Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schon vor der Tat gibt es Stress im Drogenmilieu
Die Glaubhaftigkeit der Aussage von Umut K.s Freund ist Gegenstand beim jüngsten Hechinger Verhandlungstag
HECHINGEN (sz) - Die Beweisaufnahme im Prozess um den Mord an Umut K. neigt sich dem Ende entgegen. In einem Verhandlungsmarathon wurden zahlreiche Beamte der Kripo als Zeugen vor Gericht gehört, die in dem Fall vor allem mit der Auswertung von Daten auf Handys – SMS, Chats, WhatsApp-Nachrichten – beschäftigt waren. Eine zähe Flut an Informationen über hauptsächlich Drogengeschäfte und Kontakte, die auch schon am Verhandlungstag vergangene Woche Thema waren. Sie förderten vor allem eines zutage: Umut K.s Freunde aus dem Drogenmilieu hatten schon vor der Tat am 1. Dezember 2016 mächtig Stress mit den zwei jungen italienischen Angeklagten. „Die fahren die ganze Zeit durch Hechingen und suchen mich“, schrieb der 23-jährige Kroate dem 26-jährigen Italiener, der wohl das eigentliche Ziel der mutmaßlichen Täter war. Von Bedrohungsszenarien zwischen den Angeklagten und den Dealern war vor Gericht die Rede – eines wohl sogar bewaffnet unter einer Brücke der B 27.
Die Flut an Informationen bereitete Rechtsanwalt Rüdiger Kaulmann, Verteidiger des mutmaßlichen Schützen, Sorgen, dass falsche, voreilige Schlüsse gegenüber seinem Mandanten gezogen werden. Er beharrte wie schon in der Sitzung zuvor darauf, dass der Augenzeuge, der neben Umut K. stand, laut seiner eigenen Aussage bei der Schussabgabe niemanden erkannt haben wollte. Deshalb stellte er den Antrag, dass Zeugen, die schon gehört worden waren, nochmals geladen werden.
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage lehnten dies ab. Das Gericht und die Verteidigung nahmen aber die Gelegenheit wahr, die für Mittwoch geladenen Kripo-Beamten zu befragen, die mit der Vernehmung und der Tatrekonstruktion mit dem Augenzeugen betraut waren. Einer der Kommissare erinnerte sich, dass der Augenzeuge, als ihm Bilder vorgelegt wurden, den ältesten Angeklagten – den vermeintlichen Drahtzieher „Catania“– sowie Fahrer und Beifahrer klar identifiziert hatte.
Nicht konkret gefragt
Die Frage, ob er und Umut K. von den Angeklagten vor der Tat provoziert worden seien, beantwortete der Augenzeuge mit „durch die Blume“. Dafür verantwortlich gewesen sei „der Beifahrer, der Schütze, so wie Sie es wollen“. An dem „so wie Sie es wollen“störte sich Verteidiger Kaulmann. „Hat man ihn dazu gebracht, das zu sagen“, fragte er den Beamten im Zeugenstand und wollte wissen, warum man nicht konkret gefragt habe, ob der Augenzeuge den Beschuldigten bei der Schussabgabe gesehen habe. Der Kripo-Beamte unterstrich, dass er nicht den Eindruck hatte, dass sich der Augenzeuge irrt. Richter Schairer fragte bei einem weiteren Kripo-Beamten im Zeugenstand noch deutlicher nach: „Hat man dem Augenzeugen etwas in den Mund gelegt?“ „Nein“, war die deutliche Antwort. Man könne den Satz so interpretieren, aber die ermittelnden Beamten hätten bei der Vernehmung keinen Einfluss auf den Augenzeugen genommen.
Eine Vermessungstechnikerin des kriminaltechnischen Instituts am Landeskriminalamt stellte die Ergebnisse ihrer 3D-Vermessung am Tatort vor. Mit einem 3DScanner wurden an der Staig die möglichen Positionen des Tatautos im Abstand zum Opfer visualisiert. Der Verlauf des Schusses im Körper des Opfers war hierfür ausschlaggebend. Das Fahrzeug konnte sich aufgrund dieser Tatsache nur in einer bestimmten Bandbreite bewegt haben: zwischen 5,76 und 6,14 Meter Entfernung zum Opfer, so die Technikerin.
Das entspricht auch den Angaben des Augenzeugen neben Umut K., erklärte die Sachverständige. Die Angaben der Angeklagten zur Position kämen nicht in Betracht. Betont wurde, dass es bei der 3D-Vermessung nur um den wahrscheinlichsten Maximalabstand zwischen Opfer und Tatauto gehe – wer geschossen hat, könne dabei nicht geklärt werden.