahren nach Deutschland.
Während ihres
Studiums der Politologie und Germanistik in Mannheim war Cotar CDU-Mitglied. Seit
2013 baute sie die AfD in Hessen mit auf. Der „katastrophale Kurs der Regierung“in der Eurokrise sei der Grund für den Parteibeitritt gewesen, schreibt sie auf ihrer Webseite. Cotar kritisiert die „unkontrollierte Zuwanderung“, weil sie die Sicherheit gefährde. Als Migrantin sei sie überzeugt, dass „Integration eine Bringschuld“sei. Im August behauptete sie in einer Rede, dass Asylbewerber krimineller sind als Deutsche. „Wir wollen das individuelle Grundrecht auf Asyl abschaffen“, fügte sie hinzu. Die AfD-Politikerin will die Macht „dahin zurückgeben, wo sie hingehört“: weg von den Eliten, hin zum Volk. Darum tritt sie für Volksabstimmungen ein.