Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Stalker muss wegen Mordes lebenslang in Haft
46-Jähriger hatte seiner Ex-Freundin nachgestellt – Justiz konnte die Frau nicht schützen
MÜNCHEN (dpa) - Das Landgericht München I hat am Donnerstag einen Stalker wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 46 Jahre alte Deutsche wollte das Ende seiner Beziehung zu einer Frau nicht hinnehmen, mit der er ein Jahr lang zusammengewesen war. Nachdem sie sich im August 2009 endgültig von ihm getrennt hatte, hatte der Architekt ihr jahrelang nachgestellt – und sie schließlich am 16. August 2016 im Eingangsbereich ihres Münchner Wohnhauses mit 18 Messerstichen getötet. Laut Gericht hat er „absoluten Vernichtungswillen“gezeigt.
Die Strafkammer habe „desillusioniert“feststellen müssen, dass der Staat nicht in der Lage gewesen sei, das Opfer zu schützen, sagte Richter Michael Höhne. Dabei habe sich die gestalkte Frau „lehrbuchmäßig“verhalten. Die Frau hatte dem Mann mehrfach ausführlich erklärt, warum sie sich von ihm getrennt hatte. Dennoch ließ er ihr keine Ruhe. Das Gericht erkannte auf Mord aus niederen Beweggründen.
MÜNCHEN - Roland B. verfolgte seine Ex-Freundin sieben Jahre lang – dann erstach er sie im Eingangsbereich ihres Wohnhauses. Am Donnerstag hat ihn das Landgericht München I wegen Mord zu lebenslanger Haft verurteilt.
Tsin-leh L. hatte sich ihre Worte für den Gerichtssaal bereits zurechtgelegt. „Ich möchte in Ruhe leben, ohne mich einschränken zu müssen – und ohne mich fürchten zu müssen“, wollte sie sagen. Das geht aus Unterlagen hervor, die man in der Wohnung der 45-jährigen Architektin gefunden hat. Und als Schlusssatz hatte sie notiert: „Ich bitte um die Ausübung gerichtlicher Mittel, damit Herr B. mit seinen Nachstellungen aufhört; mir geht es nicht um Bestrafung, sondern um das Ziel, für alle Zukunft Ruhe zu haben.“
Niedere Beweggründe
All dies wollte Tsin-leh L. in der Verhandlung wegen Nachstellung vorbringen, die für den 18. August 2016 angesetzt war. Ihr gegenüber sollte Roland B. auf der Anklagebank sitzen – ihr einstiger Lebensgefährte, der sie nach der Trennung jahrelang belästigt hatte. Doch weder der 46-jährige Architekt noch seine Ex-Freundin erschienen damals vor Gericht. Denn zwei Tage vor dem Termin tauchte Roland B. im Wohnhaus von Tsin-leh L. auf und stach sie mit einem Buchbindermesser nieder.
Niedere Beweggründe hätten ihn dazu gebracht, hat das Landgericht München am Donnerstag entschieden und Roland B., den „Stalker von Giesing“, wie ihn die Boulevardblätter nennen, daher wegen Mord verurteilt. Überdies erkannte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld. Das bedeutet, dass der Angeklagte nach 15 Jahren Haft nicht vorzeitig entlassen werden darf. Als Grund führte Richter Michael Höhne zuvorderst an, dass Roland B. schon vor der Tat bei seiner ExFreundin „über Jahre hinweg mit einer befremdlichen Beharrlichkeit ein Klima der Angst“schuf.
Die Verkündung des Urteils, das noch nicht rechtskräftig ist, nahm der 46-Jährige so regungs-, ja fast teilnahmslos auf, wie er den gesamten Prozess verfolgt hatte. Allein am ersten Verhandlungstag hatte der große, abgemagerte Mann in einer wirren Erklärung mitgeteilt, dass er sich ungerecht behandelt fühle und daher in Hungerstreik getreten sei. Auch am letzten Prozesstag erschien er im viel zu weiten Kapuzenparka, setzte sich ruhig auf die Anklagebank und verfolgte von dort mit gesenktem Blick, mitunter einige Sätze notierend, wie der Richter den Tathergang noch einmal schilderte – bis in die blutigen Details.
Ausgerüstet mit „Stalking-Utensilien“wie Einmalhandschuhen habe er vor der Wohnung von Tsin-leh L. gewartet, sich Zugang zum Haus verschafft und die 45-Jährige im Treppenhaus ermordet. Mindestens 18mal habe er ihr in Hals und Brust gestochen. Die Frau habe versucht sich zu wehren, sagte der Richter. „Ihr letzter Kampf war jedoch von Anfang an chancenlos.“
Angefangen hatte ihr Kampf gegen Roland B. schon weit früher. Nachdem beide 2008 zusammengekommen waren, hatte sie sich nach knapp einem Jahr getrennt – doch das wollte Roland B. nicht akzeptieren. Immer wieder schrieb er seiner Ex-Freundin Mails, rief bei ihr auch im Büro an und forderte ein „klärendes Gespräch“. Doch obschon Tsinleh L. ihm dieses im Beisein einer Freundin gewährte und ihre Gründe für die Trennung überdies in einer Mail erläuterte, ließ der 46-Jährige nicht locker. Jahrelang lauerte er ihr regelmäßig auf, klingelte nachts an der Wohnungstür, warf Steine ans Fenster und schrieb unablässig Nachrichten. Von einer „zunehmenden Nachstellungskaskade“, sprach Richter Höhne, derweil sein Opfer immer mehr unter den Belästigungen litt.
Opfer hatte alles richtig gemacht
Dabei habe sich Tsin-leh L. „lehrbuchmäßig verhalten“, betonte der Richter. Sie ging zur Polizei, zeigte ihren Peiniger an und erwirkte ein Kontaktverbot; zudem wurde Roland B. 2014 wegen Nachstellung zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch letztlich habe auch das Schwurgericht „desillusioniert feststellen müssen“, so der Richter, dass man schlicht nicht in der Lage sei, Stalking-Opfern effektiven Schutz zu bieten, „sofern der Täter seine Interessen beharrlich und mit absolutem Vernichtungswillen durchsetzt“.