Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Traum von der großen Ruhe
Der HSV setzt auf einen 17-jährigen Stürmer, der VfB will endlich auswärts punkten
Kann der VfB Stuttgart, mit null Punkten aus fünf Partien das schlechteste Bundesliga-Team in der Fremde, auch auswärts punkten? Selbstverständlich, beim Hamburger SV, verkündete Torhüter RonRobert Zieler vor zwei Wochen. Heute
(15.30 Uhr/Sky) wäre also der Tag, den Worten Taten Folgen zu lassen. Der Aufsteiger darf durchaus mutig in die Partie beim ewig kriselnden Bundesliga-Dino gehen. Beim 3:0 über Freiburg zuletzt profitierte der VfB zwar von einem frühen Platzverweis für Caglar Söyüncü, hatte das folgende,
80 Minuten lange offensive Geduldspiel aber sicher unter Kontrolle und erarbeitete sich zielstrebig Chancen, die er auch effizient nutzte – mit einer Startelf, die für die Zukunft hoffen lässt: 23,93 Jahre jung war der VfB im Schnitt, nur 19-mal in der Bundesligageschichte war er noch juveniler.
Mit 13 Punkten liegt der VfB (dank der Tatsache, dass er das zweitstärkste Heimteam stellt) nach zehn Partien im Soll, Manager Michael Reschke betonte im „kicker“, auch die spielerische Entwicklung mache ihm Freude. „Wir haben schon sehr starke Leistungen gezeigt, wenn auch nicht über 90 Minuten, aber über weite Strecken mancher Partie. Da waren Spielkontrolle und Spielfreude da, individuelle Klasse. Die Entwicklung der Mannschaft ist für mich ebenso entscheidend wie die Tabellensituation.“
Ob sich die heute weiter verbessert, ist die Frage, schließlich fällt im Argentinier Santiago Ascacibar, der nach acht Spielen bereits rekordverdächtige fünf Gelbe Karten sammelte, ein aggressiver Balldieb im Mittelfeld weg, auch Innenverteidiger Holger Badstuber muss weiter ersetzt werden. Euphorie kam dafür von außen: Benjamin Pavard, die französische Allzweckwaffe, die innen, außen und auch als Sechser verteidigen kann, wurde erstmals fürs Nationalteam nominiert, Linksverteidiger Emiliano Insúa steht im argentinischen Kader – das sollte beiden Auftrieb geben. Trainer Hannes Wolf spürt, dass da etwas reift in Stuttgart: „Dass wir trotz der verletzungsbedingten Ausfälle in der Bundesliga bestehen können, das macht etwas mit der Mannschaft. Sie entwickelt ein Vertrauen in die eigene Qualität. Dass es im Umfeld aber einmal komplett ruhig ist, würde mich überraschen.“Bei einem Sieg stünden die Chancen blendend für eine kontemplative Restsaison – der VfB hätte dann bereits drei Rivalen um mindestens acht Punkte distanziert.
Dem HSV steht das Wasser nach sieben Niederlagen in den letzten acht Spielen derweil bis zum Hals. Trainer Markus Gisdol muss um seinen Job zittern, auch wenn Manager Jens Todt sagt: „Es ist kein Naturgesetz, dass beim HSV im Herbst die Trainer entlassen werden.“Ein Naturgesetz scheint es dagegen zu sein, dass der HSV alljährlich gegen den Abstieg spielt – und keine Homogenität in der Mannschaft findet. Selbst Routiniers und ehemalige Stützen wie Bobby Wood, Andre Hahn, Lewis Holtby und Mergim Mavraj enttäuschten zuletzt, Gisdol will deshalb zwei Talente ins Feuer werfen: Der Japaner Tatsuya Ito
(20) soll auf dem rechten Flügel wirbeln, Jann-Fiete Arp (17) im Sturmzentrum. Als bestem U17-Spieler verlieh der DFB Arp im Sommer die FritzWalter-Medaille in Gold. Gerade mal
35 Minuten lang durfte der Schüler bisher in der Bundesliga ran, immerhin genug, um beim 1:2 in Berlin das Ehrentor zu erzielen. Ob Arp den HSVBann bricht? Seit dem 1. Spieltag sind die Hanseaten zu Hause ohne Tor.