Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Im San Remo gibt’s große Pizza bei kleinem Service
Vielleicht muss man sich ein italienisches Traditionslokal wie das San Remo in Wombrechts bei Wangen wie einen gut olivengeölten Mechanismus vorstellen, der aber trotzdem nicht jeden Tag wie geschmiert laufen kann. Außerdem bleibt abzuwägen, wo denn die Grenze zwischen mediterraner Lässigkeit und einfach schlechtem Service verläuft. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das San Remo hat wirklich außerordentlich treue Gäste. Es gibt sogar Leute, die aus Memmingen anreisen, um eine der Pizzen zu essen, die dort besonders groß – und ja – auch besonders schmackhaft sein können.
Die auffällige Architektur mit ihren Reliefs und Säulen ist jedenfalls wie geschaffen als Bühne für italienisches Essen. Auch in den Innenräumen, die von bernsteinfarbenem Holz gekennzeichnet sind, ist es ein Vergnügen, verweilen zu dürfen. Zunächst ist die Bedienung freundlich zur ganzen Familie, inklusive der Kinder.
Die Speisekarte ist von geradezu erschlagender Vielfältigkeit. Allein die Menge der Vorspeisen beeindruckt, die Wahl fällt schließlich auf eine Variante mit gegrilltem Gemüse, Melone und mariniertem Räucherlachs. Eine Kombination, die so sonst nirgends zu finden ist. Dabei hat die Küche jede Komponente überzeugend abgeschmeckt, sodass der positive Gesamteindruck trotz der etwas unkonventionellen Art des Anrichtens am Gaumen absolute Bestätigung findet.
Auch die Pizza Margherita für die Kinder darf als gelungenes Beispiel für solide Holzofenkunst durchgehen: Der Boden dünn und durchzogen von viel Geschmack, wie nur Teige mit genügend Reifezeit ihn entwickeln. Der Belag ist eher unscheinbar, wenn auch kein Grund zu meckern.
Eine Karte mit so großem Umfang wie im San Remo birgt auch die eine oder andere exotische Überraschung. Als solche darf gewiss das Risotto al Forno gelten. Nun könnte man sagen, wer so etwas bestellt, ist selber schuld – aber darauf kann sich ein Koch als Ausrede nicht berufen. Jedenfalls landet eine ominöse Reisbreimischung mit Tomatensauce und Käse auf dem Teller, die bis zur nahezu vollständigen Auflösung der einzelnen Körner verkocht ist. Bestens geeignet für Menschen mit Kauund Schluckbeschwerden. Alle anderen beißen buchstäblich ins Leere – geschmacklich wie substanziell.
Fader Beigeschmack
Klar möchte der Mensch das zügig hinabspülen. Doch durch das Ignorieren der leeren Gläser durch den Service bleibt der Durst. Auch intensiver Sichtkontakt und Fluglotsengleiche Armbewegungen in Richtung der am Tresen bräsig parlierenden Bedienungen helfen nicht. Zum Zeitpunkt dieser Beobachtungen ist das Restaurant halb leer.
Schließlich kommt die Pizza Salsiccia, eigentlich belegt mit einer italienischen Wurst, die am ehesten einer groben deutschen Bratwurst ähnelt. Bloß: Auf der Pizza befindet sich alles Mögliche, nur keine Salsiccia. Auf Nachfrage schnoddert die Bedienung: „Bei uns sieht die immer so aus.“Immerhin: Wenn man die tranig schmeckende Hartwurst nicht mitisst, bestätigt die Pizza die hohe Qualität der Margherita. Und doch bleiben ein mehr als fader Beigeschmack und das Gefühl, als Gast nur dann wohlgelitten zu sein, wenn man ohne Murren isst, was vorgesetzt wird, und immer brav „Grazie“sagt. Sicher, es gibt gute Gründe, im San Remo zu essen. Aber es gibt auch sehr gute, es nicht zu tun.