Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein neuer Hammer
„Thor: Tag der Entscheidung“– Marvels Donnergott auf irrwitzigem Weltraumtrip
Donnerwetter: Mit Filmabenteuer Nummer 17 bringen die Marvel Studios den bisher abgedrehtesten, irrwitzigsten und experimentellsten Streifen ihres Kinouniversums auf die Leinwände. Die Entscheidung, die Regie dem Blockbuster-unerfahrenen Neuseeländer Taika Waititi zu übertragen, war mutig – doch der 42-Jährige erweist sich als Glücksgriff. Er fügt dem Marvel-Superheldenkosmos ein optisch berauschendes und temporeiches Spektakel hinzu.
Ob Aliens, Killerdrohnen oder andere Bösewichter: Wer sich Donnergott Thor (Chris Hemsworth) in den Weg stellt, hat traditionell eher schlechte Karten, wie man in den bisherigen beiden Solo-Abenteuern oder den zwei Superhelden-Gipfeltreffen der Avengers gesehen hat. Denn der Sohn von Allvater Odin (Anthony Hopkins) kann Blitze schleudern und auf die Macht seines Hammers Mjölnir vertrauen. Doch als er an die Todesgöttin gerät, ist es vorbei mit der Allmacht: Hela zerbröselt den Hammer, als wäre er aus Styropor und nicht aus Meteorgestein.
Wiedersehen mit Hulk
Seiner mächtigen Waffe beraubt, findet sich Thor auf dem Planeten Sakaar wieder. Dort herrscht der Grandmaster (Jeff Goldblum) und lässt zur Unterhaltung seiner Untertanen Gladiatorenspiele veranstalten. In der Arena trifft der nordische Gott auf einen alten Bekannten: den Hulk – das grüne, muskelbepackte und wütende Alter Ego des Wissenschaftlers Bruce Banner (Mark Ruffalo). Und dann muss sich der blonde Hüne auch noch um Ragnarok kümmern, das heraufziehende Ende von Asgard, das dem Film im englischen Originaltitel seinen Namen verleiht.
„Thor: Tag der Entscheidung“ist die kühnste Fortsetzung, die nach dem lediglich durchschnittlichen „Thor: The Dark Kingdom“denkbar war. Taika Waititi schickt seine Charaktere auf einen völlig überzogenen Trip durchs Weltall. Die meiste Zeit spielt der Film auf dem Planeten Sakaar. Dadurch tun sich erzählerisch und natürlich auch inszenatorisch neue Welten auf. Set-Designer und Tricktechniker durften sich nach Herzenslust austoben.
Marvel-Verfilmungen sind traditionell nicht eben düster, das überlässt man lieber den Kollegen von DC Comics („Batman vs. Superman“). Doch derart farbenfroh war bislang noch kein Marvel-Kinofilm. Und auch in punkto Humor legt man diesmal noch ein paar Schippen drauf, was sich in jeder Menge SlapstickMomenten niederschlägt. Manchem Comic-Puristen könnte der Spaßfaktor zu hochgeschraubt sein, aber genau das macht den Streifen eben auch sehr sehenswert.
Spaß machen in „Thor: Tag der Entscheidung“vor allem auch die neuen Charaktere. Cate Blanchett spielt die Todesgöttin Hela mit sichtbarer Lust an der Bösartigkeit – und treibt hier auf die Spitze, was ihre Galadriel in der „Herr der Ringe“Trilogie in einem finsteren Moment durchblitzen ließ. Jeff Goldblum zeigt in der Rolle des Grandmasters seine Stärke für gut getimte Pointen. Der extravagante Herrscher hat in jeder Szene die Lacher auf seiner Seite, ein herrlich überkandidelter Manipulator. Tessa Thompson („Creed – Rocky’s Legacy“) als Walküre und Karl Urban („Star Trek“) als Exekutor Skurge bringen dem Film durch ihre Vorliebe für irdische Feuerwaffen unterhaltsame Momente. Regisseur Waititi selbst sorgt in einer kleineren Nebenrolle als Steinriese Korg für Belustigung.
Die Verpflichtung des Neuseeländers mit Maori-Wurzeln war die perfekte Wahl. Wer seine fiktive Vampir-Doku „Fünf Zimmer, Küche, Sarg“gesehen hat, wird viel von diesem Humor auch in „Thor: Tag der Entscheidung“wiederfinden. Zum experimentelleren Ansatz passt auch die Filmmusik: Mark Mothersbaugh, Sänger der New-Wave-Band Devo und Filmmusik-Spezialist („Royal Tenenbaums“, „The Lego Movie“), verpasst dem Space-Abenteuer einen passenden Sound inklusive Retro-Synthie-Spielereien.
Gemeinsame Abenteuer
Wo Comicadaptionen früher von peinlichen Dialogen, schlimmen Kostümen und miesen B-Movie-Darstellern geprägt waren, sind heute Weltstars an Bord. Tricktechnik und Kostümdesign sind besser denn je und die Drehbücher sind um Längen ausgereifter als in vergangenen Dekaden. Der Marvel-Comicverlag nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein und hat seit fast zehn Jahren ein eigenes Filmuniversum erschaffen, in dem die Superhelden – wie auch in den bunten Heftchenstorys – gemeinsam Abenteuer erleben oder sich auch mal gegenseitig auf die Mütze geben. „Thor: Tag der Entscheidung“zeigt erneut, welche Maßstäbe Marvel hier setzt. Nächstes Jahr bekommt mit „Black Panther“der erste schwarze MarvelSuperheld seinen eigenen Film. Und auch für die Jahre danach steht der Leinwand-Fahrplan.